Im Wahlkampf schloss CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf ein grün-schwarzes Bündnis noch aus. Jetzt musste er umdisponieren. Die Landtagsfraktion plädiert für Verhandlungen über eine grün-schwarzes Bündnis.

Stuttgart - Als sich die CDU-Landtagsabgeordneten am Dienstagnachmittag in ihrem Sitzungssaal sammeln, ist – um den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu zitieren – der Käse bereits gegessen. Mit Kretschmann werden die Christdemokraten künftig aller Voraussicht nach häufiger zu tun haben, als sie sich jemals vorgestellt oder gar gewünscht hätten. Das zeichnet sich ab; Grün-Schwarz soll kommen. „Der Blick auf die Realität schärft das Bewusstsein“, sagt Fraktionsvize Peter Hauk vor Beginn der Sitzung, deren wesentliches Thema die Frage ist, ob nach den Sondierungsgesprächen mit Grünen, SPD und FDP nun weiter mit den Kretschmann und seinen Leuten verhandelt werden solle.

 

Eine Option, die der Spitzenkandidat Guido Wolf im Wahlkampf ja noch ausgeschlossen hatte (Schwarz-Grün ja, Grün-Schwarz nein, befand Wolf), nun aber vorsichtig befürwortet. Denn das von ihm angestrebte Bündnis mit SPD und FDP unter seiner Führung war nicht zustande gekommen. SPD-Landeschef Nils Schmid hält Ministerpräsident Winfried Kretschmann, nicht Wolf für den Wahlsieger, die FDP will nicht mit der SPD koalieren.

Nun also Grün-Schwarz. Aber was sagt die christdemokratische Basis dazu? „Den einen passt es mehr, den anderen weniger“, berichtet die scheidende Ulmer Abgeordnete Monika Stolz aus ihren Gesprächen mit Parteifreunden. Doch wenn der Kopf entscheide, sei klar, wie sich die CDU zu verhalten habe. Stolz findet, dass ihre Partei ein Bündnis mit den Grünen auch als Chance begreifen könne; als gute Gelegenheit, um etwas frische Luft in den Mief der alten Selbstgewissheiten zu bringen. Stolz hofft, dass ihre Partei diese Chance ergreift.

Fraktionsvize Hauk sucht das Gemeinsame

Fraktionsvize Hauk ist da schon einen Schritt weiter. Er geht von Grün-Schwarz aus. Wichtig sei aber, sich dem Bündnis positiv zu nähern, mahnt Hauk, der für den Spitzenkandidaten Wolf den Posten des Fraktionsvorsitzenden hatte räumen müssen. „Wir sollten das Gemeinsame in den Vordergrund stellen“, sagt Hauk mit Blick auf die Grünen. „Nicht das Trennende.“ Die Diskussion in der Fraktion läuft dann pro Grün-Schwarz. Man müsse sich seiner staatspolitischen Verantwortung stellen, streichen etliche Redner heraus.

Das weitere Schicksal des gescheiterte Spitzenkandidaten Guido Wolf spielt an diesem Tag keine große Rolle. Jedenfalls nicht in den offiziellen Reden. Hinter den Kulissen brodelt es, aber niemand erscheint stark genug, den Verdruss gegen Wolf zu bündeln und in eine Revolte zu verwandeln. Einen Ministerposten in einem Kabinett Kretschmann billigem ihm die meisten seiner Gegner zu. Aber Vizeministerpräsident? Dagegen formiert sich Widerstand. Sie sehen als Gefahr, dass Wolf aus diesem Amt heraus einen neuen Anlauf auf die Spitzenkandidatur für die nächste Landtagswahl nehmen könnte. Auch ein Verbleib im Fraktionsvorsitz erscheint seinen Gegnern nicht opportun. In dieser Position könnte er in einer schwarz-grünen Koalition viele Strippen ziehen.

Endlich Freunde

Nach drei Stunden erscheint Wolf, der Fraktionschef, vor dem Fraktionssaal. Man habe breit diskutiert, bericht er. Über den Umgang mit der AfD und natürlich über den Ausgang der Landtagswahl, ein Thema, mit dem man sich selbstkritisch auseinandergesetzt habe. Schließlich wisse man in der CDU: „Nach der Wahl ist vor der Wahl.“ Man wolle „nichts unterlassen, um für die CDU die Weichen wieder richtig zu stellen“. Ein unkluger Satz. Widerspricht er doch dem Mantra, dass CDU-Landeschef Thomas Strobl in diesen Tagen hochhält: Erst komme das Land, dann die Partei, dann die Person. Geht es jetzt nicht erst einmal darum, eine Regierung auf die Beine zu stellen?

Schließlich kommt Wolf zum Wesentlichen: Neuwahlen kämen nicht in Frage. Und ja, man wolle die Gespräche mit den Grünen fortsetzen, an diesem Donnerstag soll bereits erneut sondiert werden. Wenn dann Anfang April erst einmal die eigentlichen Koalitionsgespräche beginnen, ist mit einem Scheitern kaum mehr zu rechnen. Allein schon der Druck aus der Wirtschaft, eine stabile Regierung zu bilden, hindert beide Seiten daran, die Verhandlungen fahrlässig scheitern zu lassen. Wie auch, fragt ein Abgeordneter: „Es wird schwer werden, Streitpunkte zu finden.“ Man fühlt sich den Grünen schon ganz nah. Nur die Befindlichkeit der Parteibasis bereitet den CDU-Strategen Kummer. „Wir müssen mit Parteiaustritten rechnen“, sagt ein Abgeordneter. Dennoch werden schon die ersten Arbeitsgruppen für die Fachgespräche mit den Grünen gebildet. Es sieht ganz danach aus, als wären Schwarze und Grüne bald Freunde.