Österreichs Wahlsieger und ÖVP-Chef muss dem Wunschkoalitionspartner FPÖ Zugeständnisse machen – und darf doch nicht europafeindlich werden.

Wien - Das Strahlen seiner Parteifreunde war bei Sebastian Kurz nicht zu sehen. Der wahrscheinlich bald jüngste Regierungschef der Welt hat harte Verhandlungen vor sich. Denn die Freiheitlichen (FPÖ) werden sich die Zusammenarbeit in einer Koalition teuer abkaufen lassen. Laut Hochrechnungen bekam die ÖVP 31,6 Prozent und legte damit um 7,6 Prozentpunkte zu. Erstmals ist es einem kleineren Koalitionspartner gelungen, aus der Regierung heraus einen Kanzler zu stürzen und dies, obwohl es die nun türkisgefärbte ÖVP war, die Wahlen vom Zaun gebrochen hatte.

 

Innerhalb der Partei wissen alle, dass sie das Ergebnis dem 31-jährigen Außenminister zu verdanken haben. Denn bevor er im Mai übernahm, dümpelte die ÖVP bei etwa 20 Prozent. Laut Nachwahlbefragungen war für 54 Prozent der ÖVP-Wähler die Person Sebastian Kurz das stärkste Motiv. Wenn das amtliche Endergebnis feststeht – wohl am Donnerstag – wird Bundespräsident Alexander van der Bellen den Wahlgewinner Kurz beauftragen, eine Regierung zu bilden. Und fast alle tippen auf eine ÖVP-FPÖ Koalition.

Kurz hat die Wende versprochen

Betrachtet man die Wahlprogramme der Parteien ist klar, dass sie am meisten Gemeinsamkeiten haben. Eine Neuauflage der alten Koalition zwischen Konservativen und Sozialdemokraten ist aber vor allem deshalb höchst unwahrscheinlich, weil Kurz die Wahlen mit dem Versprechen einer Wende gewonnen hat. Die Rechtspopulisten zieren sich jedoch und stellen Forderungen. Sie wollen das Innenministerium und insistieren auf Volksabstimmungen zu den Handelsabkommen Ceta und TTIP. Für Kurz wird es also nicht leicht. Er darf der FPÖ nicht zu viele Zugeständnisse machen – schon gar nicht in der Europapolitik.

Die FPÖ steht in dieser Hinsicht weit rechts und möchte sogar dem Visegrad-Bündnis der mitteleuropäischen Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn beitreten. Das macht zwar für den Nicht-Nato-Staat und EU-Nettozahler Österreich keinen Sinn, doch Kurz wird im Falle einer Koalition mit den Blauen den Druck aus dieser Richtung immer zu spüren bekommen. Und natürlich auch aus der entgegengesetzten Richtung. EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker schrieb bereits dem „lieben Sebastian“ einen Brief und wünschte sich darin eine „stabile proeuropäische Regierung“.

Bloß keine Tür zuschlagen!

Der Aufstieg der FPÖ begann bereits vor dreißig Jahren, der Erfolg vom Sonntag war also wirklich nichts Überraschendes. Die politische Großwetterlage – die Folgen der Massenzuwanderung 2015 und das rechtsgerichtete Klima in ganz Europa und den USA – haben der ÖVP und der FPÖ zusätzlich genutzt. Rechte Parteien haben bereits seit 1978 in Österreich eine Mehrheit. Zurzeit verhalten sich alle drei großen Parteien taktisch, keiner will eine Koalitionsvariante dezidiert ausschließen, um in Verhandlungen den eigenen Preis ein bisschen höher zu treiben, indem man mit einem potenziellen anderen Partner droht.

Auch die SPÖ, die eigentlich angekündigt hatte, in Opposition zu gehen, wenn sie auf Platz Zwei landet, will nun mit allen reden. Die Sozialdemokraten wollen alle Türen offen halten.