Die grün-rote Landesregierung will die vier Regierungspräsidenten im Land ablösen. Aber was sind eigentlich die Aufgaben dieser umstrittenen Behörden?

Stuttgart - Irgendwie weiß jeder, dass es Regierungspräsidien gibt. Weil in dieser sogenannten Mittelbehörde aber keine politischen Debatten ausgefochten werden, sind sie im öffentlichen Bewusstsein weniger vorhanden als Gemeinderäte oder der Landtag. Dabei haben die vier Regierungspräsidien mit Sitz in Stuttgart, Karlsruhe, Tübingen und Freiburg für die Bürger vielfältigsten Realitätsbezug, sie mischen fast überall mit. Beim Straßenbau zum Beispiel planen Leute im Straßenbauamt eines Regierungspräsidiums die Trasse. Andere in der gleichen Behörde kümmern sich um die Belange des Natur- und Umweltschutzes, wieder andere um die Landwirtschaft.

 

Die Mittelbehörde muss aber auch die Gründung einer Stiftung genehmigen. Sie erteilt Genehmigungen für Schwertransporte, weist Schulen Lehrkräfte zu, billigt Flächennutzungspläne von Kommunen, weist abgelehnte Asylbewerber aus, prüft die Haushalte der Großen Kreisstädte, kümmert sich um die Auszahlung von Förderprogrammen – jüngst etwa die Konjunkturspritzen von Bund und Land, leitet überregionale Polizeieinsätze  . . . In den vier Behörden im Land sind rund 9100 Menschen mit diesem Allerlei beschäftigt.

Keine Erfindung der Neuzeit

Regierungspräsidien sind weder ein baden-württembergisches Spezifikum noch sind sie eine Neuerfindung, wie der Politologe Hans-Georg Wehling feststellt. Die Behörden seien „im Zuge der napoleonischen Neuordnung Deutschlands nach dem Vorbild der französischen Departements geschaffen“ worden. Bei der Bildung der vier Regierungsbezirke im Land habe man sich an historischen Territorialbezeichnungen orientiert. Mit der Verwaltungsreform Anfang der 1970er Jahre wurden sie aber neutralisiert. Aus dem Bezirk Nordwürttemberg wurde das RP Stuttgart, aus Südbaden Freiburg, aus Südwürttemberg Tübingen und aus Nordbaden Karlsruhe.

Die Arbeitsteilung in der Verwaltung sieht so aus: Die Ministerien gießen den politischen Willen einer Regierung in Gesetze. Aufgabe der Verwaltung „ist es dann, die Vorhaben der Landesregierung in die Realität umzusetzen“, sagt Wehling. Ministerien seien nicht dazu da zu verwalten, „sie müssen den politischen Überblick bewahren“. Die nachrangigen Behörden könnten sich darauf konzentrieren, den Willen der politischen Führung in den Verwaltungsalltag umzusetzen. Das passiert räumlich wie fachlich einigermaßen problemnah.

Die ganze Palette an Aufgaben

Im Regierungspräsidium spiegelt sich fast die gesamte Palette von Landesaufgaben, sie werden dort gebündelt. Ein Problem wird von verschiedenen Seiten betrachtet – ein gutes Beispiel ist eben der Straßenbau, bei dem wirtschaftliche, ökologische, landwirtschaftliche und geologische Gesichtspunkte abgewogen werden. Am Ende steht die Entscheidung.

Der Regierungspräsident ist auch Vermittler, etwa zwischen Kommunen oder dem Land und einzelnen Kommunen, oder dem Land und der Wirtschaft oder Bürgerinitiativen. Weiter ist er Aufseher, etwa über das Gebaren der Landratsämter, der Großen Kreisstädte und der Stadtkreise. Die Bürger haben mit den Regierungspräsidium eine weitere Instanz für Einsprüche oder Beschwerden gegen sowie Anfechtungen von Entscheidungen anderer Behörden. Sehr wichtig ist die Funktion der Regierungspräsidien als Verteiler von Geld aus Förderprogrammen, seien sie von der EU, vom Bund oder dem Land.

Der Präsident kann durchgreifen

Wehling betont die Durchsetzungsfunktion: „Recht und Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen, ohne jeden Zwang zur Rücksichtnahme auf lokale Interessen.“ Kommunalpolitiker könnten schwach werden und eine Gewerbeansiedlung im Landschaftsschutzgebiet tolerieren, wenn höhere Steuereinnahmen in Aussicht sind. Aber das Regierungspräsidium hat das letzte Wort. Nicht selten nutzten Rathausbedienstete die Notbremse indem sie sagen: „Das würde das RP nie und nimmer genehmigen.“ Gerade diese Aufgabe würden die von lokalen Interessen viel stärker beeinflussten Regionalkreise statt der Regierungspräsidien kaum lösen können, glaubt Wehling. Die anderen Aufgaben, also koordinieren, planen, verwalten und finanzieren, dagegen schon.