Nach einer aktuellen Studie gibt es in der Region Stuttgart viel zu wenig sofort verfügbare Gewerbeflächen. Der regionale Wirtschaftsförderer Walter Rogg hat deshalb Alarm geschlagen. Doch was ist zu tun? Die Meinungen gehen auseinander.

Stuttgart - Walter Rogg ist ein besonnener Mann. Der regionale Wirtschaftsförderer, seit Mitte der 90er Jahre im Amt, neigt nicht zu billigem Alarmismus, um fette Schlagzeilen zu bekommen. Wenn er Klartext redet, geht es ihm um die Sache. Was er am Mittwoch in der Regionalversammlung im freundlichen Tonfall sagte, hat dennoch das Zeug dazu, die Alarmglocken klingen zu lassen. „Wir hören heute überall, dass es uns in der Region so gut geht. Aber wenn wir keine neuen Flächen für Industrie und Gewerbe bereitstellen, stehen wir vor einem wirtschaftlichen Niedergang“, sagte er.

 

Technologischer Wandel braucht Platz

Viele, auch große Unternehmen, hätten einen erhöhten Flächenbedarf, weil sie quasi zeitgleich einen Wandel in der Technologie und im Produktionsprozess bewältigen müssten. Ein Beispiel: In einer Übergangszeit würden weiter Autos mit Verbrennungsmotoren, aber auch E-Fahrzeuge gebaut – für beides benötige man aber Fabriken und damit Flächen. Rogg forderte deshalb, dass es eine Bevorratung potenzieller Areale geben müsse. „Wir brauchen aber auch eine Akzeptanzsteigerung vor Ort“, sagte er – und meint damit, dass Bürgermeister, Gemeinderäte, aber auch die Bürger Gewerbeansiedlungen wieder eine höheren Stellenwert für das Gemeinwohl beimessen und dafür auch Nachteile vor Ort in Kauf nehmen müssten.

In einer aktuellen Studie der regionalen Wirtschaftsfördergesellschaft wird momentan von einem jährlichen Bedarf von 100 Hektar für die An- und Umsiedlung von Unternehmen ausgegangen. „Sofort verfügbar haben wir derzeit 97 Hektar“, sagt Rogg.

90 Prozent der Anfragen von hiesigen Betrieben

Die Kommunen, die für die Ausweisung von Gewerbeflächen zuständig sind, wollen nach eigenen Angaben in den kommenden fünf Jahren rund 61 Hektar soweit entwickeln, dass darauf gebaut werden kann. „Wir bräuchten aber mehr als 500 Hektar“, sagt Rogg. Dabei stünden in den regionalen Gewerbeschwerpunkten – das sind Areale, die sich laut Regionalplan besonders gut für die Ansiedlung von Unternehmen eignen – insgesamt 720 Hektar Flächen zur Verfügung. Sie würden aber zumeist nicht entwickelt, weil es Widerstände und Schwierigkeiten vor Ort gibt. Dabei kämen 90 Prozent der Anfragen von hier ansässigen Firmen, die keine Flöchen finden würden. Und es seien beileibe nicht nur kleine Betriebe. „Auch Großunternehmen finden keine Flächen für ihre Milliardeninvestitionen“, sagte er.

Was die Regionalpolitik tun kann, hat die WRS von einem Institut der Universität St. Gallen untersuchen lassen. Dabei stehen verschiedene Instrumente zur Debatte – von einer regionalen Entwicklungsgesellschaft über die Beteiligung der Region an Einzelprojekten bis hin zu einem Förderprogramm oder einem Lasten-Nutzen-Ausgleich unter Kommunen. Bei Letzterem sollen die Gemeinden, die ein Gewerbeareal ausweisen, Ausgleichszahlungen von Kommunen in der Nachbarschaft bekommen, die ein solches ablehnen.

FDP will Wohnungs- und Gewerbebau koppeln

Noch weiter geht die FDP, deren Fraktionsvorsitzender Kai Buschmann vorschlägt, nur noch solchen Kommunen Wohnbauflächen zu genehmigen, die auch Gewerbestandorte ausweisen. „Wir schlagen so zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir schaffen neue Gewerbestandorte und neue Wohnungen“, so Buschmann. „Wenn die Menschen, die in den neuen Wohnungen leben, dann am Ort Arbeit finden, sparen wir uns auch eine ganze Menge Verkehr.“

Zwar sehen alle Fraktionen den Bedarf als nötig an. CDU, Freie Wähler und FDP fordern aber, dass rascher geplant und die Nutzung der Flächen erleichtert wird. Grüne, SPD und Linke mahnen, man dürfe nicht den ohnehin schon hohen Flächenverbrauch in der Region außer Acht lassen und wollen den Schwerpunkt auf die Reaktivierung von Brach- und Innenflächen legen. Zwar stimmten alle Fraktionen zu, dass die WRS nun mögliche Einflussinstrumente weiter untersucht und die Kommunen intensiver berät. Ob dies erfolgreich sein wird, ist umstritten: „Wer glaubt, dass wir durch Workshops einen Quadratmeter Gewerbefläche bekommen, gehört zu den Glücklichen, die ihren Optimismus nie verlieren“, sagte Andreas Hesky, Freie-Wähler Fraktionschef und OB von Waiblingen.