In den Wintermonaten kommt es häufiger vor, dass Greifvögel gegen die Windschutzscheiben von vorbeifahrenden Autos fliegen und so Unfälle auslösen. Ein Experte der Wilhelma in Stuttgart erklärt, warum.

Stuttgart - In der Region Stuttgart und im Kreis Rottweil ist es in den vergangenen Wochen zu mehreren Unfällen mit Greifvögeln gekommen.

 

Laut Polizeibericht krachte zuletzt am vergangenen Mittwochmorgen in Lenningen (Kreis Esslingen) ein Bussard gegen die Windschutzsscheibe eines Autos. Der Stuttgarter Fahrer des betreffenden Wagens kam mit dem Schrecken davon und auch der Greifvogel überlebte.

Nicht ganz so glimpflich ging ein ähnlicher Unfall Anfang Februar in Deißlingen im Kreis Rottweil aus. Ein 46-jähriger Autofahrer war da auf der Autobahn 81 unterwegs, als ihm ein Bussard frontal gegen die Windschutzscheibe krachte. Der Fahrer erschrak und verriss das Lenkrad, der Wagen kam ins Schleudern und überschlug sich an einer Böschung. Die Bilanz: Ein Leichtverletzter, ein toter Vogel und rund 14.000 Euro Schaden.

Fahrer sollen umsichtig sein

Ließen sich solche Unfälle vermeiden? Und warum fliegen die Tiere in die Scheiben der vorbeifahrenden Autos? Dr. Günther Schleußner, Ornithologe an der Stuttgarter Wilhelma, gibt Antworten, die überraschen. "Es ist nicht so, dass die Vögel die Autos sozusagen angreifen oder, wie es bei größeren Scheiben an Häusern der Fall ist, aus Versehen dagegenfliegen", sagt er. "In den meisten solcher Fälle handelt es sich um Bussarde. Und die sind in den Wintermonaten Aasfresser, was bedeutet, dass sie sich am Straßenrand aufhalten und dort nach leichter Beute - überfahrenen Kleintieren zum Beispiel - suchen."

Vögel schätzen Gefahr falsch ein

Komme dann ein Auto herangefahren, schätzten die Vögel die nahende Bedrohung oft falsch ein und starteten zu spät in die Lüfte - was dann oft einen Unfall zur Folge habe. Wirklich machen könne man gegen diese Gefahr nichts, wie Schleußner erzählt. "In den Wintermonaten, wenn Schnee und Eis die Felder bedecken, haben die Greifvögel Probleme, ihre übliche Beute wie beispielsweise Mäuse aufzuspüren. Deshalb weichen sie an den Straßenrand aus." Mit dem Schmelzen des Schnees entspanne sich auch die Lage. Trotzdem rät er Autofahrern, wachsam zu sein und umsichtig zu fahren.

Vorfälle im Frühling

Wenn der Schnee dann weggetaut ist, könnte es allerdings wieder aus einem anderen Grund zu Zwischenfällen mit Greifvögeln kommen. "Man hört ja immer wieder, dass beispielsweise Jogger von Vögeln attackiert werden", sagt Schleußner. Aber auch das habe ganz natürliche Gründe. Wenn im Frühling die frisch geschlüpften Vogel-Babys ihre ersten Flugversuche unternehmen, sind die Elterntiere auch nicht weit. Und da die Jungen noch keine guten Flieger sind, starten sie ihre Versuche oft von Ästen in Kopfhöhe des Menschen.

"Wenn da ein Jogger vorbeikommt und die Vögel ihren Nachwuchs gefährdet sehen, kann es schon mal vorkommen, dass sie den Menschen aus Verzweiflung angreifen." Das sei allerdings auch beim Menschen nicht anders. "Wenn unsere Kinder auf irgendeine Art und Weise gefährdet sind, wachsen wir schließlich auch oft über uns hinaus", so Schleußner.