Die Landeshauptstadt hat die mit Abstand höchste Quote an Schuldenfällen in der Region. Vor allem die Entwicklung bei den 20- bis 30-Jährigen alarmiert die Experten.

Stuttgart - Die enormen Lebenshaltungskosten im Ballungsraum mit hohen und noch steigenden Mieten und Energiekosten sowie die Zunahme sogenannter prekärer Arbeitsverhältnisse sind Gründe dafür, dass in den vergangen zwölf Monaten die Zahl der überschuldeten Haushalte in der Region Stuttgart leicht um 0,2 Prozentpunkte auf 7,8 Prozent gestiegen ist. Auch das stetig wachsende Konsumangebot im Internet, das nicht zuletzt für junge Menschen mit geringer Finanzkompetenz Kaufanreize bietet, nennt die Auskunftei Creditreform als Ursache für diese Entwicklung mit insgesamt 178 300 überschuldeten Personen in der Region.

 

Insbesondere die Landeshauptstadt sticht bei der Schuldnerquote unter den erwachsenen Bürgen negativ hervor. Trotz der günstigen Wirtschaftslage kommen in Stuttgart rund 53 300 Menschen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nach. Das sind 10,3 Prozent der über 18-Jährigen. Der Stuttgarter Wert ist überproportional gestiegen und liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 9,7 Prozent.

Entwicklung bei den 20- bis 30-Jährigen „besorgniserregend“

Thomas Schlegel, der geschäftsführende Gesellschafter von Creditreform in der Region, hat erneut eine „Überschuldungsverjüngung“ festgestellt. Während in einigen Altersgruppen seit 2004, also seit das Inkasso-Unternehmen seinen Schulden-atlas auch für die Region jährlich fortschreibt, die Zahlen zumeist zurückgegangen sind, hat man bei den 20- bis 30- Jährigen einen Zuwachs von 4,4 Prozentpunk- ten verzeichnet. „Mittlerweile sind 27 Prozent aller Schuldner jünger als 30 Jahre“, sagt Schlegel. Diese Entwicklung sei besonders besorgniserregend.

Der Hauptauslöser einer „Schuldenkarriere“ sei nach wie vor der Verlust des Arbeitsplatzes. Aufgrund der günstigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt habe der Jobverlust aber etwas an Bedeutung dafür verloren (minus 15 Prozent), dass jemand in Schulden gerät. Andererseits habe in der Erhebung das Thema „unangemessenes Konsumverhalten“ als Ursache an Gewicht gewonnen (plus 31 Prozent), so Schlegel. Ein häufiger Grund ist nach wie vor eine Scheidung oder Trennung vom Partner.

Fast die Hälfte der Schuldner ohne Aussicht auf Verbesserung

Von den 53 300 Personen, die in Stuttgart überschuldet sind, haben knapp 46 Prozent eine sogenannte hohe Überschuldungsintensität, sie gehörten damit aufgrund der Höhe und der Dauer ihrer Schulden zu dem „mehr oder minder veränderungsresistenten Schuldensockel“, sagt Thomas Schlegel. Dieser sei mit den Jahren immer mehr gewachsen.

Die durchschnittliche Verschuldung liegt nach den Berechnungen von Creditreform bei etwa 33 000 Euro. Noch ist die Mehrzahl der Betroffenen männlich, aber auch bei den überschuldeten Frauen (Anteil: 36,4 Prozent) hat das Problem erneut leicht zugenommen. Seit 2008 würden auch Konsumausgaben mehr und mehr durch Ratenkredite finanziert, wobei die durchschnittliche monatliche Rate von 287 auf 299 Euro gestiegen ist.

Große Unterschiede in der Stadt

Innerhalb der Region hat Stuttgart mit Abstand die höchste Schuldnerquote unter den Bürgern . Innerhalb der Landeshauptstadt erreicht das Postleitzahlengebiet Mitte mit einer Verschuldungsquote von 27 Prozent das schlechteste Ergebnis. Im Westen sind es immer noch 17,4 Prozent, in Bad Cannstatt deutlich über 15 Prozent. In Stuttgart-Nord mit dem Killesberg sind es hingegen lediglich 4,7 Prozent.

Das Problem einer wachsenden Überschuldung von Privathaushalten erfordert nach Ansicht von Thomas Schlegel verschiedene Gegenmaßnahmen. So wäre es wichtig, mehr Geld in Bildungsangebote zur Förderung der Finanzkompetenz der Bürger zu stecken, insbesondere von jungen Verbrauchern. Deshalb sollten die Präventionsangebote an Schulen ausgebaut werden. Weil dies aber etwa von der städtischen Schuldnerberatung wegen Kapazitätsgrenzen derzeit nicht zu leisten sei, fordert der Creditreform-Geschäftsführer, dass die Insolvenz- und Schuldnerberatung gestärkt werden müsse.

In den Landkreisen ist die Lage besser als in Stuttgart

Vorgehen
Creditreform ist eine Auskunftei und ein Inkasso-Unternehmen. Der Schuldenatlas wurde anhand mehrerer „Negativmerkmale“ erstellt, etwa wenn ein Betroffener eine eidesstattliche Versicherung abgibt, Privatinsolvenz anmeldet oder bei strittigen Inkasso-Fällen. Als „nachhaltige Zahlungsstörungen“ wurde einbezogen, wenn ein Schuldner in einer Sache mindestens zwei Mahnungen erhalten hat.

Quoten
In der Republik liegt die Verschuldungsquote laut Creditreform bei 9,65 Prozent, in Baden-Württemberg bei 7,66, das ist ein sehr guter zweiter Platz auf der Rangliste der Länder nach Bayern. Bremen bildet mit 13,6 Prozent das Schlusslicht. Pforzheim (12,6 Prozent) und Mannheim (12,3 Prozent) schneiden im Land am schlechtesten ab.

Landkreise
In den Kreisen um Stuttgart liegen die Schuldnerquoten wie folgt: Kreis Göppingen 7,7 Prozent, Rems-Murr 7,6 Prozent, Ludwigsburg 7,5 Prozent, Esslingen 7,0, Böblingen 6,5 Prozent.