Nicht umsonst gilt Stuttgart als Stauhauptstadt Deutschlands. Ein Gesetzentwurf der grün-roten Landesregierung soll Abhilfe schaffen. Bis 2025 sollen in der Region 20 Prozent mehr mit den Öffentlichen unterwegs sein. Express-Busse sollen die S-Bahn entlasten.

Stuttgart  - Mit dem Express-Bus von Plochingen nach Schorndorf oder von Ludwigsburg nach Waiblingen - solche neuen Verbindungen könnten künftig die „Stauregion Deutschlands“ im Mittleren Neckarraum entlasten. Nach langem Ringen haben sich Land, Verband Region Stuttgart, Stadt Stuttgart und fünf Landkreise auf eine neue Kompetenzverteilung geeinigt, um den Bus- und Schienenverkehr im Mittleren Neckarraum auszuweiten, erläuterte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Daran sei vor allem die Wirtschaft interessiert.

 

Die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK) begrüßte den ÖPNV-Pakt zwar als „Mosaikstein“, mahnte aber weitere Investitionen an. Der Verkehrsstau in der Region koste die Wirtschaft jährlich mindestens 200 Millionen Euro.

50 Millionen mehr für den Straßenbau

Zugleich wurde bekannt, dass Grün-Rot 50 Millionen Euro mehr für Straßenbau ausgeben will, davon 20 Millionen Euro für die Sanierung von Brücken und 30 Millionen Euro für den Aus- und Neubau von Landesstraßen und Radwegen. Nach Angaben der SPD-Fraktion handelt es sich um Mittel aus der Sanierungsgrundlage, die angezapft werden kann, sobald finanzielle Spielräume im Haushalt sichtbar werden. Die FDP-Fraktion nannte die Millionen hingegen eine „Fata Morgana“, da der Ansatz im Haushaltsplan um 45 Millionen Euro gekürzt worden sei, um sich für einen angeblichen Zuwachs effekthascherisch feiern zu lassen.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wies die Kritik vehement zurück. Das Land gebe weit mehr für Straßenerhalt und -sanierung aus als die CDU-geführte Vorgängerregierung. In der mittelfristigen Finanzplanung seien für 2015 zwar 45 Millionen Euro weniger angesetzt als in diesem Jahr, aber die Hälfte davon entfalle auf die dann ausgelaufene Abfinanzierung von Neubauprojekten der Vorgängerregierung.

Hermann legte dem Kabinett die gesetzliche Grundlage des ÖPNV-Paktes vor, den die Ministerriege absegnete. Damit soll die Zahl der Fahrgäste von derzeit etwa einer Million pro Tag bis 2025 um 20 Prozent erhöht werden soll. Vor allem sollen Menschen zum Umstieg aus dem Auto auf den öffentlichen Verkehr bewegt werden. Der ÖPNV-Pakt hat die Kompetenzen des Verbandes Region Stuttgart gestärkt, der für die Ausschreibung und Bestellung des Expressbus-Verkehrs zuständig sein wird. In etwa zwei Jahren werden nach Prognose Hermanns drei bis fünf Expressbuslinien an den Start gehen.

Bis zu 25 neue Busstrecken

Bis zu 25 neue Bus-Strecken sind möglich, die das sternförmige S-Bahn-Netz in der Region als Querverbindungen ergänzen könnten. Das Reisetempo ist wie bei S-Bahnen, weil die Zahl der Halts begrenzt bleibt. Billigere Fahrpreise wollte der Minister nicht versprechen. „Unser Ziel ist aber: Der ÖPNV muss bezahlbar bleiben.“

Der Abteilungsleiter Industrie der IHK, Hans-Jürgen Reichardt, betonte, es müsse aber auch Ausgaben für die Bus-Infrastruktur geben, neben Extra-Fahrspuren auch Fahrgastinformationssysteme. „Es nutzt nichts, wenn der Bus im Stau steht.“ Grundsätzlich seien Busse schneller und flexibler einzusetzen als Züge, für die eine teure und permanente Schienen-Infrastruktur erforderlich sein.

Zum Gesamtpaket gehören auch neue Metropol-Express-Züge für schnelle Verbindungen zwischen Stuttgart und Aalen, Tübingen und Heilbronn in guten Takten. Die Verbindungen sind Teil der Ausschreibung des Landesverkehrsministeriums für den Schienenpersonennahverkehr. Weiteres Element ist eine passgenaue Verbindung der Verkehrsträger, für die auch der Verband Region Stuttgart verantwortlich ist. Schnittstellen wie Park & Ride oder Bike & Ride sollen finanziell gefördert werden. Die Vermittlung von Mitfahrmöglichkeiten und die Planung von Radrouten soll verbessert werden.

Aus Sicht der IHK ist das Verkehrschaos in der Region nicht durch eine Entlastung für Berufspendler zu bewältigen. Vor allem der Ausbau der Bundesfernstraßen sei der Wirtschaft ein Anliegen, sagte Reichardt. Als Beispiele nannte er die B 27 beim Echterdinger Ei, den Albaufstieg auf der A 8, die A 81 bei den Flaschenhälsen Sindelfingen und Ludwigsburg sowie Abschnitte der Bundesstraßen 10 und 14.