Von August an bietet das Remstalwerk Strom an, der vom Wasserkraftwerk Geradstetten erzeugt wird. Kunden, die diesen Tarif wählen, bekommen eine Garantie, dass ihr Strom ausschließlich mit der Kraft der Rems produziert wird. Gedeckt werden kann der Bedarf von etwa 150 Haushalten.

Remshalden - Martin und Annette Vogelmann haben momentan doppelten Grund zur Freude. Zum einen, weil es nach wochenlanger Trockenheit endlich wieder regnet und die Rems ordentlich Wasser führt. Zum anderen aber, weil der Strom, den sie mit ihrem Wasserkraftwerk in Geradstetten produzieren, von 1. August an vom Remstalwerk bezogen und in einem speziellen Tarif an Kunden weitergegeben wird. „Ich denke, dass es beim Thema Energie einen Umdenkprozess geben muss. Und für diesen ist regional erzeugter Strom wichtig“, sagt Annette Vogelmann.

 

Natürlich wird die Energie, die mit der Kraft der Rems erzeugt wird, auch jetzt schon in das Stromnetz eingespeist. Aber bisher konnte er nicht von Kunden gezielt gekauft werden. „Bei Besichtigungen wurden wir oft gefragt, ob das nicht möglich ist. Das können wir natürlich nicht, weil wir kein eigenes Netz haben. Aber wir haben immer wieder gemerkt, dass es eine Klientel gibt, das wissen möchte, wo der Strom herkommt“, sagt Martin Vogelmann.

Pro Jahr werden 500 000 Kilowattstunden erzeugt

Nicht nur der Erzeuger, auch der Stromanbieter Remstalwerk freut sich über den neuen Tarif. „Ziel des Remstalwerkes war es von Beginn an, ökologisch erzeugten Strom aus der Region anbieten zu können“, sagt Thomas Mahlbacher, der Geschäftsführer des Remstalwerkes. So einfach wie sich der Schritt anhört, war er allerdings nicht. Sowohl in Tübingen beim Partner Südweststrom wie auch beim Partner Alb-Elektrizitätswerk mussten so genannte Bilanzkreise gebildet werden, Systeme aufgebaut und neue Wege beschritten werden. „Ein solches Angebot wie dieses gibt es in der näheren Umgebung nicht“, sagt Mahlbacher. Er ist trotzdem optimistisch, dass die Kunden den neuen Tarif annehmen werden.

Das Wasserkraftwerk in Geradstetten produziert pro Jahr etwa 500 000 Kilowattstunden. Das reicht, um den Bedarf von etwa 150 Haushalten zu decken. „Wir werden nicht mehr verkaufen, als wir produzieren können“, sagt Mahlbacher. Ein neutraler Wirtschaftsprüfer wird zertifizieren, dass die Stromproduktion im Wasserkraftwerk über das Jahr hinweg betrachtet den gesamten Strombezug der Kunden in diesem Tarif abdeckt. Da das Geradstettener Wasserkraftwerk aber nicht immer gleichmäßig Strom erzeugt – sondern gelegentlich weniger, etwa wenn die Rems Niedrigwasser hat – wird Energie von einem anderen umweltfreundlichen Wasserkraftwerk für diese Zeiten zugekauft.

Kunden dürfen Ökofonds verwalten

„Die Kosten für diesen Tarif liegen etwas oberhalb eines normalen Ökostromtarifs“, sagt Mahlbacher. Allerdings gibt es für die Kunden, die Remsstrom beziehen, noch ein kleines Bonbon: „Ein halber Cent pro verkaufte Kilowattstunde geht an ein Ökokonto, das von den Kunden selbst verwaltet wird.“ Bei den Stadtwerken Fellbach wurde dieses Konzept bereits erprobt. Dort haben die Kunden über diesen Ökofonds zwei kleine Solaranlagen sowie Bienenhotels für Schulen finanziert. Thomas Mahlbacher kann sich vorstellen, dass dieser regionale Tarif ausgeweitet werden kann: „Wir fangen jetzt einmal an. Aber bei großer Nachfrage könnte auch Energie aus Solaranlagen oder Windkraftanlagen hinzugenommen werden.“

Das Wasserkraftwerk Geradstetten erzeugt seit gut zweieinhalb Jahren Strom. Herz der Anlage ist eine generalüberholte Kaplanturbine aus dem Jahr 1932. Das Wasserrecht, an dieser Stelle Energie zu gewinnen, stammt aus dem Jahr 1896.