Der in Stetten aufgewachsene Regisseur Marc Schlegel spricht über schwarzen Humor, schwäbische Wurzeln und Schwierigkeiten bei der Arbeit.

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Stetten - Der Regisseur Marc Schlegel ist am Montag bei der Vorführung seiner schwäbischen schwarzen Komödie „Schmidts Katze“ (2015) in der Stettener Glockenkelter gewesen. Anlässlich seines Besuchs in der Heimat sprach der in Wien lebende Filmemacher über seine Arbeit.

 
Herr Schlegel, wir treffen uns im “Gasthof zum Ochsen“, das Ihrer Familie gehört. Haben Sie hier viel Zeit als Kind verbracht?
Um ehrlich zu sein, nein. Meine Eltern haben sehr viel gearbeitet, aber sie haben mich da raus gehalten. Ich habe nicht im Restaurant arbeiten müssen. Mittlerweile finde ich es fast schade, dass ich nicht mehr davon mitbekommen habe. Es ist ein interessanter Ort, um Menschen zu beobachten. In so einem Restaurant spielt sich das ganze Leben ab.
Sie leben seit zehn Jahren in Wien. Wie häufig sind Sie in Stetten?
Etwa fünf- sechsmal im Jahr, meistens zu Familienangelegenheiten. Dieses Wochenende wurde mein Neffe getauft.
War deswegen jetzt die Filmvorführung?
(lacht) Ja, ich habe tatsächlich den Termin so gelegt.
Warum haben Sie sich eigentlich fürs Filmemachen entschieden?
Das war eher eine spontane Entscheidung. Ich bin eigentlich relativ spät in Berührung mit Medien und Film gekommen, so mit 18 bis 20 Jahren. Davor war ich ein eher klassischer Kinogänger, mit Freunden und Popcorn hier im Kino in der Kleinstadt. Dann habe ich angefangen, mich für internationale Filme und Arthaus Filmemacher zu interessieren, bin dann nach Berlin gezogen und habe dort die Leidenschaft nach und nach entdeckt. Der Film als Solches ist eines der schönsten Medien, weil er alle Kunstformen vereint.
War es schwierig, der Liebe zu internationalem Kino in Stetten nachzugehen?
Vor rund zwölf Jahren war eine andere Zeit. Das Internet war noch nicht so entwickelt wie heute. Heute steht einem alles offen. Für mich hat es in Berlin begonnen, als ich eine sehr gute Videothek um die Ecke hatte, die die Filme nach Regisseuren und ihrer Biografie sortierte. Diese Videothek war eigentlich fast wichtiger als mein ganzes Filmstudium. Ich habe mir dort drei Filme am Tag ausgeliehen. Ich hatte zu der Zeit sieben oder acht Videotheken-Ausweise im Portemonnaie und es war nach der Miete die größte monatliche Ausgabe.
Wer waren Ihre Lieblingsregisseure?
Ich habe damals versucht, alles aufzusaugen wie ein Schwamm. Natürlich waren Filme und Regisseure dabei, die zu der Zeit sehr en vogue waren – Quentin Tarantino und Konsorten, Jim Jarmusch, die ganzen amerikanischen Independent-Sachen, die es inzwischen nicht mehr in der Form so gibt. Heute schaue ich natürlich viel mehr Komödien an als andere Genres.
War es frustrierend in Berlin, dass Sie nur Set-Runner und Aufnahmeassistent waren?
Nein, überhaupt nicht. Man muss irgendwo anfangen. Es ist unglaublich aufregend, wenn man das erste Mal an einem Set steht – mit 50 Leuten, die dort arbeiten, mit Lastwagen voller Technik, die man noch nie gesehen hat. Ich glaube, dass es nicht verkehrt ist, ein paar Kabel getragen zu haben, bevor man an eine Kunstschule geht.
Warum sind Sie dann nach Wien gegangen?
Man muss sehr darum kämpfen, Studienplätze für Film zu bekommen. Es sind sehr harte Auswahlregularien. In Wien gibt es nur vier Studienplätze für Regie pro Jahr, und die Aufnahmeprüfung dauert über eine Woche. Es sind nur drei bis vier Prozent aller Bewerber, die die Aufnahmeprüfung schaffen. Das gilt für Wien und Berlin. Man muss es oft probieren. Ich glaube, Wien war damals meine vierte Bewerbung.
Wie lebt es sich als Schwabe in Wien?
Sehr, sehr gut (lacht). Der Mentalitätsunterschied ist gegeben – Wien ist ja viermal so groß wie Stuttgart – aber doch angenehmen. Ich fand den Unterschied zwischen Berlin und Wien sehr stark und gefühlt zwischen Stuttgart und Wien ist er nicht so groß.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, Ihren ersten Langfilm in Schwaben und auf Schwäbisch zu drehen?
Das war mehr oder weniger Zufall. Ich habe meinen Abschlussfilm „Das Begräbnis des Harald Kramer“ bei der Filmschau in Baden-Württemberg gezeigt. D ort ist eine Produzentin auf den Film aufmerksam geworden. Daraufhin hat man mich gefragt, ob ich an dem SWR-Programm „Debüt im Dritten“ teilnehmen wollte. Das war natürlich perfekt. Die Regionalität in dem Film ist auch durch Zufall entstanden. Die Autorin von „Schmidts Katze“ kommt eigentlich aus Hamburg. Wir kamen einfach immer mehr darauf, dass es eigentlich eine Stärke sein könnte wenn man die Geschichte in Waiblingen verortet. Im Film zündet Werner Schmidt Autos an und es gibt, glaube ich, wenig Gegenden auf der ganzen Welt, wo das Automobil so einen Stellenwert hat wie hier rund um Stuttgart.
Dass man einen Daimler anzündet!
Die Identifikation mit der Autoindustrie ist hier schon extrem groß. In Berlin brennen vielleicht hin und wieder mal Autos, das interessiert aber nicht so viele Leute. Würden aber in Baden-Württemberg Autos brennen, glaube ich, dass es tatsächlich Bürgerwehren geben würde.
Sie arbeiten viel mit schwarzem Humor: In „Das Begräbnis des Harald Kramer“ geht es um einen Scheintoten, in „Schmidts Katze“ um einen Brandstifter.
Ich glaube, dass es immer dann am witzigsten ist, wenn es ein bisschen weh tut. Es ist ein alter Spruch, dass in jeder Komödie eigentlich eine Tragödie steckt, und ich glaube, dass es auch stimmt.
Hatten Sie Angst davor, als „der schwäbische Regisseur“ abgestempelt zu werden?
Hatte ich, ja. Aber irgendein Risiko muss man eingehen. Ich glaube es war das Beste für den Film, und von dem her muss ich damit leben. Und hoffe, dass ich nicht abgestempelt werde. Filme im schwäbischen Dialekt zu machen ist auch etwas sehr Neues. Vor 15 Jahren war Maren Ades „Der Wald vor lauter Bäumen“ etwas wirklich Außergewöhnliches, und es ist immer noch nicht üblich.
Was ist schwierig an der Regisseur-Arbeit?
Die Geduld, die man haben muss, bis Projekte umgesetzt sind. Immer wieder den langen Atem zu haben, dass man am Projekt dran bleibt und auch Verzögerungen und Rückschritte hinnehmen muss. Bis Kinofilme fertig sind vergehen Jahre. Bei Fernsehprojekten sind die Entwicklungen nicht ganz so lang.
Ihre Arbeiten haben unterschiedliche Auszeichnungen bekommen. „Schmidts Katze“ wurde vom Fernseh- zum Kinofilm. Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ja, schon. Preise und Zuschauerzahlen sind für mich zweitrangig. Es ist ein ganz großes Privileg, ausschließlich der künstlerischen Tätigkeit nachgehen zu dürfen. Für mich sehe ich es als Erfolg, dass ich das machen kann, was ich liebe, und nicht nebenher noch irgendwie kellnern gehen muss.