Israel – Konflikt ohne Ende? So war die zweite Veranstaltung der Reihe Theater X Wirklichkeit im Schauspielhaus überschrieben. Der israelische Historiker Moshe Zimmermann und der EU-Abgeordnete Elmar Brok zeichneten kein rosiges Bild.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Jürgen Klinsmann dürfe nicht unterschätzt werden, sagt Moshe Zimmermann. Die Zuhörer im Schauspielhaus Stuttgart stutzen kurz. Doch dann hat der Historiker die Lacher auf seiner Seite, als er lakonisch erklärt, dass er diese Bemerkung nicht sportlich, sondern eher gesellschaftspolitisch verstanden wissen möchte. Der damalige deutsche Bundestrainer habe durch das Auftreten der deutschen Mannschaft bei der Weltmeisterschaft 2006 das Deutschlandbild im fußballverrückten Israel grundlegend verändert, beschreibt Zimmermann die Stimmung in seiner Heimat. Spätestens jetzt wird deutlich, dass die Beziehungen Israels zu seinen Nachbarn, zu Deutschland und zum Rest der Welt ein nur schwer zu durchdringendes, kompliziertes Geflecht sind.

 

Um hier etwas Klarheit zu verschaffen, saß Zimmermann am Sonntag zusammen mit dem deutschen EU-Parlamentarier Elmar Brok fast zwei Stunden auf dem Podium und diskutierte mit dem Politiker und dem Publikum über das Thema „Israel – Konflikt ohne Ende?“ Es war die zweite Folge der Reihe „Theater X Wirklichkeit“, die vom Schauspiel Stuttgart, der Robert Bosch Stiftung und der Stuttgarter Zeitung organisiert wird.

An der Gegenwart orientiert

„Das Deutschlandbild der Israeli ist sehr gegenwartsbezogen“, sagte Zimmermann. „Rechtsradikale oder rechtspopulistische Strömungen wie Pegida werden da nur am Rand wahrgenommen.“ In dieser Hinsicht habe sich in den vergangenen Jahren in Israel grundlegend etwas verändert. „Man trennt zwischen dem Deutschland von heute und dem Deutschland der Vergangenheit“, so Zimmermann.

Auf der anderen Seite aber, ergänzte Moderator und StZ-Redakteur Rainer Pörtner, werde Israel in Deutschland zunehmend kritisch gesehen. Auch diese Beobachtung konnte der Historiker einordnen. Natürlich orientierten sich auch die Deutschen in ihrem Urteil an der Gegenwart. Und im Falle von Israel scheine es eben, dass man es mit einem Land zu tun habe, das sich ständig im Krieg befinde und die Palästinenser unterdrücke.

Damit rührten die beiden Redner im mit rund 600 Zuhörern fast voll besetzten Schauspielhaus an den Kern des Problems: dass der Konflikt im Nahen Osten zu einer scheinbar unendlichen Auseinandersetzung geworden ist. Zimmermann vertritt zumindest bei der Lösung dieser Misere eine überaus radikale These. Vielleicht brauche es erst eine Katastrophe, bevor ein echter Friedensprozess möglich sei. „Ich bin Historiker“, erklärte Zimmermann. Als solcher analysiere er Verläufe in der Geschichte. „Es benötigte zum Beispiel eine ganz große Katastrophe, um aus den beiden Erbfeinden Frankreich und Deutschland Freunde zu machen.“

Die Katastrophe verhindern

Dann allerdings sprang der Wissenschaftler in die Gegenwart und kam zu einer ziemlich entmutigenden Beschreibung der aktuellen politischen Lage in Nahen Osten. „Die Gescheiten lernen aus der Erfahrung der anderen, die Dummen nur aus der eigenen Erfahrung. Leider haben im Moment im Nahen Osten die Dummen die Oberhand.“

An dieser Stelle meldete sich Elmar Brok vehement zu Wort und erklärte, dass es die Aufgabe der Politik sei, eine solche ganz große Katastrophe im Nahen Osten zu verhindern. Allerdings musste er eingestehen, dass er in den vergangenen Jahrzehnte schon viele Male gehofft hatte, dass eine Friedenslösung gefunden werden könnte, doch jedes Mal enttäuscht worden war.

Die harte Haltung Israels könne doch aus der Geschichte des jüdischen Volkes erklärt werden, wand Katja Bauer, Moderatorin und StZ-Redakteurin, ein – dem festen Willen, nie wieder Opfer sein zu wollen.

Im Kern gefährdete Demokratie

Dieses Argument könne auch zu einer ganz anderen Politik führen, erklärte Zimmermann. Die ersten Einwanderer in Israel gingen davon aus, dass die Hoffnung auf ein friedliches Leben nur durch die Verständigung mit den Nachbarn erfüllt werden könne. Erst in jüngster Vergangenheit seien die israelischen Politiker verstärkt dazu übergegangen, die „Angst-Karte“ zu spielen. Damit einher ging auch das ständige Hervorheben des „jüdischen Grundcharakters“ von Israel.

„Wir sind eigentlich eine säkulare Gesellschaft“, erklärte Moshe Zimmermann, „aber die Religion spielt in der heutigen Gesellschaft eine immer größere Rolle.“ Angesichts der beachtlich großen Minderheit von arabischstämmigen Israelis kam der Historiker zu einem sehr ernüchternden Schluss, könne dieses „Gerede vom jüdischen Staat“ die Demokratie in Israel im Kern gefährden.