Reiseleiter sind vieles in einer Person: Pfadfinder, Leibwächter, Botschafter. An diejenigen, die einem ihr Land mit Leidenschaft und Begeisterung ans Herz legen, erinnert man sich gern.

Ilona in Kiew, die die Stadt den Besuchern per Rad zeigen sollte, kippte nach zehn Metern aus dem Sattel, weil sie gar nicht Fahrrad fahren konnte. Ahmed, der sich in den Anden rührend um die Gruppe kümmerte, fragte am dritten Tag lachend: Hitler sei doch eigentlich ein Guter gewesen? Sab, der Löwenmähnige, der bei Aborigines aufgewachsen war, zerschmetterte in den Bamurru Plains zornig eine Zuckerrohr-Kröte am Baum, weil sie das Tierleben seines geliebten Queensland Tag für Tag unaufhaltsam dezimierte. Und er das hilflos mit ansehen musste.

 

Fremden-Führer sind An-die-Hand-Nehmer. Sie sind, bewusst oder ungewollt, Botschafter ihres Landes. Sind Pfadfinder, Leibwächter, Brückenbauer. Mal sind sie erheiternd, mal erstaunlich, mal erhellend, dann wieder ermüdend - oder sogar verstörend. Ohne sie wären Reisende zwar nicht blind in der Fremde, aber sie blieben dumm. Und gingen manchmal auch verloren. Der erschöpfte Herr Yan, der seine Heimat offenbar schon viel zu oft viel zu vielen Gästen erklärt hatte, entzündete sich plötzlich wieder selbst an deren Begeisterung und sprudelte bald vor Ideen, wie man die kurze Zeit in seinem großartigen Land Japan noch viel intensiver nutzen könnte. May mit den blonden Locken in Neufundland plante fest, Country-Sängerin zu werden. Mit strahlendem Blendax-Lächeln schleppte sie den 30-Kilo-Rucksack acht Stunden lang durch den Gros-Morne-Nationalpark, machte sich danach ans Kochen und trällerte John-Denver-Songs. Versteht sich, dass sie jeden Vogel am Gesang erkannte.

Bilder verblassen, Menschen bringen sie zurück

In Kenia war es ein anderer Ahmed, der auf dem Markt einer Kleinstadt brüllend eine ständig wachsende Gruppe brüllender Männer in Schach hielt, während er seine Gäste - einer der Touristen hatte etwas Tabubehaftetes fotografiert - rasch in den Toyota bugsierte und mit quietschenden Reifen losschoss. Bilder von Ländern und Städten verblassen im Lauf der Zeit. Denkt man an die Menschen zurück, die sie einem nahegebracht haben, nehmen sie wieder Konturen an und saugen sich mit Farben voll. In Rangun wollte der zurückhaltende Herr Phu, den die Militärs ins Gefängnis gesteckt hatten, kein Wort über Politik verlieren. Sprach dann doch, am letzten Abend in der Shwedagon-Pagode, sehr leise, sehr bestimmt. Auf Grönland zeigte Joe, der Inuit, sein Boot, seinen Jeep und sein Snowmobil. Er sei ganz und gar nicht darauf angewiesen, erklärte er, Ausländer im Hundeschlitten herumzukutschieren. Er betrachte das als Entgegenkommen - für Menschen, die sich für seine Kultur interessierten.Zeigten sie sich gelangweilt, lasse er es einfach wieder.

Es gibt großherzige, hellwache und bestens informierte Guides. Und leider auch andere, die eine Zumutung für Urlauber darstellen. Im Dschungel von Honduras ging Bob, der Holländer, erst in die Irre und dann seinen Gästen verloren. Nach 20 Minuten tauchte er wieder auf, sehr blass und mächtig aufgeregt, und erklärte, dass der richtige Pfad ganz sicher ganz in der Nähe sei. Niemand müsse jetzt nervös werden. Lin Chi aus Peking überholte am liebsten an unübersichtlichen Stellen, in rasanten Manövern, und jeden Wagen, der ihm zu langsam schien - und das war jeder. Bat man ihn, vom Gas zu gehen, zuckte er, der gut Englisch sprach, nur fragend mit den Schultern.

Frank aus Saarbrücken war vor Jahren in Managua hängen geblieben. Seine Nica-Frau hatte ihn verlassen. Dreck, Langeweile, Unzuverlässigkeit - längst war ihm das Leben in Nicaragua ein Gräuel. Und endlich war da jemand, meinte er, bei dem er sich auskotzen konnte. Und dann gab es da noch jenen jungen Mann aus Hessen, der in der Hohen Tatra den Bus begleitete und seine Gäste ungefragt vorab wissen ließ, welche slowakischen Weine er besonders schätze - wenn man ihm, wie es so üblich sei, am Ende der Reise eine Freude machen wolle. Allerlei Gestalten versuchen sich in der Kunst des Führens und Erklärens. Da sind die, die am liebsten selbst fotografieren, sich gern am Fels und auf der Piste bewundern lassen oder glauben, sich dauernd für die Rückständigkeit ihres Landes entschuldigen zu müssen. Und es gibt jene, die einen vom ersten Moment an mit ihrer Begeisterung anstecken. Die jeden neuen Gast als Herausforderung ansehen. Und versuchen, ihm ihr touristisch bisher so stiefmütterlich behandeltes Stück Erde mit aller Leidenschaft und Überzeugungskraft ans Herz zu legen. Das sind die Guten, an die man sich gerne erinnert.