Der Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung wird in Lüneburg vergeben. Unsere Serie „Die Stadt des Lächelns“ wird ausgezeichnet. Aus diesem Anlass stellen wir Ihnen weitere Miniaturen vor – in der Hoffnung, sie mögen Ihnen ein Lächeln entlocken.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Am kommenden Montag wird unsere Serie „Die Stadt des Lächelns“ in Lüneburg mit dem Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgezeichnet. Gefallen hat der Jury an der mehr als 100-teiligen, vorwiegend aus Leserbeiträgen bestehenden Reihe, dass sie in Wort und Zeichnung Platz geschaffen hat für positive menschliche Begegnungen, die unter dem Eindruck negativer Nachrichten oft übersehen werden. Aus diesem Anlass stellen wir auf dieser Seite weitere solcher Miniaturen vor – in der Hoffnung, sie mögen Ihnen ein Lächeln entlocken:

 

„Sparschweine bitte!“

Eine Lächelgeschichte von Michael S. aus Stuttgart: „Unterwegs in der Stadtbahn. Jeder ist mit sich beschäftigt, vielmehr mit dem elektronischen Kästchen, das an seiner Hand klebt – daher wohl der Name Handy. Wie ein Schwarzes Loch schluckt es den Blick des Besitzers. Es gibt Ausnahmen. Hinten liest ein älterer Herr Zeitung. Zwei Frauen unterhalten sich. Ansonsten herrscht Ruhe. Stadtbahn-Ruhe. Der nächste Stopp. Unter denen, die zusteigen, ist ein junger Mann, der im Stile eines Fahrscheinkontrolleurs in den Wagen ruft: „Ihre Sparschweine, bitte!“ Und noch mal: „Sparschweine, bitte!“ Ringsum löst sich die Erstarrung. Die Fahrgäste schauen von den Schwarzen Löchern auf und wenden ihre Blicke dem unbekannten Kontrolleur der guten Laune zu – erst erstaunt, dann amüsiert. Der Sparschwein-Mann lacht. Er hat die Stadtbahn der unbewegten Mienen in eine Bahn des Lächelns verwandelt.“

Flugbegleiter als Flugerheiterer

Fliegen ist schön – und manchmal auch lustig. Zum Beispiel im Fall dieses Ferienfliegers mit Ziel Stuttgart. Das beginnt schon beim Einsteigen am Flughafen auf einer kleinen Insel im Atlantik. Während einer der Flugbegleiter die Passagiere begrüßt, reckt er die Arme in die Höhe und formt mit seinen Händen ein Herz – ein Gruß an die Crew im Flieger nebenan. Dann die Sicherheitsinstruktionen vor dem Start – eine Verwechslungskomödie: Als von Schwimmwesten die Rede ist, greift der Flugbegleiter mit Herz grinsend zur Sauerstoffmaske. Als die Funktion der Sauerstoffmaske zur Sprache kommt, zückt er keck den Sicherheitsgurt. „Mein Kollege hat heute seinen ersten Tag“, sagt Flugbegleiter Nummer zwei und verzieht das Gesicht wie ein Comedian. Die Passagiere schauen sich mit großen Augen an. So was haben sie noch nicht erlebt, die ersten lachen. Als Flugbegleiter zwei mit den Instruktionen fortfährt, kitzelt ihn der Kollege mit Herz von hinten unter den Armen. Johlen in der Kabine. Am Ende der Sicherheitseinweisungen gibt’s herzlichen Applaus.

Das Spaßflugzeug hebt ab. Nachtflug. Die Flugbegleiter witzeln: „Wir schalten jetzt die Lichter aus. Bitte vergewissern Sie sich vorher, dass Sie an den richtigen Nebensitzer hinkuscheln.“ So geht das heiter weiter. Diese Crew ist der Brüller. Nach der Landung in Stuttgart verabschiedet sie sich mit den Worten: „Vielen Dank, dass Sie heute bis zum Schluss bei uns geblieben sind.“ Lautes Lachen, Bravorufe, Beifall. Die beste Art, aus dem Urlaub zurückzukehren.

Wer nicht sucht, der findet

In einer Kirche in einer fernen Stadt des Lächelns. Eine Sehenswürdigkeit. Touristen strömen hinein, recken die Köpfe, gehen schweigend umher. Manche lassen sich in den Kirchenbänken nieder. Im Chor ertönt auf einmal Gesang. Beginn der Messe. Ein Touristenpaar erhebt sich, geht hinaus. Es fühlt sich fehl am Platze.

Vor der Kirche tritt ein weißhaariger Mann auf sie zu. Ein Einheimischer. Er hat sie in der Kirche beobachtet, ist ihnen nachgegangen. Der Alte macht Zeichen, bedeutet den beiden etwas. Sie verstehen nicht. Er zeigt auf die Eingangstür, fordert sie mit Gesten auf, ihm in die Kirche zu folgen. Er geht voraus, sie zögernd hinterher. Drinnen erhebt der Priester das Wort. Die Gemeinde betet. Die beiden schauen den alten Mann fragend an, er zeigt auf die Kirchenbank, auf der sie gesessen haben. Sie staunen. Dort liegen ihre Wertsachen – Portemonnaie und Handy – , die sie beim eiligen Hinausgehen vergessen haben. Ihre Blicke suchen den Blick des alten Mannes. Er ist an seinen Platz zurückgekehrt, eine Bank hinter ihnen. Und lächelt.

Der Optiker, der zuhören kann

Die folgende Geschichte stammt von Ute Wimpff aus Stuttgart. Sie schickt voraus: „Es gibt so viel Negatives, über das Sie schreiben müssen, aber es gibt zum Glück auch viele ermutigende und berührende Erlebnisse.“ Dieses Beispiel gehört dazu: „Freitagnachmittag, 16 Uhr. Drückende Hitze auf dem Rathausplatz in Stuttgart. Ich muss zum Optiker. Das Geschäft ist bis auf eine Kundin leer. Der Optiker, zu dem ich möchte, berät die Kundin, eine alte Dame. Ich nehme am Nachbartisch Platz und erfahre, ich müsse 10 bis 15 Minuten warten. Die Viertelstunde ist vorbei, aber nicht die Beratung. Also mache ich einen Einkauf nebenan und komme anschließend zurück. Noch immer dauert die Beratung an. Ich warte und höre zu. Zuerst ungeduldig, dann neugierig und überrascht vom Verhalten des Optikers. Die alte Dame erzählt von ihrem Leid, das sie augenblicklich in der Familie erlebe. Sie wirkt unglücklich und fragt, was sie denn machen solle. Und der Optiker? Er hört zu, aber nicht, indem er ‚Mh, mh‘ macht, so als gäbe er nur vor, zuzuhören, sondern er hinterfragt, was die Frau ihm erzählt und macht Vorschläge, wo sie sich Rat holen kann. Meine Ungeduld ist mit einem Mal verschwunden. Auch ich entwickle Interesse, und meine Achtung vor dem Optiker wächst von Minute zu Minute. Es wäre für ihn einfach gewesen, den Redefluss der alten Frau ins Leere laufen zu lassen. Doch er nimmt sich die Zeit.

Eine Mitarbeiterin kommt auf mich zu, entschuldigt sich für die lange Wartezeit und fragt, ob ich einen anderen Kundenberater haben möchte. Nein, ich möchte nicht, denn ich habe gerade die Gelegenheit, eine sehr menschliche Begegnung zu erleben, unerwartet und bereichernd: Ein Zuhörer spürt die Not seines Gegenübers, das Geschäftliche tritt in den Hintergrund, und der Mensch tritt hervor. Die alte Dame verabschiedet sich und verlässt sichtlich erleichteret und zufrieden das Geschäft. Und ich? Ich hätte nie erwartet, dass ich eine solche Situation der Anteilnahme erleben würde. Das macht mich froh!“

Blumen im Niemandsland

Eine Fahrt im Auto in einem anderen Land. Mit Orientierungsproblemen. „Wo geht’s nach . . . ?“ Kein Schild, kein Plan. Also rechts ranfahren, Adresse überprüfen. Am Straßenrand steht eine alte Frau vor einem Garten. Sie betrachtet das fremde Paar in aller Ruhe. Die Blicke kreuzen sich. Blicke sagen viel. Hier sagen sie: Fragen zwecklos.

Die alte Frau wendet sich ab, gemächlich geht sie den Garten entlang. Es scheint, als suche sie etwas. Nach einigen Metern bleibt sie stehen und pflückt eine große Blume, eine wilde Amaryllis. Sie dreht sich zu dem Fahrer um und winkt ihn zu sich. Unsicher geht er in ihre Richtung. Freundlich drückt sie ihm die Blume in die Hand. Sie zeigt auf seine Beifahrerin im Auto: Für sie? Ein Geschenk? Die Frau nickt, lächelt. Die Fremden wissen noch immer nicht den Weg, aber sie haben einen liebenswerten Ort gefunden.