Nach mehreren Zwischenfällen mit betenden muslimischen Studierenden in den Bibliotheken der Uni Stuttgart hat der Rektor die Hausordnung verschärft. Die Uni sei ein säkularer Lernort, gebetet werden könne anderswo, sagt er.

Stuttgart - Seit 26. Juli gilt an der Universität Stuttgart eine neue Hausordnung. Demnach sind „Veranstaltungen nicht universitären Charakters“ und „religiöse Veranstaltungen und Zusammenkünfte“ genehmigungspflichtig. Ganz konkret hat die Hochschule muslimischen Studierenden klargemacht, dass die Uni kein Ort zum Beten sei. Dafür habe es konkrete Anlässe gegeben. „Es kam in beiden Universitätsbibliotheken in den zurückliegenden Monaten zu Situationen, bei denen muslimische Gläubige zwischen Bücherregalen beteten“, berichtet der Sprecher Hans-Herwig Geyer. „Dabei wurde von muslimischen Kommilitonen versucht, Studierende und Beschäftigte am Eintreten in diese Bibliotheksräume zu hindern mit der Begründung, betende Gläubige nicht stören zu dürfen.“ Geyer stellt klar: „Die Universität ist ein säkularer Lernort. Möglichkeiten zum Beten bestehen in Räumen der Stille am ökumenischen Zentrum und in den campusnahen Kirchen und Moscheen.“

 

Dies hatte der Stuttgarter Unirektor Wolfram Ressel auch gegenüber den Mitarbeitern klar kommuniziert: „Mit dem Universitätsbetrieb lassen sich religiöse Veranstaltungen und Zusammenkünfte nicht vereinbaren, wenn die Nutzung von Gebäuden für Forschung und Lehre und die weiteren gesetzlich vorgesehenen Universitätszwecke beeinträchtigt werden.“ Die betreffe insbesondere die Nutzung von Räumlichkeiten in den beiden Standorten der Universitätsbibliothek, des Casinos IT, von PC-Arbeitsräumen, Hörsälen oder studentischen Lern- und Arbeitszonen. „Religiöse Zusammenkünfte, die die Nutzung der universitären Räume beeinträchtigen, werden unter Hinweis auf das Hausrecht untersagt“, erklärte Rektor Ressel.

Ein muslimischer Studierender kommentierte das Bet-Verbot so: Der Rektor, der bereits den hohen Ausländeranteil bei den Studierenden kritisiert habe, befürchte nun wohl „die Islamisierung des Abendlandes“. Die Muslimische Studentengemeinschaft Stuttgart und die Muslimische Studenten Union, zwei anerkannte Hochschulgruppen, waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, auch nicht der Vorsitzende des Studierendenparlaments.

Botschaft von Unirektor hat bei Muslimen zu Missverständnissen geführt

Die Botschaft des Rektors, dass Studierende doch zum Beten ins Ökumenische Zentrum auf dem Unicampus in Vaihingen gehen könnten, hat in der muslimischen Community offenbar zu Missverständnissen geführt, wie Pfarrer Stephan Mühlich berichtet, der das Zentrum als evangelischer Hochschulseelsorger gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen Thomas Richter-Alender leitet. So habe etwa die Muslimische Studenten Union nach dem Raum der Stille gefragt. „Wir haben ihnen klar gesagt, dass der Raum offen ist – aber dass da auch andere sind.“ Ein Student habe den künstlerisch schön gestalteten Raum gesehen und vorgeschlagen, man könne einen Vorhang einziehen, um Männer und Frauen zu trennen, berichtet Pfarrer Mühlich. Diesem habe man erklärt, dass man dies hierzulande nicht so handhabe.

Dass immer wieder einzelne muslimische Studierende zum Beten vorbeikämen, meist Frauen, sei vollkommen in Ordnung, sagt Mühlich. Allerdings berichtet er auch, dass er selbst sich einmal mit einem Buch in den Raum der Stille zurückgezogen habe, während zwei Muslimas gebetet hätten. Als eine dritte kam und ihn als Mann herausschicken wollte, habe er sie über die Situation aufgeklärt: „Wer den Raum benutzt, bestimmen wir – und wir lassen uns nicht okkupieren.“ Die Muslimas hätten offenbar gedacht, die Uni habe den Raum den muslimischen Studierenden zur Verfügung gestellt. Er sei dann aber sehr gut mit den Frauen ins Gespräch gekommen, daraus hätten sich Aktionen wie ein gemeinsames Fastenbrechen im Ramadan ergeben.

Pfarrer: Ökumenisches Zentrum kann nicht die Probleme der Uni lösen

Das Ökumenische Zentrum ist nicht Teil der Universität. Es wurde 1978 auf einem Erbpachtgrundstück von der evangelischen und der katholischen Gemeinde gemeinsam gebaut. In der Mitte des Gebäudes, zu dem auch ein Café und ein Sprachschule gehören, liegt jener Raum der Stille. Er werde zu wöchentlichen Gottesdiensten genutzt, von Yogagruppen, aber auch von Einzelnen zum stillen Gebet. „Unser Raum fasst maximal 20 bis 30 Leute“, sagt Pfarrer Mühlich – „da lösen wir nicht die Frage von 1000 oder 2000 Muslimen an der Uni.“ Der Ansturm sei aber bisher ausgeblieben. Mühlich stellt klar: „Wir sehen uns nicht als diejenigen, die die Probleme der Uni lösen können – dafür haben wir weder das Personal noch die Räume.“ Aber man sei bereit, bei dem Thema zu moderieren. Im vergangenen Jahr seien an vielen Orten in Deutschland Räume der Stille geschlossen worden, weil es zwischen Interessengruppen Streit über die Nutzung gegeben habe. In so einem Fall könne nur ein Beirat helfen. Das entscheidende Kriterium müsse aber die Gesprächsbereitschaft mit Andersdenkenden sein.

An der Uni Hohenheim sind Konflikte mit betenden Studierenden nicht bekannt, sagt Sprecher Florian Klebs. Auch die Asta-Vorsitzende Sarah Graf weiß von keinen solchen Problemen. Bereits vor knapp zwei Jahren wurde im Zuge einer Institutssanierung ein Raum der Stille eröffnet: 16 Quadratmeter groß, in einem ehemaligen Lagerraum im Untergeschoss, mit einem Gebetsteppich und dem Schild: „Dies ist ein Gebetsteppich. Deshalb bitten wir Sie, diesen Teppich nicht mit Schuhen zu betreten. Danke.“ Bereits 2011 hatte der Asta auf Initiative der türkischen Hochschulgemeinschaft in einem anderen Zimmer einen solchen „interreligiösen Gebetsraum“ eingerichtet, dieser wurde dann aber als Still- und Wickelraum benötigt. Eine Nutzungsordnung gibt es offenbar nicht.