Die Wirtschaft ruft nach mehr jungen Ingenieuren, doch es fehlt an Professoren, die sie ausbilden könnten. Bund und Länder prüfen ein Hilfsprogramm, doch das kommt – wenn überhaupt – reichlich spät, findet der Chef der baden-württembergischen Rektorenkonferenz.

Stuttgart - Das Bundesbildungsministerium hat Alarm geschlagen: Staatliche Fachhochschulen hätten in bestimmten Fächern und bestimmten Regionen große Probleme, Professoren zu gewinnen – besonders in Baden-Württemberg. Das geht aus einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung hervor. Am schwierigsten gestalte sich die Rekrutierung von Hochschullehrern in den Ingenieurwissenschaften.

 

Kampf um die besten Köpfe

Die Probleme bestätigt Bastian Kaiser, der Vorsitzende der Rektorenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Baden-Württemberg. Wenn die Wirtschaft brummt, tun sich die Hochschulen seit jeher schwer, Professoren zu gewinnen. „Die Wirtschaft brummt in Baden-Württemberg vielleicht noch ein bisschen mehr“, sagt Kaiser. „Der Kampf um die besten Köpfe ist voll entbrannt.“ Gerade bei den Ingenieuren ist die Nachfrage hoch, die Wirtschaft beklagt Fachkräftemangel, und die Hochschulen sind bemüht, möglichst viele Studienplätze anzubieten.

Keine Maschinenbauprofessur auf Anhieb besetzt

Wirklich konkurrenzfähig sind die Hochschulen nicht. Sie bezahlen W2-Gehälter, das bedeutet ein Grundgehalt von gut 6000 Euro. „Da brauchen Sie Idealismus“, sagt Kaiser, der die Hochschule Rottenburg leitet. Kein Wunder, dass „in den vergangenen drei Jahren keine einzige Maschinenbauprofessur im ersten Anlauf besetzt wurde“.

Ein Ausschreibungsverfahren dauert etwa neun Monate. Drei-, vier-, fünfmal müsse man manche Professuren in Verfahrenstechnik, Maschinenbau und Elektrotechnik ausschreiben, sagt der Rektor. In Bachelor-Generationen gerechnet, könne es also sein, dass eine bestimmte Professorenstelle während der gesamten Ausbildung eines Studenten vakant bleibe. Nicht selten behelfen sich die Hochschulen mit Lehrbeauftragten.

„Überzeugungstäter“ gesucht

Gegenmaßnahmen wären höhere Gehälter, doch Kaiser verspricht sich nicht allzu viel davon: „Wir brauchen Überzeugungstäter, die lockt man nicht mit Euro.“ Eher mit Forschungsmöglichkeiten und „dem hohen Freiheitsgrad eines Professors“. Der ist an Fachhochschulen aber längst nicht so hoch wie an Universitäten.

18 Stunden wöchentlich müssen die FH-Professoren lehren, an den Universitäten sind es in der Regel neun. Kaiser verlangt vom Land, dass es die Lehrverpflichtung senkt und den Hochschulen für angewandte Wissenschaft mehr Unterstützung für die Forschung gewährt. Hilfreich wäre dabei „weniger Bürokratie in der Umsetzung von Forschungsprojekten“.

Wechsel zwischen Wirtschaft und Hochschule erleichtern

Das Bundesbildungsministerium prüft ein Bund-Länder-Programm für die Fachhochschulen, das die baden-württembergische Rektorenkonferenz begrüßen würde. Man müsse die Querdurchlässigkeit erhöhen und „jungen Kollegen den Wechsel aus der Wirtschaft und zurück erleichtern“.

Hier könnte laut Kaiser eine staatliche Kofinanzierung nützlich sein. Auch müsse man die Voraussetzungen für eine Professur überdenken. Bislang kommt nur an einen Lehrstuhl, wer drei Jahre Berufserfahrung in der Wirtschaft vorweisen kann. Wer noch nicht alle Berufungsvoraussetzungen erfülle, sollte sich parallel zur Lehrtätigkeit an der Hochschule in der Wirtschaft weiterqualifizieren können, sagt Kaiser.

Hoffnung auf Tandem-Programme

Die Hochschulrektorenkonferenz der deutschen Fachhochschulen hat nach Empfehlungen des Wissenschaftsrats „Grundsätze für ein nachhaltiges Bund-Länder-Programm zur Gewinnung von Professoren“ aufgestellt. Eine bundesweite Informationskampagne soll auf die Karrierewege hinweisen.

Empfohlen werden auch Tandem-Programme, die Beschäftigte schon während ihrer Berufstätigkeit im Unternehmen eng an die Hochschulen anbinden. Der Wissenschaftsrat denkt mittelfristig an 15 bis 20 Programme mit je 15 bis 20 Teilnehmern. Die Lehrverpflichtung sollte in Schwerpunktprofessuren, die das Profil einer Hochschule prägen, elf Stunden betragen.

Bastian Kaiser sieht die Initiative erwartungsvoll und zugleich kritisch: „Das hätten wir vor acht oder neun Jahren gebraucht“, sagt er. „Jetzt ist die Ausbauphase der Fachhochschulen eigentlich durch.“