Der Interimsgeschäftsführer Marc Nickel soll die Rems-Murr-Kliniken auf Kurs und vor allem aus den roten Zahlen heraus bringen. Dafür hat er zunächst drei Jahre Zeit.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Die Leistung und die Attraktivität steigern, Prozesse und Organisationsstrukturen optimieren und vor allem Kosten sparen – mit diesem Rezept will der neue Interimsgeschäftsführer Marc Nickel die in finanzielle Schieflage geratenen Rems-Murr-Kliniken wieder auf Kurs bringen. Auch Personalkürzungen sind bei der Operation am Patient Krankenhaus offenbar kein Tabu mehr. Von sofort an sollen keine frei werdenden Stellen mehr besetzt werden, um die „üppige“ Personalkostenquote von 80 Prozent zu reduzieren. Das hat der Medizinmanager, der am Dienstag von Landrat Johannes Fuchs und den Sprechern der Kreistagsparteien im Aufsichtsrat der Kliniken vorgestellt wurde, auf Nachfrage unter anderem durchblicken lassen.

 

Nur jeder zweite Patient geht in die Rems-Murr-Klinik

Davon will Nickel, der für Economedic, eine Schwesterfirma jenes Beratungsunternehmen mit Sitz in Bayreuth und München tätig ist, das seit Ende des vergangenen Jahres vom Landkreis mit der Begutachtung der Abläufe und Strukturen in dem neuen Krankenhaus in Winnenden beauftragt ist, freilich weniger gern reden. Viel lieber schwärmt er davon, wie richtungsweisend und mutig die Entscheidung des Landkreises gewesen sei, zwei seiner Krankenhäuser der Grundversorgung in einem Großklinikum zu fusionieren. Die Basis sei gut, man habe dank des in Winnenden neu geschaffenen modernen Krankenhauses medizinische Koryphäen verpflichten können, für die man in Fachkreisen beneidet werde. Jetzt gelte es, „von innen heraus und mit den Mitarbeitern“ die „gute Basis zu festigen“, leistungsfähige Strukturen aufzubauen und Patienten sowie niedergelassene Ärzte von der Qualität des neuen Hospitals zu überzeugen. Denn trotz einer zum jetzigen Zeitpunkt durchaus beachtlichen Bettenauslastung von 80 Prozent entscheide sich nur die Hälfte der Rems-Murr-Bürger im Krankheitsfall für eines der kreiseigenen Krankenhäuser.

Gesamtdefizit im vergangenen Jahr: 30 Millionen Euro

Allein mit einer Steigerung der Einnahmeseite ist es freilich nicht getan. Entgegen der Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die bei der Neubauentscheidung zugrunde gelegt wurden, steuern die Kliniken derzeit keineswegs auf die angepeilte „schwarze Null“ oder gar auf einen für kommende Jahre vorausgesagten Gewinn zu. 19 Millionen Euro hat der Kreis im vergangenen Jahr allein in den laufenden Betrieb zuschießen müssen. Das wahre Defizit liegt sogar noch höher. Rechnet man die Abschreibungen und Zinsen für die Finanzierung des neuen Krankenhauses hinzu, steht unter dem Strich für 2014 ein Negativbetrag von rund 30 Millionen Euro.

Ein Gutteil des finanziellen Desasters sei den unvorhersehbaren Wasserrohrbrüchen auf der Klinikbaustelle geschuldet, Nickel räumt aber auch ein, dass die Wirtschaftlichkeitsprognose seinerzeit nicht ausreichend unterfüttert gewesen sei. Er selbst wolle deshalb einen mit seinen Führungskräften abgestimmten Fünf-Jahres-Plan aufstellen, für den er notfalls auch die Hand ins Feuer legen könne. Ende des kommenden Monats will er zudem ein neues medizinisches Konzept vorlegen, das bis zum Herbst umgesetzt werden soll.

Für drei Jahre hat der Landkreis den Nachfolger von Jürgen Winter, der die Kliniken nach sieben Jahren – laut einer gemeinsamen Sprachregelung auf eigenen Wunsch – verlässt, zunächst verpflichtet. Mindestens diese Zeit werde er auch benötigen, um „das Ruder herumzureißen“, sagt Marc Nickel und macht keinen Hehl daraus, dass er mit der Klinikkonsolidierung eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe übernommen habe.

Querelen um die Klinikleitung

Externes Management
Wirbel um die Krankenhausleitung ist im Rems-Murr-Kreis nichts Neues. Angesichts mehrfacher, teils kurzfristiger Wechsel in der Führungsetage und massiv anwachsender Defizite in den drei Kreiskrankenhäusern in Schorndorf, Waiblingen und Backnang, hatte der Kreistag im Jahr 2000 beschlossen, das Klinikmanagement in externe Hände zu legen. Zum Partner wurde von 2001 an die Stuttgarter Robert-Bosch-Klinik unter der Federführung des dortigen Geschäftsführers Ulrich Hipp und mit Eva Seeger als Krankenhausdirektorin für die Rems-Murr-Häuser.

Unerwartetes Zerwürfnis
Im Jahr 2006, als bereits die Diskussionen um den Klinikneubau in Winnenden in vollem Gang waren, ist der Managementvertrag mit der Robert-Bosch-Klinik nach einigem Hin und Her und trotz recht heftiger Widerstände quer durch die Fraktionen vom Kreistag verlängert worden. Der Trumpf dabei war vor allem das hohe Ansehen, das die Arbeit der Klinikdirektorin genoss – trotz der zu jenem Zeitpunkt immer weiter anwachsenden Defizite. Allerdings stellte sich im Nachhinein heraus, dass Eva Seeger bereits zum Zeitpunkt der Vertragsverlängerung ihrem Arbeitgeber, der Robert-Bosch-Klinik, mitgeteilt hatte, zum Jahresende 2007 ausscheiden zu wollen, um mehr Zeit für ihren Mann zu haben. Die Kreisräte fühlten sich von Manager Hipp hinters Licht geführt, und im September 2007 wurde der Kooperationsvertrag aufgelöst.

Neue Eigenständigkeit
Nach einer Interimszeit mit Eva Seeger als eigenständiger Krankenhausdirektorin übernahm der damals 50-jährige Jürgen Winter im April 2008 die Leitung der Rems-Murr-Kliniken. Als Grund für seinen Wechsel in den Rems-Murr-Kreis hatte der ehemalige Chef des Essener Luther-Krankenhauses angegeben, es reize ihn, „an der Errichtung eines neuen Krankenhauses mitwirken zu dürfen“. Für den Posten des Krankenhausdirektors, mit dessen Suche eine Personalagentur beauftragt wurde, hatten sich rund 40 Manager interessiert.