Sprunghaft ist die Zahl der Motorradtoten angestiegen. Häufig ist überhöhte Geschwindigkeit die Unfallursache. Mit verstärkten Kontrollen geht die Polizei dagegen vor, auch im Rems-Murr-Kreis.

Großerlach - Wrummm – mit dröhnendem Motor beschleunigt ein Motorradfahrer aus der letzten Kurve vom Tal der Rot hinauf nach Mainhardt. Polizeihauptmeister Stefan Wehmeier hat ihn schon im Visier seines Lasergeräts. 102 Kilometer pro Stunde hat der Biker laut dem Messgerät auf dem Tacho – erlaubt sind 70. Die kurvenreiche Strecke durch den Wald ist ebenso wie die davor zwischen Sulzbach und Großerlach verlaufende Sulzbacher Steige bei Bikern sehr beliebt – und sie verleitet zum Rasen.

 

Dass dies auf der engen Serpentinenstraße allerdings nicht ungefährlich ist, davon zeugen die Holzkreuze, von denen zahlreiche rechts und links der Fahrbahn stehen. „Diese Strecke ist einer der Unfallschwerpunkte schlechthin“, sagt Holger Bienert, der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen. Im Jahr 2009 seien neun Motorradfahrer in besagter Kurve bei Unfällen ums Leben gekommen, ergänzt Gerhard Metzger, der Leiter des Verkehrskommissariats Backnang. Seither fänden hier regelmäßig Geschwindigkeitskontrollen statt.

Er hat die acht Messstellen im Zuständigkeitsgebiet der Polizeipräsidium Aalen, zu dem neben dem Rems-Murr-Kreis auch die Kreise Schwäbisch Hall und Ostalb gehören, für die landesweite Schwerpunktkontrollaktion eingeteilt. Die Polizei hat dabei vor allem Motorradfahrer im Blick und deshalb – klarer Fall – auch die Raserstrecke Nummer eins vom Rems-Murr- in den Schwäbisch Haller Kreis aufgenommen. Zusätzlich sind die Beamten noch mit einem so genannten Videokrad unterwegs, einem Zivilmotorrad, von dem aus Raser gefilmt und dann von Streifenkollegen aus dem Verkehr gezogen werden.

87 Prozent mehr tödlich verunglückte Motorradfahrer

Die landesweiten Sonderkontrollen, die dieses Jahr erstmals über den Sommer in dieser Art stattfinden, haben einen ernsten Hintergrund: Allein im ersten Halbjahr sind 51 Biker tödlich verunglückt. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg von 87 Prozent. Bis Anfang August, den jüngsten Angaben der Polizei, sind weitere 22 Motorradfahrer ums Leben gekommen – und die Saison ist längst noch nicht vorbei. Voriges Jahr waren es 85 Motorradtote.

„Im Rems-Murr-Kreis selbst bildet sich diese eklatante Steigerungsrate jedoch nicht ab“, berichtet der Polizeisprecher Holger Bienert. „Bisher gab es hier zwei tödliche Motorradunfälle, vergangenes Jahr waren es drei. Das hält sich noch die Waage.“ Auf den gesamten Bezirk des Polizeipräsidiums Aalen gesehen, müsse man aber ebenfalls damit rechnen, dass die Zahlen des Vorjahres übertroffen werden. Bisher starben elf Biker durch Unfälle, vergangenes Jahr 15.

Warme Witterung lockt Biker schon früh auf die Straßen

Woran liegt es, dass Motorradfahrer häufiger in tödliche Unfälle verwickelt sind? Sind sie leichtsinniger geworden oder liegt es an den Autofahrern? Über die Schuldfrage, gebe die Statistik keine Auskunft, sagt Metzger. Jedoch habe man drei Ursachen als Erklärungen herausgefunden. „Erstens gibt es einen unwahrscheinlichen Zuwachs an Zweiradfahrern, zweitens hat wegen der warmen Witterung die Motorradsaison schon früher als sonst im Februar/März begonnen hat und drittens sind die Autofahrer mit dem erhöhten Aufkommen überfordert“, zählt er auf.

Auf der Serpentinenstrecke zwischen Großerlach und Mainhardt indes ist das Biker-Aufkommen am Sonntag nicht so groß wie erwartet, obwohl die Bedingungen mit trockenen Straßen und Sonnenschein gut sind. In der ersten Stunde gehen Wehmeier und seinen Kollegen lediglich drei Motorradfahrer ins Netz, wobei Nummer drei gleich nach der Kontrolle umdreht und gen Großerlach zurückfährt. „Der geht jetzt die anderen warnen“, stellt Wehmeier trocken fest. Das war’s. Die Zahl der passierenden Biker nimmt weiter ab – und die wenigen, die vorbei kommen fahren äußerst gesittet. Polizeihauptmeister Alfred Klesch und seine Kollegin warten hundert Meter von der Messstelle entfernt vergeblich darauf, dass ihnen per Funk ein weitere Verkehrssünder durchgegeben wird, den sie rauswinken sollen. „Da bleibt nur eine Ortsveränderung“, folgert Klesch. Der Schachzug führt zum Erfolg: Einige hundert Meter weiter vorne auf der Strecke erwischt das Team nochmals acht Raser.

Insgesamt können die Beamten an den acht Kontrollstellen im Bezirk des Polizeipräsidiums Aalen nach der dreieinhalbstündigen Aktion 28 Verstöße registrieren. Davon überschritten 18 die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit um 20 Kilometer pro Stunde, neun fuhren bis zu 40 Sachen schneller als erlaubt. „Und einer war sogar mit 164 Kilometern pro Stunde statt 100 unterwegs“, berichtet Bienert. Ihm drohe nun ein Fahrverbot, für alle anderen gibt es Punkte und Bußgelder.