Bei einer Einbürgerung im Rems-Murr-Kreis ist ein möglicherweise gekauftes Zertifikat einer Sprachschule aus Nordrhein-Westfalen vorgelegt worden.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Rems-Murr-Kreis - Im Zusammenhang mit mutmaßlichen Betrügereien durch gefälschte Deutschzertifikate einer Sprachschule in Nordrhein-Westfalen wird jetzt auch ein Einbürgerungsverfahren im Rems-Murr-Kreis geprüft. Das hat das Waiblinger Landratsamt bestätigt, die Behörde spricht indes von einem absoluten Einzellfall unter den insgesamt 583 Einbürgerungen des vergangenen Jahres.

 

Die Dortmunder Staatsanwaltschaft ermittelt seit Anfang des Jahres gegen die Betreiber einer Sprachschule mit Niederlassungen in Lünen, Hagen und Wuppertal, die im Verdacht stehen, Deutschtests gegen Bezahlung manipuliert zu haben. Der Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse gehört zu den Grundvoraussetzungen einer Einbürgerung. Die Ermittlungsbehörden waren insbesondere deshalb aufmerksam geworden, weil die Zertifikate jener Sprachschule nicht nur regional, sondern offenbar im gesamten Bundesgebiet aufgetaucht waren. Mehr als 800 Fälle würden untersucht, bestätigte die Dortmunder Oberstaatsanwältin Ina Holznagel auf Anfrage unserer Zeitung.

Auch nach Baden-Württemberg ließen sich einige Fälle weiterverfolgen, wenngleich dort nicht der Schwerpunkt liege. Während die Dortmunder Behörde die Anklage gegen die Sprachschule vorbereitet, sollen die Ermittlungsverfahren gegen die mutmaßlichen Käufer demnächst an die zuständigen Staatsanwaltschaften übergeben werden. Dass dies noch nicht geschehen sei, habe vor allem mit der schwierigen rechtlichen Ahndung zu tun: Das Beschaffen eines solchen Zertifikats nämlich könne nur belangt werden, wenn es zum Zwecke der Einbürgerung tatsächlich eingereicht werde, sagt die Dortmunder Oberstaatsanwältin. „Wer es sich ins Wohnzimmer hängt und damit nur vor seinen Freunden angibt, macht sich nicht strafbar.“ Das Düsseldorfer Landeskriminalamt habe deshalb erst alle beschlagnahmten Datensätze aufwendig nachverfolgen müssen, bevor die Fälle zur weiteren Verfolgung weitergeleitet werden könnten.

In der Region Stuttgart sind bisher offenbar sechs Bewerbungen um einen deutschen Pass vorerst gestoppt worden, darunter die eines Irakers, der sein Einbürgerungsverfahren in Stuttgart begonnen hatte und dann in den Rems-Murr-Kreis umgezogen war. Es sei der einzige Fall, bei dem im vergangenen Jahr ein Zertifikat der verdächtigten Sprachschule vorgelegt worden sei, betont man seitens des Waiblinger Landratsamts, und unter den derzeit rund 1000 aktuellen Einbürgerungsverfahren gebe es keinerlei weitere Bezüge.

Wie allgemein üblich, habe man sich allerdings auch in dem konkreten Fall nicht allein auf die vorgelegte Bescheinigung verlassen. In jedem Verfahren führe der Sachbearbeiter mit dem Antragsteller ein sogenanntes „Bekenntnisgespräch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung“ durch, betont die Leiterin der hiesigen Staatsangehörigkeitsbehörde, Carina Kuhn. Auf diese Weise könnten sich die Mitarbeiter üblicherweise ein Bild davon machen, ob die per Zertifikat bescheinigten Sprachkenntnisse auch tatsächlich vorhanden seien.

Kuhn: „Aufgrund der mündlichen Ausdrucksfähigkeit waren in dem Fall des irakischen Einbürgerungsbewerbers keine grundlegenden Zweifel aufgekommen.“ Aufgrund der neuen Erkenntnisse müsse dies nun aber noch einmal überprüft werden. Der Mann werde zu einer Anhörung bestellt.

Sollte er vorsätzlich betrogen haben, droht nicht nur die Aberkennung des zweiten Passes: Wer die deutschen Behörden bei der Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis arglistig täuscht, kann mit Gefängnis von bis zu drei Jahren bestraft werden. Im Fall einer Einbürgerung reicht das mögliche Strafmaß sogar bis zu fünf Jahre.