Vom sonnigen Italien ins Schwabenland: Im Rahmen des Bundesprojekts „The Job of my Life“ haben junge Leute sich für ihre Ausbildung nach Deutschland gewagt. Die Auslese unter den Azubis ist streng – dafür genießen sie Privilegien.

Rems-Murr-Kreis - Wenn die Schere klappert, müssen Alessandro Tempesta und Jessica Chiellini noch zuschauen. Für das Waschen und die Kopfmassage reicht es aber allemal: „Das war vom Feinsten“, seufzt eine Kundin zufrieden, nachdem der 27-jährige Tempesta sie durchgeknetet hat.

 

Die beiden Italiener, die in dieser Woche ihre Ausbildung zum Friseur an der Weinstädter Scholz-Akademie begonnen haben, sind keine normalen Auszubildenden: Über das Programm „The Job of My Life“ (siehe Infokasten) sind sie in den Rems-Murr-Kreis gekommen – Tempesta aus Apulien, Chiellini aus der Toskana. Beide Regionen sind bei Deutschen als Urlaubsziel beliebt, doch für junge Menschen sind die Zukunftschancen dort überschaubar: Im Juni waren fast 700 000 Italiener zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos.

An einen der Ausbildungsplätze in Deutschland zu kommen, ist nicht leicht. „In den Herkunftsländern der Azubis, neben Italien auch in Griechenland, Kroatien und Spanien, fanden Anfang des Jahres Assessment-Center statt“, erklärt der Akademieleiter Matthias Klopp. Dort mussten die Aspiranten Mathekenntnisse und Allgemeinbildung beweisen, aber auch an einem Übungskopf Hand anlegen. „Vorkenntnisse braucht man nicht unbedingt. Aber daran erkennt man, ob jemand Fingerspitzengefühl hat“, so Klopp.

Außerdem mussten die Azubi-Bewerber einen Charaktertest bestehen. „Als Friseur muss man gut mit Menschen arbeiten können“, meint der Geschäftsführer der Friseurkette, Oliver Scholz. Er betont, der berufliche Nachwuchs sei ihm wichtig: „Wir gehen mit den italienischen Azubis in den Biergarten, es gab auch eine Willkommensveranstaltung. Sie sollen sich hier gut aufgenommen fühlen“, sagt er. Die kaufmännische Akademieleiterin Anette Schwarz bewundert das Engagement der ausländischen Bewerber: „Von der Motivation her würden wir uns in Deutschland mehr solche Bewerber wünschen“, sagt sie. „Aber hier im Land herrscht Azubi-Notstand“, meint ihr Kollege Matthias Klopp.

Die Friseurkette muss den Lehrlingen einiges bieten, damit diese die drei Jahre fernab der Heimat auf sich nehmen. Gegenüber normalen Azubis genießen sie einige Privilegien: Das sechswöchige Praktikum vor der Ausbildung ist vergütet, neben dem Azubigehalt gibt es einen Zuschuss, unter anderem für die Wohnung. „Die Azubis aus Italien haben im Gegensatz zu anderen Lehrlingen keine Familie hier, bei der sie leben können“, erklärt Klopp. Die Wohnungssuche – in der Region Stuttgart kein leichtes Unterfangen – haben Jessica Chiellini und Alessandro Tempesta inzwischen hinter sich. Beide sind in Wohngemeinschaften untergekommen, von denen aus sie den Salon in Kernen-Rommelshausen, in dem sie die meiste Zeit verbringen, schnell erreichen können. „Nach der Ausbildung will ich in Deutschland bleiben. Es war schon immer mein Lieblingsland“, sagt Tempesta. Und dank der Sprachkurse – unter anderem für den üblichen Friseurjargon – wird die Sprachbarriere bald überwunden sein. Falls ein Kunde Sonderwünsche hat, kann in jedem Salon der Friseurkette ein Mitarbeiter übersetzen.

The Job of my Life

Programm
„The Job of my Life“, auch als Mobi-Pro-EU bekannt, ist 2013 von der Bundesregierung gestartet worden. Für die Lehrlinge gibt es Zuschüsse, unter anderem zu Reisekosten und Deutschkursen. Von 2013 bis 2018 stehen dafür 560 Millionen Euro zur Verfügung.

Fakten: In den Jahren 2013 und 2014 haben in Baden-Württemberg 278 Lehrlinge am Programm teilgenommen. Sie gehen vor allem in Hotels und die Gastronomie, in die Altenpflege oder in technische Berufe. Für 2015 liegen noch keine Zahlen vor.

Negativschlagzeilen Das Programm geriet in den vergangenen beiden Jahren in die Schlagzeilen: Das Fördergeld reichte nicht, die zuständige Vermittlung war überlastet, Mobi-Pro lag zeitweise auf Eis. Jetzt stellen nicht mehr die Bewerber, sondern die Träger wie die IHK die Anträge auf Förderung, was eine solche Bewerberflut in Zukunft verhindern soll.