Normen Polensky und Anja Weidner können vom Balkon aus die Bahnstrecke sehen. Sie haben Sorge, dass der Dieselruß der geplanten Hermann-Hessebahn nach Calw ihre Lebensqualität mindert – und wollen die Bürger in Malmsheim mobilisieren.

Renningen - Idyllisch liegt der Spielplatz mitten am Malmsheimer Ortsrand. Es ist ein strahlend sonniger Nachmittag, viele Kinder spielen. Anja Weidner schaut von ihrem großen Balkon auf die Szenerie, ihre beiden Kinder sind 10 und 14 und haben den Spielplatz lange Zeit selbst genutzt. Plötzlich fährt eine S-Bahn an den nahen Schienen vorbei. „Das kennen wir, die stört uns nicht“, sagt Weidner. Doch die Vorstellung, dass im Halbstundentakt eine Diesellok der Hermann-Hesse-Bahn vorbei rattert, treibt sie auf die Barrikaden.

 

Anja Weidner wohnt hier seit 2009, ihr Vater Norman Polensky hat das Haus für sie gebaut. Das Wohngebiet Schnallenäcker ist nur wenige Jahre alt, viele junge Familien sind eingezogen. Die Siedlung soll bald nach Osten gewaltig erweitert werden, mit irgendwann 5000 neuen Renningern, in Sichtweite des Bosch-Forschungszentrums. „Den meisten ist nicht bewusst, dass die Bahnlinie hier mittendurch geht“, sagt auch Norman Polensky.

Der 71-Jährige war lange Zeit Hauptabteilungsleiter beim Bosch-Konkurrenten Festo in Esslingen, zuletzt Geschäftsführer einer Festo-Tochtergesellschaft, und lebt seit 40 Jahren im Renninger Hummelbaum-Gebiet. Polensky ist ein umtriebiger Mann und will mit seiner Tochter die Bürger mobilisieren.

Dieselwolken beim Grillen auf dem Balkon?

„Der Dieselruß setzt sich auf den Fenstern ab“, sagt Anja Weidner. Wenn dann mit der S 6 und der Hesse-Bahn alle fünf Minuten ein Zug vorbeifahre, sei es vorbei mit der Ruhe. „Wir sitzen gerne hier auf dem Balkon und grillen“, erzählt die zweifache Mutter. Mit der S-Bahn habe man sich arrangiert, das habe man ja gewusst. „Aber ein Dieselbetrieb direkt vor unserem Balkon, damit haben wir nicht gerechnet.“

Noman Polensky geht in seiner Kritik noch einen Schritt weiter. „Es geht auch um einen drastischen Wertverlust der Gebäude“, sagt er. Der Renninger will es nicht beim Meckern belassen, sondern hat schon an den Verkehrsminister Winfried Hermann und an diverse Kommunalpolitiker geschrieben. „Dass die Bahn bis Renningen fahren soll, ist ein fieser Trick der Calwer“, sagt er. Gezielt habe der Calwer Landrat die Zahlen so berechnet, dass eine Zugstrecke nur bis Weil der Stadt nicht wirtschaftlich sei. „Der Nutzen steht in keinem Verhältnis zum Schaden“, schimpft der 71-Jährige.

Schließlich müssten die Calwer in Weil der Stadt nur drei bis höchstens fünf Minuten warten und könnten dann nahtlos in die S-Bahn der Linie S 6 einsteigen. Die Malmsheimer hingegen hätten nur Nachteile, wie auch Anja Weidner ergänzt: „Die Hesse-Bahn fährt bei uns vorbei, aber sie hält nicht mal in Malmsheim.“

Calw wiegelt ab: Die Belastung ist niedrig

Was sagt das Calwer Landratsamt dazu? „Manche denken an die alten Dieseltriebwagen der Bahn“, meint der Sprecher Thiemo Stock, „wir fahren natürlich mit viel moderneren Loks.“ Die Belastung sei weit geringer, als wenn man an einer Bundesstraße wohne. „Wir haben die auch auf der Nagoldbahn im Einsatz, wo viele Anlieger direkt an den Schienen wohnen, da gab es nie Probleme“, erklärt Stock. Dennoch, mann nehme die Bedenken natürlich Ernst und wolle mit den Anwohnern sprechen.

Doch diese beruhigt das nicht. Im Gegenteil, ihnen bereitet vor allem eine Aussage des Verkehrsministers Winfried Hermann Sorge. „Er hat in der Zeitung erklärt, dass die Hesse-Bahn für ihn oberste Priorität habe“, sagt der 71-Jährige. Wenn der grüne Minister sich so weit aus dem Fenster lehne, könne er im Zweifel doch noch einen Geldtopf auftreiben für die Bahn.

Daher wollen Polensky und Weidner nicht nur Briefe schreiben. „Wir wollen Flyer drucken und im Wohngebiet Schnallenäcker verteilen“, sagt Anja Weidner. Vielen Bürgern sei die Problematik noch nicht bewusst. Auch auf der nächsten Eigentümerversammlung will sie darüber reden, und so Mitstreiter finden. Ob daraus eine richtige Bürgerinitiative wird, ist derzeit noch offen. Doch man will den Stimmen aus Calw und dem Verein Schwarzwaldbahn etwas entgegensetzen. Eines stellt Polensky klar: „Wir sind nicht gegen die Hesse-Bahn. Aber auch die historische Schwarzwald-Bahn ist immer nur bis nach Weil der Stadt gefahren.“ Der Nachmittag wird später, die Schatten länger, jetzt ist der Spielplatz rappelvoll. Und eine S 6 rauscht rasant sirrend vorbei.