Spätgotische Spitzbögen und mittelalterliche Skulpturen: Die Germanuskirche birgt Überraschungen.

Renningen - Die rosaroten Blüten der Blutpflaume im Vorgarten der Germanuskirche verströmen einen süßen, frühlingshaften Duft. Am Fuß des mächtigen Kirchturms hat sich ein Dutzend Interessierter eingefunden. Mathias Graner wird den Besuchern ein besonderes Kirchen-Juwel näherbringen. Der Archivar der Stadt Renningen zeigt den Gästen dieser Volkshochschul-Exkursion die Schätze im Malmsheimer Gotteshaus.

 

„Ich wohne schon 30 Jahre in Malmsheim und war oft in der Kirche“, sagt eine Teilnehmerin, „aber erklären lassen habe ich mir sie noch nie.“ Wie ihr geht es anderen auch, etwa dem Ehepaar Berroth, das 1970 in der evangelischen Kirche geheiratet hat. Heiderose Berroth, Renninger Gemeinderätin und frühere Landtagsabgeordnete, und ihr Mann Horst sind gekommen, um die Kostbarkeiten der Kirche aus Historiker-Sicht zu erleben. Ihr Urgroßvater, so Heiderose Berroth, habe als Schreiner an den Bänken mitgearbeitet, auf denen heute noch die Kirchgänger sitzen. Mit von der Partie ist auch der Leiter der Volkshochschule Leonberg, Uwe Painke, sowie die Vertreterin der Renninger Außenstelle, Karin Volkmar.

Wo liegen die Ursprünge?

Wie andere Kirchen in der Umgebung, etwa in Merklingen oder Weissach, war auch das Malmsheimer Gotteshaus als eine mit Mauern befestigte Kirchenburg ein Zufluchtsort für die Bevölkerung. Der Turm stammt aus der Stauferzeit, gebaut um 1250. Im Jahr 1275 gab es – urkundlich belegt – eine Kirche mit einem Pfarrer, so Archivar Graner. Doch die Ursprünge liegen wohl noch weiter zurück. Denn der Namensgeber, der heilige Germanus, ist ein Kirchenheiliger aus dem fränkischen Raum. Das und die Endung -heim im Ortsnamen lasse auf eine fränkische Gründung schließen.

Während die Kirche in der Malmsheimer Ortsmitte schon von außen beeindruckt – mit der achteckigen Turmspitze aus dem 18. Jahrhundert – beherbergt sie die eigentlichen Preziosen im Inneren. Auf dem Weg vom Turm ins Kirchenschiff geht die Gruppe am Lapis Loquetur, Lateinisch für „sprechender Stein“ vorbei. Das ist eine Sandsteinplatte auf der Südseite des Gebäudes, hinter der bei der Renovierung 1912 Urkunden und auch Zeitungen eingelegt wurden, zur Erinnerung für kommende Generationen.

Mächtiges Kruzifix

Im Inneren der einschiffigen, spätgotischen Kirche fällt zunächst das mächtige Kruzifix auf. „Dies ist wohl das älteste Skulpturenkunstwerk in der Stadt Renningen“, sagt Mathias Graner. Die aus Lindenholz geschnitzte Darstellung des leidenden Christus entstand um 1500 in einer Bildschnitzerwerkstatt in Weil der Stadt. Im Chorgewölbe lenkt der Archivar den Blick dann nach oben. „Hier ist schon etwas Ehrfurcht geboten“, sagt er angesichts der gotischen Malerein. Die Betrachter erkennen zwischen den gotischen Spitzbögen Gemälde, die wohl zur Zeit des Ortsadeligen Wolfram Meiser vom Berg, der einer weitverzweigten Sippe entstammte, im 15. Jahrhundert entstanden. Er war ein hoch angesehener Theologe und Abt des Klosters Hirsau. Die Malereien sollten als „Armenbibel“ der Bevölkerung, die ja meist nicht lesen konnte, die Glaubensinhalte näher bringen. Zu sehen ist etwa eine von den Aposteln angetriebene Hostienmühle, die allerdings einem Fenster zum Opfer gefallen ist. Vier Kirchenväter und eine christliche Ecclesia, die die jüdische Synagoge überwindet, erzählen von der Bedeutung des christlichen Glaubens.

War das Kirchenschiff bemalt?

Das Kirchenschiff wurde 1607 nach Süden erweitert. „Man kann davon ausgehen, dass das in der Renaissance-Zeit komplett bemalt war“, erklärt Graner. Heute zeugen nur noch Reste davon. An der rechten Stirnwand ist Moses mit Hörnern zu sehen. „Diese Darstellung rührt von einem Schreibfehler her in einer Zeit, als Bibeln in Klöstern von Hand immer wieder kopiert wurden“, weiß VHS-Leiter Painke. Damals muss wohl ein Mönch dem Moses statt coronata, Lateinisch für „strahlend“, ein cornuta, also „gehörnt“, verpasst haben. Und prompt sei Moses lange Zeit mit Hörnern dargestellt worden.

Nun führt Mathias Graner die Besucher hinauf auf den riesigen Dachboden. Dort sei früher ganz selbstverständlich Getreide gelagert oder Wäsche aufgehängt worden, erklärt er. Im Turm bestaunen die Gäste die eineinhalb Meter dicken Mauern. Nach oben Richtung Glocken geht es aber an diesem Tag nicht. Das wäre für so viele Leute etwas eng und – noch viel wichtiger – dort brütet gerade ein Turmfalkenpaar. Wieder unten am blühenden Baum vor der Germanuskirche angekommen, zeigen sich wie zum Beweis die beiden Vögel dann auch ganz oben am Turm.