Immer mehr Autobesitzer verbinden den Urlaub im EU-Ausland mit einem Werkstattbesuch

Split - Mal eben den Kratzer ausbessern? Der Lackierer schaut skeptisch. „So einfach ist das nicht“, sagt der Kroate in perfektem Deutsch. Er betrachtet den Schaden, der sich vom vorderen Kotflügel bis nach hinten durchzieht. „Da müssen wir die ganze Seite neu machen“, sagt er und kritzelt die Kosten auf einen Notizblock: Metallic-Lack, drei Tage Arbeit, Steuern. „Macht 4100 Kuna oder 547 Euro.“

 

Für die Opel-Niederlassung in Split sind solche Gespräche nichts Besonderes. Im Sommer schauen fast täglich ausländische Kunden vorbei, die ihren Urlaub mit einem Werkstattbesuch verbinden. In Südeuropa sind Reparaturen oft deutlich günstiger als in Deutschland. Verständlich also, dass sich in manchen Ferienregionen ein regelrechter Reparatur-Tourismus entwickelt. „Spontan nehmen wir gar keine Aufträge mehr an“, erzählt der Mechaniker. Gerade erst habe sich ein Schweizer per E-Mail gemeldet, um einen Termin auszumachen.

Die Vorteile bei solchen Auslandsreparaturen sind offensichtlich: weniger Geld, gleiches Ergebnis. Oder nicht? „Zunächst einmal ist es natürlich positiv, die Vorteile des europäischen Binnenmarkts zu nutzen“, sagt Patrick Oppelt, Jurist beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) in Kehl. Das EVZ berät Verbraucher, die mit grenzüberschreitenden Problemen zu kämpfen haben. Beschwerden zum Reparatur-Tourismus gebe es bislang kaum, sagt Oppelt. Aber: „Gepfuscht werden kann immer, genau wie in einer Werkstatt zu Hause. Der große Unterschied ist die Distanz.“

Wenn der neu installierte Motor in Deutschland den Dienst quittiert, besteht zwar ein Gewährleistungsanspruch. Doch wie lässt dieser sich durchsetzen, wenn die Werkstatt Hunderte Kilometer entfernt liegt? Versteht der Monteur, mit dem man sich per Handschlag geeinigt hat, überhaupt eine auf E-Mail auf Englisch? Gutachter, Übersetzer, Anwälte: Wer im Ausland sein Recht durchsetzen will, braucht einen langen Atem. Der ursprüngliche Spareffekt kann sich schnell ins Gegenteil verkehren.

Der ADAC gibt sich daher zurückhaltend, was Reparaturen im Ausland angeht. „Man sollte höchst vorsichtig sein“, rät Clubjurist Klaus Heimgärtner. „Sonst wird ein solcher Ausflug schnell zum Vabanquespiel.“ Zum einen sei das Werkvertragsrecht in Europa noch nicht vereinheitlicht, was zu unterschiedlichen Gewährleistungsansprüchen führe. Zum anderen gebe oft ganz praktische Probleme: Was, wenn mich der Mechaniker nicht richtig versteht? Oder der Auftrag innerhalb der Urlaubszeit nicht erledigt wird? „Dann können Sie schließlich nicht ohne Motor nach Hause fahren“, sagt Heimgärtner. Komplett verteufeln will der Jurist die besagten Dienstleistungen aber nicht.

„Wenn Sie in der Nähe der Grenze wohnen, sind solche Reparaturen eine Überlegung wert“, sagt Heimgärtner. Dann könne man im Ernstfall kurz in der Werkstatt vorbeifahren, um etwas nachbessern zu lassen. Ohnehin könne bei einfachen Ausbesserungen – Spiegel austauschen, Heckspoiler montieren, Tür lackieren – weniger schiefgehen als bei komplizierten Reparaturen.

Doch dieser Tipp nützt natürlich nichts, wenn eine bestimmte Leistung im Urlaub zwingend erbracht werden muss, etwa nach einer Panne oder einem Unfall. Laut EVZ treten in solchen Fällen die meisten Beschwerden auf. „In Notsituationen akzeptieren die Leute erst mal alles, um nach Hause zu kommen – auch wenn die Werkstatt horrende Preise verlangt.“

Grundlegende Begriffe sollte man in der Landessprache beherrschen.

Genau das sollte man aber tunlichst vermeiden, rät EVZ-Berater Oppelt. „Lassen Sie sich zu nichts drängen. Holen Sie eine Zweitmeinung ein, bevor Sie einen Auftrag erteilen.“ Am Beispiel von Frankreich hat das EVZ einen Leitfaden herausgegeben, den man als PDF-Datei herunterladen kann. Darin empfiehlt die Beratungsstelle, immer einen Kostenvoranschlag („Devis“) erstellen zu lassen, bevor der schriftliche Auftrag („Ordre de réparation“) erteilt wird. Anders als etwa in Deutschland sei es in Frankreich durchaus üblich, Standgebühren für nicht abgeholte Fahrzeuge zu verlangen. So wollten Werkstätten vermeiden, dass Autos bei ihnen einfach entsorgt werden.

Darüber hinaus hat das EVZ eine kostenfreie App entwickelt, die rechtliche Fragen für alle EU-Länder sowie Island und die Schweiz beantwortet. Sie kann nach der Installation auch offline genutzt werden, damit keine Roaminggebühren anfallen. Ebenfalls hilfreich ist es, einige grundlegende Wörter in der jeweiligen Landessprache zu beherrschen – oder vor dem Werkstattbesuch ein Wörterbuch zu konsultieren.

Noch nicht durchgesetzt hat sich der Werkstatttourismus im Versicherungsgewerbe. „Das ist momentan kein Thema“, sagt Simon Frost vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Nach Auskunft des GDV hat bislang keine deutsche Versicherung einen Werkstattvertrag im Ausland geschlossen. Das lohne sich ohnehin nur bei Versicherten, die in Grenznähe wohnten. Sollten diese also ins Ausland fahren, um einen Schaden beheben zu lassen? Der Pressesprecher will sich nicht festlegen. „Wer keine Police mit Werkstattbindung hat, bekommt den Betrag ausgezahlt, der im Gutachten steht. Was Sie damit machen, ist Ihre Sache.“

Wobei natürlich die Frage bleibt, wie groß der Preisunterschied in der Praxis tatsächlich ist. Beispiel Kratzer: Die kroatische Werkstatt verlangt für die Metallic-Lackierung der kompletten Autoseite (Opel Astra) die besagten 547 Euro. Eine Vor-Ort-Nachfrage bei drei verschiedenen Lackierereien in Deutschland ergibt Kostenvoranschläge, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Der erste Betrieb verlangt 1000 Euro, der zweite 1500 Euro. Die dritte Werkstatt liegt mit 800 Euro deutlich darunter. „Das geht aber nur privat“, sagt der Chef, also ohne Rechnung. Die hätte es in Kroatien ohne Murren gegeben. Und sie wäre obendrein günstiger ausgefallen als die heimische Schwarzarbeit.