Resilienz hilft Menschen, ihr Leben zu meistern. Die Sozialpädagogin Sabine König erklärt bei einem Vortrag in der FBS Waiblingen, wie Eltern ihre Kinder stärken können.

Waiblingen - Manche Menschen meistern selbst schwere Schicksalsschläge gut, andere wirft schon ein verhältnismäßig kleines Problem aus der Bahn. Die Sozialpädagogin Sabine König erklärt, wieso der eine ein Stehaufmännchen ist, der andere nicht. Am Dienstag, 8. November gibt sie bei einem Vortrag in der Familienbildungsstätte Waiblingen am Alten Postplatz 17 Eltern Tipps dazu, wie sie ihren Kindern innere Widerstandskraft mit auf den Lebensweg geben können.

 
Frau König, was bedeutet Resilienz?
Ich würde sagen, Resilienz ist die Befähigung, ins Leben zu gehen, das Leben zu nehmen, zu gestalten, auszuhalten und Probleme zu meistern. Man könnte es mit einem solide gebauten Haus vergleichen, in dem wir ein Unwetter überstehen. Oder mit einem Rucksack, in dem Lösungsideen stecken, die ich gesammelt habe und im Bedarfsfall wie Werkzeug herausholen kann.
Der Begriff begegnet einem inzwischen häufig. An der Universität Mainz ist vor zwei Jahren das Deutsche Resilienz-Zentrum gegründet worden. Ist Resilienz ein neu entdecktes Feld?
Nein, das Thema Resilienz ist uralt. Nehmen Sie den Medizinsoziologen Aaron Antonovsky: Er hat in den 1970er-Jahren bei der Untersuchung einer Gruppe von KZ-Überlebenden festgestellt, dass ein Teil der Frauen trotz aller Qualen körperlich und psychisch gesund geblieben war. Er hat daraufhin geforscht, welche Eigenschaften und Ressourcen diesen Frauen geholfen haben, ihre Gesundheit zu erhalten. Daraus ist der Begriff Salutogenese entstanden, also die Frage, wie Gesundheit entsteht und welche Eigenschaften man braucht, um gesund zu werden und es auch zu bleiben. Ein Aspekt der Resilienz.
Hat jeder Mensch von Geburt an seine persönliche Portion Resilienz?
Ja, wir bekommen eine Grundausrüstung mit – stützende und belastende Aspekte, die uns in die Wiege gelegt werden. Es gibt aber auch ausreichend Faktoren, die wir im Laufe unseres Lebens erwerben. Grundsätzlich aber gilt: Resilienz ist erlernbar und kein angeborenes Merkmal. Sie wird erworben und man kann sie ein Leben lang weiterentwickeln.
Das heißt, auch ein Mensch mit schlechten Startbedingungen hat später im Leben nicht unbedingt schlechtere oder keine Chancen auf eine gute seelische Widerstandskraft?
Sagen wir es mal so: Wenn ich körperlich, seelisch und geistig gesund bin, dann habe ich eine grundsätzlich günstige Ausgangsposition. Ein Kind, das in seinem ersten Lebensjahr einer schweren Traumatisierung ausgesetzt ist, zum Beispiel einem Missbrauch, hat es um einiges schwerer, in Stabilität zu kommen, als ein Kind, das in seinem ersten Lebensjahr Liebe und Unterstützung erfährt. Das heißt aber nicht, dass ein Mensch mit grausamen Startbedingungen nicht noch in Sicherheit kommen könnte.
Welche Faktoren spielen noch eine Rolle?
Resilienz setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Es gibt Umweltfaktoren, die mich resilienter werden lassen: liebevoll aufmerksame Erwachsene, die meine kindlichen Bedürfnisse wahrnehmen und mich unterstützen. Und Begleitumstände im späteren Leben, die eventuell eine geringere Resilienz ausgleichen: Bindungs-, Förderungs-, und Alltagsangebote von Erziehern, Lehrern, Mitmenschen. Resilienz bedeutet, sich wehren, das Leben gestalten, Rückschläge aushalten, Herausforderungen annehmen. . .
Wie also wird ein Mensch zum Stehaufmännchen?
Die ersten drei Lebensjahre sind von großer Bedeutung. Es gibt wichtige Bausteine, die in dieser Zeit Sicherheit und Urvertrauen schaffen: erstens die Versorgung, also Essen, Trinken und eine sichere Bettstätte. Zum zweiten die elterliche Verfügbarkeit: Erziehungsstil, Liebe, Grenzen, Familienleben. Und drittens das freie Spiel: lernen, sich ausprobieren, Langeweile aushalten, und natürlich der anspruchsvolle Mediengebrauch.
Was können Eltern dazu beitragen, dass ihre Kinder innere Widerstandskraft entwickeln?
Die Basisversorgung sichern, also die erwähnten drei Bausteine. Da steckt viel Arbeit drin, es kostet Zeit und Geld, Kinder sicher ins Leben zu begleiten. Elternsein ist ein knallharter Job, im wahrsten Sinne des Wortes ist das Erziehungs-Arbeit. Wir hier in Deutschland sagen schnell: Der Kühlschrank ist doch voll. Aber die Kinderarmut in Deutschland wird unterschätzt. Oder auch das Thema der Frühbetreuung. Fremdbetreuung gab es schon immer, das ist etwas Gutes und Natürliches. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass ein Kind mit einem oder anderthalb Jahren in der Fremdbetreuung Schwerstarbeit leistet. Denn ein Kind in diesem Alter ist nicht dafür ausgelegt, die Aufmerksamkeit mit so vielen anderen Gleichaltrigen zu teilen.
Was wäre Ihrer Ansicht die Alternative?
Diese Gruppen sind meist so aufgebaut, dass viele Kinder im gleichen Alter gemeinsam betreut werden. Wir denken, das passe gut zusammen. Ich bin der Ansicht, dass altersübergreifende Gruppen günstiger sein könnten, da sie die natürliche Familie nachahmen. In den Gruppen mit ausschließlich Gleichaltrigen müssen die Erzieherinnen und Erzieher 15 Mal das gleiche Grundbedürfnis decken. So viele Schöße und Hände gibt es gar nicht. So kann es sein, dass ein von Eltern topversorgtes Kind in der Fremdbetreuung Mangel erleben kann und eine Erfahrung macht, die nicht resilienzfördernd ist.
Sind beim Thema Resilienz nur die Eltern gefragt?
Nein, alle Personen, die mit einem Kind in Kontakt stehen, sind entweder Resilienz fördernd oder Resilienz störend. Wobei natürlich auch gelten kann: Ein Mensch lernt auch durch Schwierigkeiten Das ist also kein Aufruf zur Kuschelpädagogik.
Wie kann ein Erwachsener seine Resilienz fördern?
Ich würde Sie in einem Gespräch nach Ihren Ressourcen fragen: Was tut Ihnen gut? Wenn die Antwort zum Beispiel „in die Sauna gehen“ lautet, dann nutzen Sie das für sich und gehen Sie in die Sauna. Auch ein belastbares Wertesystem begünstigt Resilienz, zum Beispiel Religion, Ethik, Moral. . . Wenn ich etwas habe, an das ich glaube, stabilisiert mich das und lässt mich vieles ertragen.
Ist ein Optimist automatisch ein resilienter Mensch?
Ich würde sagen, andersrum wird ein Schuh draus: Ein Optimist bringt seine positive Weltsicht ein und die ist ein resilienter Faktor. Ein Faktor, der mir in schwierigen Situationen ungeheuer viel helfen kann.
Welche Probleme kann ein geringes Maß an Resilienz für einen Menschen mit sich bringen?
Wenn ich wenig Resilienz habe, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf die Nase falle und liegen bleibe höher, weil ich weniger Schutz- und Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung habe. Schicksalsschläge werden somit intensiver wahrgenommen und wirken sich kritischer aus . Grundsätzlich „fallen wir alle einmal hin“, aber Resilienz macht uns wieder aufstehen.