Die einstige US-Autometropole Detroit könnte wieder aus den Ruinen erstehen: In einer konzertierten Aktion haben die an der Zukunft der Stadt interessierten Parteien einen kühnen Rettungsplan beschlossen.

Detroit - Gute Nachrichten aus Detroit sind Mangelware gewesen in den vergangenen Jahren. Die frühere Autometropole und einstige Rüstungskammer Amerikas, so musste man glauben, war unweigerlich dem Untergang geweiht. Die Innenstadt siechte schon seit Jahrzehnten vor sich hin, leer stehende Grundstücke, mit Brettern vernagelte Wohnhäuser und Müllberge bestimmten das Straßenbild. Hinzu kamen Korruptionsskandale, die Finanzkrise von 2008 und schließlich der Bankrott der Stadt im Jahr 2013.

 

So erscheint es wie ein Wunder, dass Anfang November aus Detroit eine Meldung kam, die einen echten Anlass zur Hoffnung für die Stadt gibt, die einst als das industrielle Herz Amerikas galt. Nach nur 16 Monaten in der Insolvenz erklärte der Richter Steven Rhodes den Bankrott-Status Detroits für beendet. Eine erdrückende Last fiel von den Schultern der geplagten Stadt, jetzt kann man wieder nach vorne schauen, investieren, etwas aufbauen. Die überraschende Erlösung der maroden Metropole nach so kurzer Zeit ist das Ergebnis einer einzigartigen Anstrengung der unterschiedlichsten Interessengruppen. In einer für die Vereinigten Staaten beispiellosen konzertierten Aktion setzten sich in den vergangenen Monaten die wichtigsten an der Zukunft der Stadt interessierten Parteien zusammen, und beschlossen einen kühnen Rettungsplan.

Die Erleuchtung kommt beim Mittagessen

Vater der Aktion ist der Richter Gerald Rosen. Er ist der vom Staat bestellte Vermittler in den Konkursverhandlungen der Stadt. Irgendwann im Juli 2013, erinnert sich Rosen, saß er am Mittagstisch und grübelte darüber nach, wie man die Lage von Detroit verbessern könne. Dabei kritzelte er drei Begriffe auf seine Serviette: „Staat“, „Kunst“ und „Pensionen“.

Unter den vielen Problemen der Stadt erschienen Rosen zwei als die drängendsten. Unter der Last der 18 Milliarden Dollar Schulden und jährlicher Defizite würde die Stadt die ohnehin oft kärglichen Renten ihrer Bediensteten nicht mehr bezahlen können. Sollte man, um das zu verhindern, nicht lieber die exquisite Kunstsammlung des Detroit Art Institute verkaufen? Deren Wert wird immerhin auf mehr als vier Milliarden Dollar geschätzt.

Pensionen der städtischen Angestellten waren in Gefahr

Doch der Konkursvermittler Rosen wollte unter allen Umständen den Ausverkauf des Museums verhindert, durch dessen Gänge schon die Schätzer der Auktionshäuser wandelten. Er wollte aber auch auf jeden Fall verhindern, dass die pensionierten Polizisten, Lehrer und Feuerwehrleute von Detroit in die Armut abrutschen. Deshalb begann der Richter bei den privaten Stiftungen der Stadt und des Staates die Klinken zu putzen.

Dort musste man angesichts der benötigten Summen zuerst kräftig schlucken. Doch nachdem Rosen die Stiftungsverwalter – von der Ford Stiftung bis hin zu regionalen Stadtförderungsstiftungen – zu einem Essen bei sich eingeladen hatte, kam der Ball ins rollen. „Es entstand das Gefühl, dass wir hier etwas wirklich bedeutsames tun können“, erinnert sich Mariam Nolan, Direktorin der Community Foundation for Southeast Michigan. Von da an entwickelten sich die Dinge extrem schnell. Nachdem die Stiftungen 366 Millionen Dollar zugesichert hatten, erklärte sich der Bundesstaat Michigan bereit, ebenfalls 100 Millionen Dollar zuzuschießen. Die Gönner des Museums steuerten 100 Millionen bei, die städtischen Pensionäre erklärten sich bereit, eine vertretbare Rentenkürzung hin zu nehmen. Im Nu hatte Rosen das erreicht, was als der „grand bargain“ (das große Abkommen) in die Stadtgeschichte eingehen wird.

Der Stadt werden Schulden erlassen

Natürlich sind damit die Probleme Detroits nicht gelöst. Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels. Durch das Ende des Konkurses wurden der Stadt sieben Milliarden Dollar an Schulden erlassen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren konnten 1,7 Milliarden in die Infrastruktur investiert werden.

Nun herrscht trotz des trüben Novemberwetters in der Innenstadt von Detroit Frühlingsstimmung. „Der Konkurs hat ein wenig verdeckt, dass wir im Grunde schon die Anfänge einer Wiedergeburt gehabt haben“, sagt Bruce Katz, er ist Stadtentwicklungsexperte beim renommierten Think Tank Brookings Institute. Jetzt hat diese Renaissance Luft zum atmen.

In den ausgestorbenen Vierteln regt sich wieder Leben

So hat der Rückkehr von Firmensitzen aus den Außenbezirken in die Innenstadt schon vor Jahren angefangen. Neben Geldinstituten wie Quicken Loans haben sich in Downtown Dutzende von jungen Internetunternehmen und Technologie-Firmen angesiedelt. Mit der nun dramatisch verbesserten Lage dürfte sich diese Entwicklung noch beschleunigen.

Und auch in den ausgestorbenen Vierteln unmittelbar außerhalb des direkten Downtown-Distrikts regt sich wieder neues Leben. Energische junge Unternehmer nutzen die Chance, mit wenig Kapital dort etwas aufzubauen. Besonders euphorische Detroiter sprechen bereits davon, dass die frühere Autostadt ein Vorbild für andere Kommunen, die vom Verfall bedroht sind, werden könnte. Das ist zwar voreilig. Doch die Sterne stehen günstig für Detroit – zum ersten Mal, seit langer, langer Zeit.