Rezzo Schlauch engagiert sich bei einem kleinen, aber aufstrebenden Neuling im Energiemarkt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Stuttgart - Die Nachricht war ein echter Aufreger. Als vor vier Jahren eher zufällig bekannt wurde, dass sich der frühere Grünen-Politiker Rezzo Schlauch in den Beirat des Energiekonzerns EnBW berufen lassen hatte, reagierten Freund und Feind höchst irritiert. Ein erklärter Atomkraftgegner als Berater eines Reaktorbetreibers mit vier Meilern - wie passe das denn zusammen?

Problemlos, versicherte der Exfraktionschef, Exstaatssekretär und mittlerweile als Rechtsanwalt tätige Schlauch: Er gebe seine ablehnende Haltung "nicht an der Garderobe ab", sondern vertrete sie in dem Gremium "sehr deutlich". Man suche den Dialog eben auch mit Kritikern, ergänzte die EnBW.

Interesse an Energiebranche verloren


Genauso diskret, wie der heute 62-Jährige einst in den Beirat eingetreten war, hat er ihn nun wieder verlassen. Seit Jahresbeginn lasse er "sein ohnehin auslaufendes Mandat ruhen", verlautet aus Karlsruhe. Der Grund ist mitnichten, dass Schlauch das Interesse an der Energiebranche verloren hätte. Im Gegenteil: er mischt nun selber aktiv darin mit. "Um nicht in Interessenkonflikte zu geraten", so die EnBW, habe er um die Entpflichtung gebeten.

Seit Jahresbeginn nämlich engagiert sich Schlauch im Gasgeschäft, ähnlich wie seine einstigen Berliner Regierungskollegen Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer (Grüne). Doch während der Altkanzler und der Exaußenminister für große Konsortien tätig sind, die zwei konkurrierende Pipelines nach Europa planen - eine aus Russland, eine aus Zentralasien -, ist Schlauch bei einem kleinen Neuling eingestiegen: der Goldgas-Gruppe mit Hauptsitz in Nürnberg.

Vor vier Jahren gegründet, will der Versorger mit günstigen Preisen für Privathaushalte, Gewerbe und Industrie den Markt aufmischen. Die kann er unter anderem deshalb bieten, weil er das Gas am Spotmarkt beschafft und nicht wie die Stadtwerke über Großimporteure an langjährige Verträge gebunden ist.

"Schnell und dynamisch" ist das Motto


Man sei das "mit Abstand am schnellsten wachsende Gasunternehmen", sagt der Gründer und Geschäftsführer Michael Notzon stolz. Vom Ziel, zu einem "neuen europäischen Energiekonzern" zu werden, ist er zwar noch weit entfernt. Doch die Goldgas-Gruppe entwickelt sich rasant: zwei Jahre nach dem Start bringt sie es laut Notzon bereits auf 250.000 Kunden und einen Umsatz von 500 bis 600 Millionen Euro - ein Marktanteil von etwa einem Prozent. "Schnell und dynamisch" soll es weitergehen, wie beim Handball, wo die Nürnberger seit Jahresbeginn Hauptsponsor der Männer-Nationalmannschaft sind.

Durch einen "Zufall" kam Rezzo Schlauch mit Goldgas in Kontakt - und war fasziniert. Schon mehrfach hat der frühere Mittelstands-Staatssekretär Gründer dabei unterstützt, "dass aus frischen Ideen florierende Unternehmen werden". Die junge Gasfirma begleitete er anfangs ebenfalls als Berater, demnächst soll er in den dreiköpfigen Beirat berufen werden. Man sei "froh, jemanden von diesem Kaliber gewonnen zu haben", sagt der Chef Notzon. Besonders in Schlauchs "internationale Kontakte" setzt er große Erwartungen.