Jana Berezko-Marggrander ist Deutschlands beste Rhythmische Sportgymnastin im Einzel. Die russische Dominanz ist jedoch beinahe erdrückend. Bei der WM in Stuttgart belegt die 19-Jährige den 19. Platz.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Wenn Jana Berezko-Marggrander im Training mal wieder die Lust vergeht, dann wirft sie einfach einen Blick auf ihren rechten Fuß. Was sie dort seit ein paar Monaten zu sehen bekommt, ist eine permanente Erinnerung an gute Zeiten. Es ist ein Muntermacher in mürben Minuten, in denen die Deutsche Meisterin vom TSV Schmiden den Sinn der 30- bis 40-Stunden-Woche in der Halle anzweifelt. Es sind die olympischen Ringe.

 

Sichtbare Tätowierungen sind in der Rhythmischen Sportgymnastik im Wettkampf ja eigentlich verboten, aber dieses Tattoo ist relativ unscheinbar. Und es hilft. „So ein kleines geht schon“, sagt die 19-Jährige. „Ich war ja schon mal bei Olympia, das ist Motivation, wenn es mir mal schlechtgeht.“ Die fünf ineinander verschlungenen Kreise beschwören bei ihr prägende positive Erlebnisse herauf. Olympische Jugendspiele 2010 in Singapur, Bronzemedaille. Olympische Spiele 2012 in London, Platz 17 als jüngste Teilnehmerin.

Bei der WM auch die Olympischen Spiele im Sinn

Nächste Station: die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Im Mehrkampffinale der besten 24 Allrounderinnen der Heimweltmeisterschaften in Stuttgart hat Jana Berezko-Marggrander am Freitagabend um ihre nächste Olympiateilnahme geturnt (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht beendet). Die ersten 15 qualifizierten sich dabei direkt für das Großereignis. Die dahinter folgenden Athletinnen müssen den Umweg über das olympische Testturnier nächsten April gehen – so wie Jana Berezko-Marggrander es 2012 tat.

Dies wird Jana Kudrjawzewa und Margarita Mamun mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erspart bleiben. Die beiden Russinnen gingen – als Qualifikationsbeste – als große Favoritinnen auf den Sieg in der Königsdisziplin in das Mehrkampffinale. Die Geräte gehorchen ihnen fast wie kleine Zirkushündchen auf Schritt und Tritt. „Wir sind gute Freundinnen, aber im Wettkampf eben Rivalinnen“, sagte die 17-jährige Titelverteidigerin Jana Kudrjawzewa, die zuvor schon vier Goldmedaillen in der Porsche-Arena geholt hatte.

Dabei plagen sie Beschwerden mit dem linken Fuß, an dem sie eine hautfarbene Bandage trägt. Margarita Mamun hat eine am rechten Knie. Sie zeigen die schmerzhafte Seite des Hochglanzsports. Die lange Saison hat Spuren an den Grazien in den glitzernden Gymnastikanzügen hinterlassen.

Die russische Dominanz ist erdrückend

Die Russinnen beherrschten trotzdem alle fünf Wettbewerbe im Einzel bis dahin, fünfmal gab es einen Doppelsieg – außer, naturgemäß, in der Teamkonkurrenz. Ihre Dominanz ist fast schon erdrückend und auch ein Ergebnis der gewaltigen internen Konkurrenz in dem Riesenstaat. Will oder kann eine nicht mehr, steht schon eine andere parat – oder wie es Jana Kudrjawzewa ausdrückt: „Unsere Trainerin sagt immer, die Ersatzbank ist sehr breit.“

Die Trainerin heißt Irina Winer. Wenn sie über ihre Erfolge sprechen, erwähnen die russischen Medaillensammlerinnen immer pflichtschuldig und huldvoll diesen Namen. Die mächtige Milliardärsgattin sorgt dafür, dass ihre Schützlinge bestens versorgt sind – oder wie es Jana Kudrjawzewa ausdrückt: „Es wäre blamabel, wenn wir nicht gewinnen würden angesichts der Ressourcen, die wir haben.“

In Deutschland sind die Ansprüche viel bescheidener. Jana Berezko-Marggrander holte bei dieser WM im Einzel mit dem Einzug in das Mehrkampffinale so ziemlich das Optimum heraus. „Wir sind weit weg von den Medaillen, das müssen wir im Augenblick akzeptieren“, sagt die deutsche Teamchefin Katja Kleinveldt. Sie hofft, dass Jana Berezko-Marggrander bis zu den Spielen 2020 in Tokio dabei bleiben wird. Dann wäre die gebürtige Russin fast 25 und schon ziemlich alt für eine Sportgymnastin. Das kann aber funktionieren, wie die Spanierin Carolina Rodriguez (29) beweist.

Jana Berezko-Marggrander hat übrigens noch eine zweite Tätowierung; links oberhalb der Hüfte. Da trägt sie „Liebe, Glaube, Hoffnung“ mit sich herum, in Form eines weiteren Symboltattoos aus einem Herz, einem Kreuz und einem Anker – gut versteckt unter dem Gymnastikanzug.