Der neue Landrat Richard Sigel sagt im Interview, was ihm wichtig ist und äußert sich unter anderem überFamilienurlaub und -alltag, Verwaltungsstrukturen oder den ein oder anderen ministerialen Ärger.

Waiblingen - Flüchtlinge in ungeahnter Zahl, wachsende Klinikdefizite, eine angespannte Haushaltslage und einen gut gefüllten Terminkalender – Richard Sigel hat keinen einfachen Start als Landrat gehabt. Dennoch zieht er nach einem Jahr im Amt eine positive Bilanz.
Herr Sigel, wie haben Sie Ihr erstes Jahr als Kreisverwaltungschef erlebt?
Es war ein ereignisreiches, turbulentes aber auch schönes und wertvolles Jahr .
Sie haben Ihre Kandidatur nicht bereut?
Nein, ich kann auch heute noch sagen: Ich mache das mit Herzblut und aus Leidenschaft, daran hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: Ich bin gut angekommen und sehr gut aufgenommen worden, sowohl im Haus als auch im Kreistag und von den Kollegen Oberbürgermeistern und Bürgermeistern. Freie Zeit ist natürlich ein kostbares Gut geworden. Es war gewöhnungsbedürftig, einen Kalender zu haben, der bis zu einem Jahr im voraus gut gefüllt, teilweise überbucht ist. Aber da lernt man mit umzugehen.
Ihre Familie auch?
Sie zieht auf jeden Fall mit. Die Familie hat für mich einen hohen Stellenwert und ist wichtiger Bestandteil meines Lebens. Ich habe es sehr genossen, mit ihr jetzt drei Wochen im Urlaub in Schweden zu verbringen und mit meinem Sohn am Strand Fußball zu spielen.
Das war Urlaub . . .
Auch im Alltag haben wir unsere Zeitfenster. Dreimal in der Woche bringe ich beispielsweise meinen Sohn in die Kita und mindestens zweimal essen wir gemeinsam zu Mittag. Darüber hinaus kann es auch vorkommen, dass ich meinem Team sage, dass ich eine Viertelstunde später komme, wenn etwas daheim zu erledigen ist. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für mich sehr wichtig. Und Dinge, die mir wichtig sind, sollte ich auch vorleben.
Welche Dinge sind das noch?
Ganz banale zum Teil: etwa, öfters mal mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder beim Firmenlauf mitzumachen. Oder mein Büro weitgehend so zu belassen, wie ich es beim Amtsantritt vorgefunden habe.
Warum Letzteres?
Ich kann nicht erwarten, dass alle etwas zur Haushaltskonsolidierung beitragen und selbst mein Büro feudal einrichten.
Wie ist ihr Verhältnis zu den Mitarbeitern?
Ich versuche, für sie ansprechbar zu sein. Dazu habe ich auch eine feste Mitarbeitersprechstunde eingeführt.
Wie wird diese genutzt?
Sehr gut. Die Leute tragen mir vor, was sie umtreibt und wo es Probleme gibt. Das gibt mir auch wertvolle Hinweise, was ich oder wir besser machen können.
Sie haben nach relativ kurzer Zeit die Verwaltungsstruktur im Landratsamt umgekrempelt, warum?
Um die Arbeit besser auf die Themen zuzuschneiden. Mir ist es wichtig, dass wir ein gut funktionierendes Haus mit kurzen Wegen haben. Die Strukturen, die ich vorgefunden hatte, waren über Jahre gewachsen, gehörten mit einem Blick von außen aber hinterfragt.
Können Sie das ein bisschen konkreter darstellen?
Ich habe mir etwa überlegt, wie man zentrale Themen wie Mobilität, ÖPNV, Straßen und Umwelt besser verzahnen kann. Bei uns im Landratsamt waren bisher der Straßenbau, der ÖPNV und auch der Umweltschutz in jeweils unterschiedlichen Dezernaten angesiedelt. Nun können die Dinge umfassender und schneller geklärt und entschieden werden. Der wohl tiefste Eingriff war, die Bereiche Personal und Finanzen zusammenzupacken.
Warum haben Sie das getan?
Diese Themen gehören einfach zusammen. Wir stecken in einer schwierigen Haushaltssituation und da kann ich nicht nach dem Motto vorgehen: Der eine macht die Stellen, der andere muss sie bezahlen. Stattdessen muss einer einen Gesamtblick auf alles haben.
Wie kam die Reform an?
Den ein oder anderen habe ich sicherlich erst einmal erschreckt. Aber ich bin die Sache sehr transparent angegangen und habe meine Vorstellungen offen kommuniziert. Ich habe das Gefühl, dass die neue Aufbauorganisation jetzt positiv aufgenommen wird.
Welches Ziel verfolgen Sie mit der neuen Struktur?
Sie war ein erster Schritt, uns zukunftsfähig zu machen. Wir wollen und müssen bürgernäher und digitaler werden.
Dazu gehört auch das kürzlich vorgelegte Immobilienkonzept für die Kreisliegenschaften?
Ja, ich hatte da, offen gesagt, eine Baustelle übernommen.
Inwiefern?
Ich habe als Planungsstand übernommen, dass das Landratsamt beabsichtigt, auf dem Klinikareal in Waiblingen ein Sozialdezernat zu bauen. Die Betrachtung war völlig isoliert von den übrigen, zum Teil in die Jahre gekommenen Kreisimmobilien, und es gab vor allem noch kein Finanzierungskonzept.
Sie machen es anders?
Mir ist wichtig, verlässlich, transparent und auch wirtschaftlich zu handeln und Projekte entscheidungsreif auf den Tisch zu legen. Deshalb haben wir in der Gesamtschau für alle Kreisliegenschaften und mit verschiedenen Varianten versucht zu klären, was in den nächsten Jahren insgesamt auf uns zukommt und was es uns unterm Strich kostet.
Eine große Summe kann aber auch abschreckend wirken . . .
Ich bin kein Freund der Salamitaktik nach dem Prinzip, erst mal ein Sozialdezernat zu bauen und wenn das fertig ist, um die Ecke zu kommen und zu sagen: Wir müssen übrigens noch den Alten Postplatz sanieren und fünf Jahre später sagen: Der Mietvertrag für das Technische Landratsamt ist übrigens ausgelaufen, da müssen wir jetzt auch bauen.