Eine Richterin am Amtsgericht Stuttgart darf wohl keine Prozesse mit Bezug zu Stuttgart 21 mehr führen. Der Grund: Ihr Ehemann hatte auch in ihrem Namen Stefan Mappus angefeuert. Damit will man Befangenheitsanträgen zuvorkommen.
Stuttgart - Mit ihren harten Urteilen gegen Stuttgart-21-Gegner stieß Katrin von M. immer wieder auf Unverständnis. Ob Demonstranten sich angekettet oder einbetoniert hatten – für die Richterin am Amtsgericht Stuttgart war das, ebenso wie für den anklagenden Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, eine Form von Gewalt. Da konnten Polizeibeamte noch so sehr betonen, wie kooperativ sich die Angeklagten gezeigt hatten – diese wurden wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu Geldstrafen verurteilt. „Skandalös“ sei diese „Diffamierung gewaltfreien Protests“, schimpften die Projektgegner. Und empörte Verteidiger wiesen darauf hin, eine solche Rechtsauslegung sei bundesweit einmalig.
Nun sollte es die Richterin wieder mit S-21-Demonstranten zu tun bekommen. Bei ihr sind nach der Geschäftsverteilung jene Verfahren gelandet, die nach der „Erstürmung“ der Grundwasser-Management-Baustelle im Sommer 2011 eingeleitet wurden. Mehrere Dutzend Teilnehmer haben Strafbefehle wegen „besonders schweren Landfriedensbruchs“ erhalten, gegen die sie sich vor Gericht zur Wehr setzen.
Lob für Mappus kurz nach dem „schwarzen Donnerstag“
Doch von M. wird diesen Prozess zu Stuttgart 21 wohl so wenig führen wie andere. Ein Verfahren hat ihr das Gericht bereits entzogen, wie eine Sprecherin bestätigte, weitere dürften folgen. Damit kommt man offenkundig einer Welle von Befangenheitsanträgen zuvor, die derzeit auf die Richterin zurollt.
Den Verdacht der Befangenheit hat die Enddreißigerin ihrem Ehemann zu verdanken, dem Rechtsanwalt Marius B. Zwei Wochen nach dem Polizeieinsatz im Schlossgarten hatte dieser einen anfeuernden Brief an den damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) geschrieben. Als Bürger und Jurist, schmeichelte er ihm, „verfolge ich mit Freude Ihre klare Haltung in der Auseinandersetzung um Stuttgart 21“. Angesichts der Gefährdung der eigenen Sicherheit und der partiellen öffentlichen Anfeindung, die er aus der Tätigkeit seines Vaters in Terroristenprozessen kenne, „ziehe ich den Hut vor Ihrer couragierten Haltung und hoffe und wünsche sehr, dass Sie sich (und uns) diese bewahren und sich vom Getöse der Straße nicht beirren lassen“. Das Gros der „arbeitenden Stuttgarter Bevölkerung“ habe ohnehin „keine Zeit, zu demonstrieren“, und stehe „klar hinter dem Projekt“.
Anhaltspunkte für Befangenheit
Im Briefkopf hatte Marius B. auch den Namen seiner Frau aufgeführt, an die das Staatsministerium denn auch das Dankesschreiben im Auftrag von Mappus mit adressierte. Er würde dem Regierungschef nicht schreiben, fügte er hinzu, wenn sich „diese Haltung nicht in gleicher Weise in meiner Familie, in meinem Freundes- und Bekanntenkreis . . . finden würde“. Dummerweise blieb der Brief nicht „persönlich/vertraulich“, wie er deklariert war: Anfang März berichtete die Stuttgarter Zeitung über dieses und andere Fundstücke, die bei der Akteneinsicht durch zwei Pensionäre im Staatsministerium zu Tage gefördert worden waren. Seither haben die Richterin und das Amtsgericht ein Problem: In künftigen Verfahren, hieß es, werde eine mögliche Befangenheit zu prüfen sein.
Katrin von M. indes fühlt sich „in meiner Unparteilichkeit als gesetzliche Richterin nicht beeinträchtigt“. So ließ sie es das Gericht in einer persönlichen Erklärung wissen, die auch an alle Verfahrensbeteiligten verschickt wurde. Ihre Begründung: Von der Korrespondenz Ihres Mannes mit Mappus habe sie nichts gewusst, sondern erst durch die Anfrage der StZ erfahren. „Mein Ehemann hat das Schreiben unabgestimmt in seiner Rechtsanwaltskanzlei unter Verwendung unseres privaten Briefbogens im eigenen Namen verfasst und allein unterschrieben.“
Die Richterin beteuert ihre Unparteilichkeit
Genau so hatte es Marius B. gegenüber der StZ dargestellt und hinzugefügt, selbstverständlich respektiere er die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Er habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass in einer Demokratie Beschlüsse auch dann umzusetzen seien, „wenn sie von einer Minderheit lautstark abgelehnt werden“.
Bei den Verteidigern stieß von M.s Erklärung reihum auf Kopfschütteln. Es sei schwer vorstellbar, dass die Richterin mit ihrem Mann wirklich keine Silbe über die Korrespondenz gewechselt habe; über so etwas rede man doch in einer Ehe. Die von ihm referierte „Haltung der Familie“ bestreite sie zudem gar nicht, moniert der Tübinger Rechtsanwalt Karl Joachim Hemeyer, der eine der Demonstrantinnen vertritt.
In einem Verfahren bereits abgelöst
„Angesichts der wohl auch von der Richterin nicht bestrittenen Seriosität ihres Ehemanns“ bestehe damit ein weiterer Anhaltspunkt für Befangenheit. Wenn von M. die Fakten aus der Sicht eines normalen Betroffenen würdigen würde, so sein Fazit, hätte sie die Bearbeitung von S-21-Fällen ablehnen müssen. Nun entstehe einmal mehr „der Anschein politischer Justiz“ gegen Projektgegner.
Inzwischen lenkt das Amtsgericht ein. „In einem Verfahren habe ich bereits entschieden, dass Richterin von M. nicht mehr am Verfahren beteiligt ist“, teilte die Pressesprecherin als dafür zuständige Richterin mit. Maßgeblich sei, zu welchen Schlüssen unbefangene Dritte kommen könnten – und für die drängt sich der Eindruck der Befangenheit geradezu auf. In den anderen Fällen – vor allem dem Mammutverfahren zum Grundwassermanagement – laufe noch die Frist zur Stellungnahme. Doch angesichts der erwartbaren klar ablehnenden Reaktionen dürfte die Entscheidung kaum anders ausfallen.