Zehn lange Jahre hat es gedauert und happige 375 Millionen Euro gekostet, aus dem Rijksmuseum ein Museum für das 21. Jahrhundert zu machen. Am Samstag wird es von Königin Beatrix wiedereröffnet, und ganz Holland feiert mit.

Amsterdam - Man läuft darauf zu wie auf den Hochaltar: Am Ende des Mittelgangs, im Brennpunkt der einem Kirchenschiff nachgebildeten Ehrengalerie, hängt sie, Rembrandts „Nachtwache“. Als einziges Werk der Sammlung hat das frisch restaurierte Paradestück seinen angestammten Platz im generalsanierten und umgebauten Rijksmuseum behalten. Alles andere – vom Ausstellungskonzept bis zur Architektur – wurde umgekrempelt und einer „Totaltransformation“ unterzogen, wie der Generaldirektor Wim Pijbes den Vorgang nennt, aus dem sein Haus nun strahlend wie ein runderneuerter Phoenix hervorgeht.

 

Zehn lange Jahre hat es gedauert und happige 375 Millionen Euro gekostet, aus dem 1885 eingeweihten, immer wieder umgebauten, schließlich restlos verbauten und labyrinthisch verschachtelten Backsteinmonument des Architekten Pierre Cuypers in Amsterdam ein Museum für das 21. Jahrhundert zu machen. Morgen wird es von Königin Beatrix wiedereröffnet, und ganz Holland feiert mit.

Herzstück ist die zentrale Ehrengalerie

Superlative bietet das „Rijks“ mehr als genug. Neben der „Nachtwache“, diesem Gruppenporträt einer fidelen Bürgerwehr, die der Maler bei ihrem ungeordneten Aufbruch zu einem Fest oder Umzug darstellte – alle Mann fein angezogen und in Bierlaune –, erwarten den Besucher achtzig Räume mit achttausend Kunstwerken (fünftausend davon restauriert), die einen Zeitraum von achthundert Jahren umspannen, vom Mittelalter bis zu Mondrian.

Dem Goldenen Zeitalter, jenen hundert Jahren zwischen 1600 und 1700, als die Republik der Sieben Vereinigten Niederlande eine beispiellose künstlerische Blüte erlebte, sind allein dreißig Räume gewidmet. Herzstück ist die zentrale Ehrengalerie, wo gleich vier Gemälde von Vermeer, darunter sein „Milchmädchen“ und seine „Briefleserin“, Frans Hals’ Porträt eines frisch vermählten, ansteckend gut gelaunten Paares, die formidable Neuerwerbung „Der Bürgermeister von Delft und seine Tochter“ von Jan Steen, Windmühlenlandschaften von Ruysdael und häusliche Genres von Pieter de Hooch eine glanzvolle Quintessenz niederländischer Malerei bilden. Auch der Nationalheilige Rembrandt ist hier mit Meisterwerken wie der „Jüdischen Braut“, der „Tuchmacher-Gilde“ und dem mit lockerem Pinselstrich grandios hingetuschten „Jan Six“ vertreten, dem Porträt eines reichen, sich wie im Weggehen gerade die Handschuhe überstreifenden Bürgers.

Ziel der Neupräsentation ist ein Universalmuseum

Als reine Bildergalerie bleibt diese Schatzkammer nationaler Malerei im Gesamtkontext des Rijksmuseums jedoch eine Ausnahme. Denn Ziel der Neupräsentation ist ein Universalmuseum, das die verschiedenen Zeitalter der niederländischen Geschichte in chronologischer Folge vor Augen erstehen lässt und dabei Malerei, Skulptur und Kunsthandwerk in Epochenräumen zusammenführt. Also Stillleben mit Delfter Keramik, Schlachtengemälde mit Kanonen, Genrebilder mit Kommoden oder Klavieren. Gemälde des jungen Rembrandt etwa werden mit Arbeiten des berühmtesten Silberschmieds seiner Zeit und Barockschränken eines mit ihm befreundeten Schreiners gezeigt.

Stolz erklärt der Chef: „Wir sind das einzige Museum weltweit, das die Gattungen vereint.“ Um den Mix von Malerei und Skulptur lichttechnisch und konservatorisch überhaupt zu ermöglichen, bedarf es allerdings eines Ausstellungsmagiers wie des Pariser Architekten und Designers Jean-Michel Wilmotte. Der Franzose, ein entschiedener Gegner weißer Wandfarbe, hat den Werken nicht nur Grau in unterschiedlichen Abstufungen als Hintergrund verordnet. Vor allem hat er den Objekten rahmenlose Vitrinen aus entspiegeltem Glas gebaut und dazu mit eigens entwickelten Lüstern gezaubert, die sowohl indirektes Licht abgeben als auch mit LED-Strahlern gezielte Akzente setzen, so dass etwa die kleine, farbig gefasste Terracottabüste der „Maria als Mater dolorosa“ (ca. 1510) ungemein plastisch wirkt. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die den – bisher höchst umstrittenen – Plan hegt, die Alten Meister der Berliner Gemäldegalerie mit der Skulpturensammlung des Bode-Museums zu fusionieren, wird sich das Amsterdamer Präsentationskonzept und seine Realisierung sicher sehr genau anschauen.

Die neue Architektur des Museums

Architektonisch ist im Rijksmuseum nahezu kein Stein auf dem andern geblieben. Die Spanier Cruz y Ortiz aus Sevilla haben jedoch das Kunststück vollbracht, die Radikalerneuerung des Gebäudes und seine technische Modernisierung – in der Summe eigentlich eine Neuschöpfung – mit einer Rückführung auf den historischen Bau aus dem 19. Jahrhundert zu verbinden – Pierre Cuypers’ „Gesamtkunstwerk“ wiederherzustellen, wie Antonio Ortiz es auf den deutschen Begriff bringt.

Sonderlich beliebt war das mächtige Schatzhaus des Niederländers an Amsterdams Stadhouderskade bei seinen Landsleuten zu Entstehungszeiten nicht. Mit seinem üppigen Dekor kam es ihnen zu katholisch vor. König Willem III. weigerte sich sogar, zur Eröffnung zu kommen. Es dauerte daher auch nicht allzu lange, bis Wandbilder weiß übertüncht und Bodenmosaiken mit Linoleum verdeckt wurden, um das Ganze calvinistisch auf Linie zu bringen. Später eingezogene Zwischengeschosse, zugebaute Innenhöfe und durchbrochene Wände waren dann eher der Platznot und improvisierten Erweiterungen geschuldet als ideologischer Ornamentfeindlichkeit.

Noch ist die Wiedergeburt aber nicht ganz abgeschlossen

Die Sanierung, bei der alles nachträgliche Flickwerk herausgerissen wurde, hat dem Bau wieder Übersichtlichkeit und Großzügigkeit verliehen. Eindrucksvollstes Merkmal dieser Wandlung ist das riesige, glasüberdachte Atrium, in dem sich nun Empfangsbereich, Café und Museumsshop befinden. Große weiße Käfige über den Köpfen, von den Museumsleuten „Kronleuchter“ genannt, dämpfen zugleich den Hall und erleuchten die Halle. In der alten Vorhalle und der Ehrengalerie wurden unter Leitung der Denkmalexperten vom niederländischen Büro Van Hoogevest Fresken, Figurenschmuck, farbige Fenster und Historienzyklen frei gelegt und restauriert, teilweise sogar rekonstruiert. Wo die Größten des Goldenen Zeitalters versammelt sind, in der sakralen Atmosphäre der „Eregalerij“, feiert der neugotisch-bilderselige Cuypers jetzt einen späten Triumph über die verklemmte Ästhetik seiner Nachfahren.

Das neu gestaltete Rijksmuseum reiht sich in die Riege der international ersten Ausstellungshäuser ein. Noch ist seine Wiedergeburt aber nicht ganz abgeschlossen. Ein neuer Ausstellungsflügel soll bald folgen, ein Sternerestaurant sowie der nach historischem Vorbild angelegte Garten, in dem jährlich wechselnde Skulpturenschauen stattfinden, beginnend in diesem Jahr mit dem Briten Henry Moore.