David Hermanns „Rheingold“ ist ein furioser Auftakt zum neuen Wagner-„Ring“ in Karlsruhe . Die musikalische Seite des Abends ist von hoher Qualität.

Karlsruhe - Eine einzige Wahrheit? Gibt es nicht. Auch nicht bei Richard Wagners „Ring des Nibelungen“. Das fand 1999 zumindest Stuttgarts damaliger Opernintendant Klaus Zehelein und sorgte mit seiner Idee, die vier Teile des Stücks von vier verschiedenen Regisseuren inszenieren zu lassen, international für Furore.

 

Jetzt bringt das Badische Staatstheater eine eigene, von vier jungen Produktionsteams betreute Version von Zeheleins Konzept heraus – und macht schon beim „Rheingold“ staunen, das David Hermann am Samstagabend nicht nur als leichtfüßiges Vorspiel, sondern als bilderstarken, intelligent vernetzten Schnelldurchlauf durch die gesamte Tetralogie inszeniert.

Um es vorweg zu nehmen: Auch die musikalische Seite des Abends ist von hoher Qualität. Das Dirigat von Karlsruhes Generalmusikdirektor Justin Brown klingt meist leichtfüßig, licht, sehr präzise und nah am Parlando des Textes. Unter den guten Sängern der Hauptpartien wirkt lediglich Renatus Meszar als Wotan am Ende ein wenig erschöpft. Jaco Venter als Alberich, Klaus Schneider als Mime und vor allem Matthias Wolhbrecht als Loge: Ihnen allen lauscht man mit viel Genuss.

Das Zusehen ist ohnehin ein Gewinn. Und manchmal eine Überforderung. Die allerdings ist Teil des Systems, denn gemeinsam mit seinem Bühnenbildner Jo Schramm verortet David Hermann das Geschehen auf mehreren Ebenen der Drehbühne, und indem er seinem „Rheingold“ die gesamte Handlung der Folgetage einverleibt, werden auf der Bühne außerdem unterschiedliche Handlungsstränge aus unterschiedlichen Zeitebenen verhandelt. Da ist die Inszenierung Wagners Partitur mit ihrem komplexen Geflecht von Rück- und Vorausblicken ganz nah.

Der Herzschlag des Helden hämmert metallisch

Die Irritation beginnt früh. Während Wotan und Fricka zanken, fällt ein Mann vom Hausdach in ihr Wohngemach: Ein Statist ist Sigmund, und als sich die ganze tragische Liebesgeschichte mit Sieglinde wie im Zeitraffer stumm neben und über dem „Herrliche Wohnung, wonniger Hausrat!“ des Götterpaares abspielt, stellt sich ein, was bei Wagner-Produktionen selten zu sehen ist: spielerische Ironie.

Stark ist, wie der Regisseur dabei Motive logisch parallel setzt: Während Loge unten bei Wotans aus dem Schwedenofen kriecht, bettet sich oben Brünnhilde im Feuerzauber zum Schlaf. Vor der Fahrt nach Nibelheim huscht im Hintergrund die schwangere Sieglinde vorbei; Wotan findet auf dem Weg hinab die tote Mutter mit dem Baby Siegfried, und was dann da im Orchestergraben metallisch hämmert, ist nicht etwa der Klang der Schmiede, sondern der Herzschlag des Helden.

Als Wotan diesem nochmals lauscht, ist Siegfried schon ein Mann, der nach der Tötung des Drachens mitsamt seinem Waldvögelein spazieren geht. Im selben Moment, in dem Wotan Alberich den Ring vom Finger zieht, tut dies auch Siegfried bei Brünnhilde, und spätestens wenn beim Fluch Alberichs sein Sohn Hagen neben ihm steht, spürt man, wie intelligent diese Inszenierung erdacht und gemacht ist, die so nur als Solitär entstehen konnte und doch den Primat der Einzelperspektive lustvoll unterminiert.

Am Ende kommt Hermann noch einmal auf das Bild des Anfangs zurück. Erda wirft den Ring in den Rhein, und es regt sich: das Leben. Alles kann noch einmal von vorne beginnen. Wie schrecklich! Und was für ein Trost.

Vorstellungen am 14. und 20. Juli. Weitere Informationen unter www.staatstheater.karlsruhe.de