Zwölf von 13 Erstligisten im Ringen drohen dem Verband mit Rückzug. Der Streitpunkt: die Bundesligisten fordern mehr Mitsprache und Mitbestimmung ein, etwa bei Strukturen, Änderungen der Gewichtsklassen oder dem Einsatz von Ausländern und den Gebühren.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Wenn die Formulierung „Quo vadis?“ fällt, ist die Lage ernst, aber nicht immer hoffnungslos. Viele denken bei dem lateinischen Spruch („Wohin gehst du?“) möglicherweise ja nicht zuallererst an die Ringer-Bundesliga, sondern vielleicht eher an den gleichnamigen Film mit Peter Ustinov als Kaiser Nero, der Rom niederbrennen lässt. Das filmische Drama um Rom ist von 1951, das sportliche Drama ums Ringen ist von 2015. „Quo vadis 1. Ringerbundesliga?“ – unter dieser Fragestellung trafen sich nämlich am Sonntag die Vertreter der Erstligisten, und es ging um nichts weniger als die weitere Existenz der Eliteliga des Ringkampfsports.

 

Stand jetzt besteht die Bundesliga 2015/2016 nämlich aus – dem ASV Mainz 88. Das klingt wie ein Witz, ist aber keiner.

Es brennt mächtig im deutschen Ringen, es besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Bundesliga – sinnbildlich – untergeht wie damals Rom. Vereinfacht gesagt geht es in dem Ringkampf abseits der Matte darum, dass die Bundesligisten beim Deutschen Ringer-Bund (DRB) mehr Mitsprache und Mitbestimmung einfordern, etwa bei Strukturen, Änderungen der Gewichtsklassen oder dem Einsatz von Ausländern und den Gebühren. Der Verband sieht keine Notwendigkeit dafür und verweist auf die jährliche Bundesdelegiertenversammlung, die die jeweiligen Regeln beschließe.

Nur Mainz hat regulär eine Lizenz beantragt

Der Streit über eine stärkere Autonomie der Bundesliga nach dem Vorbild anderer Sportarten, in denen die höchste Liga oft eigenständig ist, hat dazu geführt, dass die Bundesliga zu implodieren droht. Nur Mainz hat regulär eine Lizenz für die neue Saison beantragt, Triberg nimmt sein Abstiegsrecht gerne wahr, und die verbleibenden zwölf Mannschaften meldeten sich nur unter Vorbehalt für die Runde 2015/16 an. So ein Vorbehalt aber, sagt der DRB, sei nicht mit der Satzung vereinbar, formal also falsch. Womit aus Verbandssicht nur ein Erstligist für die neue Saison gemeldet hat.

Der Verband und die Erstligisten sind also auf Kollisionskurs – und beide drücken dabei beherzt aufs Gaspedal.

Da eine Liga mit nur einem Verein ein recht übersichtliches Spannungspotenzial böte, erdachte der DRB nun dies: Die ganze zweite Liga soll im Zweifelsfall aufsteigen und die Plätze des abtrünnigen Dutzends einnehmen. Vor wenigen Tagen versandte der DRB eine solche Mail an die Zweitligisten mit dem Hinweis, dass diese sich als Erstligisten fühlen könnten. Die neue Bundesliga würde dann aus 29 Mannschaften bestehen, die in zwei Zehner- und einer Neunergruppe ringen würden. So weit der Plan. Oder die Drohkulisse, wie man will.

Die Bundesligisten wollen mehr Mitspracherechte

Nun ist die Streitkultur im Ringen recht ausgeprägt, zwischen Verbänden und Bundesligisten gibt es schon seit vielen Jahren oftmals unterschiedliche Auffassungen. Der DRB wirft den Vereinen regelmäßig vor, nicht über den Tellerrand hinaus zu denken. Die Bundesligisten kritisieren seit Langem zu wenig Mitspracherechte. Die aktuelle Zuspitzung, ausgerechnet jetzt, da mit den Finalkämpfen um die Meisterschaft (siehe auch „Nendingen ist bereit“) der Höhepunkt der Saison ansteht, ist aber selbst im Ringen einmalig. Im schlimmsten Fall droht eine Spaltung des Ringsports.

„Die Entscheidungskompetenz muss beim Spitzenverband bleiben. Wir sind aber jederzeit gesprächsbereit. Ich sehe in diesem Interessenkonflikt auch eine Chance für eine vernünftige Lösung und eine Neustrukturierung. Doch wir werden und können nicht den Forderungskatalog der Vereine akzeptieren“, hat der DRB-Sportdirektor Jannis Zamanduridis zuletzt gesagt. Am Freitag werden sich nun drei Vertreter der Liga (aus Aalen, Köllerbach und Weingarten) mit dem DRB an einen Tisch setzen, darauf haben sich die Vereine auf ihrer Sitzung am Sonntag verständigt.

Der DRB-Präsident Manfred Werner will zu dem Thema nicht viel sagen, der Freitag ist der Tag der Tage, dann wird gesprochen. Miteinander statt übereinander. Vielleicht wird gleich eine Lösung gefunden, zumindest aber eine Gesprächsgrundlage für weitere Verhandlungen, das hoffen zumindest die Ringerfans in Deutschland angesichts der imageschädigenden Posse. Wobei sich die Bereitschaft im DRB zu großen Zugeständnissen wohl eher in Grenzen hält. Zu den Chancen einer Einigung am Freitag sagt Manfred Werner: „Das liegt an den Vertretern der Bundesliga.“