Empört reagieren Stefan Mappus’ Anwälte auf den Antrag des U-Ausschusses, seine alten Mails auszuwerten. Sie wollen nun per Gericht erzwingen, dass die Daten – wie richterlich rechtskräftig entschieden – tatsächlich gelöscht werden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Streit um die Mails von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) spitzt sich weiter zu. Mit juristischen Mitteln wollen Mappus’ Anwälte jetzt verhindern, dass der zweite Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz im Schlossgarten die Sicherungskopien aus dem Herbst 2010 erhält. Sie kündigten einen Antrag an das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit dem Ziel an, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg zu vollstrecken.

 

Der VGH hatte aus Gründen des Datenschutzes entschieden, dass die Mails zu löschen seien, zuvor aber dem Landesarchiv zur Übernahme angeboten werden müssten. Nachdem der U-Ausschuss die Daten am Freitag überraschend angefordert hatte, wurde die für Montag geplante Übergabe und Löschung verschoben. Darüber zeigte sich Mappus’ Anwalt Christoph Kleiner empört. „Es ist ein unerhörter und einzigartiger Vorgang, dass der Staat sich nicht an rechtskräftige Urteile hält“, sagte er. Beim Verwaltungsgericht Stuttgart werde man eine einstweilige Anordnung gegen das Land beantragen, die Daten nicht an den Ausschuss herauszugeben. Das Gremium folge zwar den Regeln der Strafprozessordnung, habe aber keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbefugnisse, argumentierte Kleiner laut dpa; es sei „keine Ersatz-Staatsanwaltschaft“.

Beweismittel wichtiger als Datenschutz?

Dagegen hatte die grün-rote Mehrheit auf einen Passus im VGH-Urteil verwiesen, nachdem das Beweiserhebungsrecht Vorrang vor dem Datenschutz habe. Dies gelte für den Ausschuss in gleichem Maße wie im Strafverfahren. Die Staatsanwaltschaft hat die Mappus-Mails bereits dreimal beschlagnahmt und unter verschiedenen Aspekten ausgewertet, zuletzt wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage gegen den Ex-Ministerpräsidenten.

Grüne und SPD verlangen Einblick nicht nur in die Mails von Mappus, sondern auch in die zweier leitender Beamter aus dem Staatsministerium und des PR-Beraters Dirk Metz. Außerdem wollen sie die elektronische Korrespondenz von Ex-Ministerin Tanja Gönner und ihres einstigen Ministerialdirektors Bernhard Bauer (beide CDU) auswerten. Dafür haben die Regierungsfraktionen folgendes Verfahren vorgeschlagen: Die betreffenden Daten sollten ungelesen an den Ausschuss übermittelt werden. Dort würden – gegebenenfalls unter Beteiligung eines Richters – private Mails und solche ohne Bezug zum Untersuchungsgegenstand ausgesondert. Dann sollten die betroffenen Ministerien prüfen, ob die Daten unter den „Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung“ fielen. Erst mit den verbliebenen Mails könne der Ausschuss dann arbeiten.

Tanja Gönner muss Farbe bekennen

Aus dem Staatsministerium hieß es am Montag, man sei dabei, die neue Situation zu prüfen; es gehe um „schwierige und ungeklärte Rechtsfragen“. Vor jedem Schritt würden die Betroffenen gehört und beteiligt. Ein Sprecher des Umweltministeriums kündigte an, man werde die Betroffenen „über das Ansinnen des U-Ausschusses informieren“ und zugleich die nötigen technischen Vorbereitungen treffe. Wer mit der Herausgabe seiner Mails nicht einverstanden sei, könne einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Aus dem Geschäftsbereich der früheren drei mit Stuttgart 21 befassten Ressorts sind noch 600 Mail-Konten aus dem Jahr 2010/11 vorhanden. Diese wurden damals wegen der Neuverteilung der Zuständigkeiten gespeichert.

Die Ex-Ministerin Tanja Gönner, die heute Chefin der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist, muss nun Farbe bekennen. Bereits im März hatten die Grünen im Ausschuss sie aufgefordert, ihre dienstlichen Mails zur Verfügung zu stellen; darauf reagierte sie bisher nicht. Gegenüber der StZ ließ sie damals erwidern, ihr liege noch keine offizielle Anfrage vor. Zum aktuellen Beweisantrag des Gremiums war von Gönner zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Eilantrag vom Verwaltungsgericht abgelehnt

Ihr einstiger Amtschef Bernhard Bauer teilte mit, er werde auf Fragen der StZ „keine Stellungnahme abgeben“. Gegen Bauer ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage im ersten Ausschuss; weitere Beschuldigte in dem Verfahren sind Mappus und der frühere Landespolizeipräsident Wolf Hammann.

Bereits am Freitag beschäftigte sich auch das Verwaltungsgericht Stuttgart erneut mit den Mappus-Mails. Es lehnte den Eilantrag eines ehemaligen Richters ab, die geplante Löschung vorläufig zu unterlassen. Begründet wurde dies mit einem Auskunftsanspruch nach dem Umweltinformationsgesetz. Das Gericht stellte fest, der Datenschutz habe Vorrang vor einem Informationsanspruch. Zudem könne das Staatsministerium nicht mehr über die Mappus-Mails verfügen, da diese nach dem rechtskräftigen VGH-Urteil gelöscht werden müssten. Der CDU-Abgeordnete Reinhard Löffler warf der Regierung daraufhin vor, den Ausschuss getäuscht zu haben. Ihr Vertreter habe fälschlich gesagt, das Verfahren tangiere den Ausschuss nicht. Auf dieser Grundlage seien die fragwürdigen Beweisbeschlüsse gefasst worden.