Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Robert Zollitsch wegen Beihilfe zum Missbrauch. Es geht um die Zeit zwischen 1983 und 2003.

Freiburg - Es ist noch nicht lange her, da hat Robert Zollitsch seinem Amtskollegen Walter Mixa ein paar wohlmeinende Worte mit auf den klerikalen Weg gegeben. In seiner Funktion als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz riet Zollitsch dem Augsburger Bischof im April öffentlich zu "einer Zeit der geistlichen Einkehr und der räumlichen Distanz". Wenig später reichte Walter Mixa seinen Rücktritt bei Papst Benedikt XVI. ein.

Mittlerweile steht Robert Zollitsch, Oberhirte von 25 Millionen katholischen Christen in Deutschland, selbst unter Druck. Nachdem er schon bei der Aufarbeitung eines Missbrauchsfalls in Oberharmersbach kritisiert worden war, weil er einen belasteten Priester nicht angezeigt, sondern in den Ruhestand versetzt hatte, ist jetzt die Strafanzeige eines 53-jährigen Missbrauchsopfers aus der Bodenseeregion bei der Staatsanwaltschaft in Freiburg gelandet, derentwegen gegen Robert Zollitsch wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Kindern ermittelt wird. Dies hat der Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier von der Staatsanwaltschaft Freiburg gegenüber dem "Südkurier" bestätigt.

Es geht um die Zeit zwischen 1983 und 2003, in der Zollitsch als Personalreferent der Erzdiözese Freiburg Verantwortung getragen hat. Der Kirchenfunktionär soll damals vor rund zwanzig Jahren fahrlässig in Kauf genommen haben, dass ein als pädokriminell bekannter Priester mit Kindern in Kontakt kommt. Bei dem Priester handelt es sich um Pater G., der in den sechziger Jahren in der Nähe von Überlingen eingesetzt war, später ins Bistum Basel wechselte und 1987 wieder an die Klosterkirche Birnau am Bodensee zurückkam.

Wusste der Bischof von den sexuellen Übergriffen?


Der Mann, der Zollitsch bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat, war Ende der sechziger Jahre Ministrant in der Birnau und wurde dort- als einer unter anderen - Opfer sexueller Gewalt durch Pater G. Wie inzwischen bekannt ist, wussten bereits die Verantwortlichen des Bistums in Basel, dass der Geistliche "die vorherigen Einsatzorte wegen unerlaubten sexuellen Handlungen hatte verlassen müssen". Daraus zieht der 53-jährige Anzeigeerstatter den Schluss, dass die früheren sexuellen Übergriffe von Pater G. in dessen Freiburger Personalakten vermerkt waren, als dieser zurück an den Bodensee kam. Sie hätten seiner Auffassung nach dem damals zuständigen Personalreferenten der Erzdiözese, Robert Zollitsch, bekannt sein müssen.

Der Pressesprecher des Erzbistums Freiburg bezeichnete die Anschuldigungen als haltlos: "Der Verdacht eines strafbaren Verhaltens von Robert Zollitsch im Zusammenhang mit dem Kloster Birnau entbehrt jeder Grundlage." Es sei erst Ende 2006 bekannt geworden, dass es bereits in den sechziger Jahren einen Fall von Missbrauch in Birnau gegeben habe. Robert Zollitsch habe als zuständiger Personalreferent der Erzdiözese keinesfalls eine erneute Einstellung des schwer belasteten Paters in Birnau veranlasst. Die Zusammensetzung der Klostergemeinschaft werde "vom Abt des Ordens eigenständig geregelt".

Der Freiburger Bischof, so viel steht fest, wird zunehmend mit einer Vergangenheit konfrontiert, die sein Amt beschädigt. Dies umso mehr, als es in Oberharmersbach im Ortenaukreis noch einen Missbrauchsfall gibt, in dem er eine umstrittene Rolle gespielt hat. Von 1968 bis 1991 hatte in der 2500 Einwohner zählenden Schwarzwaldgemeinde der Priester Franz B. gewirkt. In dieser Zeit hat der Geistliche 737 Babies getauft, 277 Ehen geschlossen, 400 Bürger bei ihrem letzten Gang begleitet - und mindestens 17 Kinder aus der Gemeinde sexuell missbraucht.

Das Thema ist noch immer aktuell


Als die Sünden des Pfarrers 1991 ruchbar wurden, versetzte ihn der Personalreferent Zollitsch in den Ruhestand. Die wahren Hintergründe wurden den Oberharmersbachern verschwiegen. Zollitsch hielt es auch nicht für nötig, den Geistlichen bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Dafür seien die Verdachtsmomente gegen den Beschuldigten zu vage gewesen, heißt es von Seiten der Diözese. Für die Gemeinde war der Vorgang in jedem Fall äußert seltsam. "Von einem Tag auf den anderen fehlte plötzlich unser Pfarrer", erzählt der Geschichtslehrer und Ortschronist Karl-August Lehmann. Drei Wochen später kam der Geistliche zurück und wurde offiziell krankheitsbedingt mit "Großer Gott, wir loben dich" verabschiedet. Die Gemeinde kürte den langjährigen Seelsorger bei dieser Gelegenheit zum Ehrenbürger.

Franz B. hatte vom Bistum die Auflage bekommen, sich in seinem Altenheim fernzuhalten von Kindern- und Jugendlichen. Er tat es nicht, wie Zeugen berichten. Der Geistliche lebte vielmehr unbehelligt, bis sich 1995 ein Missbrauchsopfer bei der Staatsanwaltschaft meldete und Ermittlungen in Gang kamen. Wenig später nahm sich Pfarrer Franz B. das Leben.

"Das Thema ist bei uns noch immer sehr aktuell", sagt Bürgermeister Siegfried Huber, auch wenn der Pfarrer längst nicht mehr Ehrenbürger sei. Der Geistliche habe die Gemeinde in einem Abschiedsbrief selbst darum gebeten, ihm diese Würde abzuerkennen. Auch sonst ist das so eine Sache mit der Würde. Karl-August Lehmann erinnert sich noch gut an ein Telefongespräch, das er 1995 mit dem damaligen Personalreferenten Robert Zollitsch führte, nachdem Betroffene bei dem Lehrer Rat und Hilfe gesucht hatten. "Seine christliche Nächstenliebe hat sich in einem Satz ausgedrückt, der sich in meine Seele eingebrannt hat", berichtet Lehmann. Auf die Frage, was er zu tun gedenke, habe Zollitsch geantwortet: "Was wollen Sie eigentlich, Herr Lehmann. Der Pfarrer ist tot, die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht gegen einen Toten. Für uns ist die Sache erledigt."

Für die Opfer ist sie es nicht. Einige werden noch immer psychologisch betreut, andere haben erst jetzt gewagt, ihre Geschichte öffentlich zu machen. Vor wenigen Tagen meldete sich ein Mann bei der Diözese, der berichtete, er sei von dem Geistlichen missbraucht worden, schon bevor dieser nach Oberharmersbach kam. Damals war Franz B. in Waldshut als Seelsorger eingesetzt. Ein weiterer Priester, der wegen seiner Sünden gezielt in die nächste Gemeinde verschoben wurde? Findet sich davon etwas in der Personalakte? "Bei der Versetzung von Waldshut nach Oberharmersbach gab es auf den Missbrauch keine Hinweise", sagt ein Sprecher der Diözese.