Vor dem heutigen Auftaktspiel spricht VfB-Sportvorstand Robin Dutt über die Fehler der Vergangenheit, die Lehren für die Gegenwart und die Perspektiven für die Zukunft.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart – Heute um 17.30 Uhr startet der VfB Stuttgart gegen den 1. FC Köln in die neue Saison. Der Manager Robin Dutt ist zuversichtlich – wenn auch nicht so euphorisch wie viele Fans.

 
 
Herr Dutt, die Zeit vor dem Saisonstart ist traditionell ja auch die Zeit der Prognosen. Was war denn die lustigste Vorhersage, die Sie in diesen Wochen zum VfB gehört haben?
Recht amüsant ist vor allem, in welchem Tempo sich Wahrnehmungen verändern können. So sind wir in den fiktiven Bundesligatabellen einiger Experten unheimlich schnell nach oben geklettert – obwohl zwischen dem Saisonfinale im Mai in Paderborn und dem Auftakt der neuen Runde nur eine Vorbereitungsphase gelegen ist, in der kein Bundesligaspiel stattgefunden hat.
Trotzdem ist nun vieles anders. Wie beurteilen Sie diese Wertschätzung, die der VfB bei Fachleuten plötzlich genießt?
Natürlich freut uns das, aber auf der anderen Seite ist es auch erstaunlich, weil die Liga ja noch gar nicht begonnen hat. Ohnehin können wir das alles einordnen. Denken wir mal drei Monate zurück. Wir wissen, wo wir herkommen und dass wir lange Zeit mit einem Bein in der zweiten Liga waren. Deshalb ist nach wie vor Zurückhaltung angebracht. Von uns werden Sie keine großen Töne hören.
Optimistisch gehen Sie aber schon in die neue Runde?
Für mich ist es wichtig zu sagen, was unser Ziel ist – und was unternommen wurde, damit wir dieses Ziel auch erreichen.
Erstens: was ist das Ziel?
Das haben wir klar formuliert – ein gesicherter Mittelfeldplatz. Und schön wäre es, wenn wir nicht erst am 34. Spieltag ins gesicherte Mittelfeld rücken würden, sondern vielleicht schon im Februar oder März abschätzen könnten, dass es am Ende auf eine solche Platzierung hinausläuft.
Zweitens: was haben Sie denn konkret unternommen, um dieses Ziel zu erreichen?
Einiges. Unser neuer Trainer Alexander Zorniger hat unsere Spielidee und die entsprechenden Inhalte in den vergangenen Wochen bei den Spielern verankert. Die Entwicklung ist offensichtlich. Wir haben den Mannschaftskader umstrukturiert, auch um die Konkurrenzsituation auf den einzelnen Positionen zu verschärfen. Und wir haben das Umfeld des Teams professionalisiert, etwa indem wir in Philipp Laux einen Sportpsychologen eingestellt haben und mit Philipp Rauscher einen Ernährungsberater beschäftigen. Auf diese Weise haben wir Rahmenbedingungen geschaffen, um erfolgreich sein zu können.
Worauf beruht Ihre Zuversicht sonst noch?
Zuversichtlich sind gerade alle 18 Bundesligaclubs. Entscheidender ist für mich die Frage, ob wir auch alles dafür getan haben, dass ein guter Saisonstart kein Zufall ist.
Wie lautet die Antwort?
Ja.
Die Fans fiebern der neuen Saison entgegen. Wie nehmen Sie die Stimmung in den Kreisen rund um den VfB wahr?
Was da passiert, ist außergewöhnlich. So viele Dauerkarten und Trikots hat der Verein lange nicht verkauft. Diese Begeisterung und diese Vorfreude wollen wir nicht bremsen – obwohl wir aufpassen müssen, dass die Erwartungen nicht zu hoch geschraubt werden.
Die Hoffnungen der Anhänger gründen auf der Qualität der Mannschaft. Lassen Sie sich als Manager an diesem Kader messen?
Ich will mich der Verantwortung da sicher nicht entziehen, aber als Vorstand wird man noch mehr an seiner ganzheitlichen Arbeit gemessen, die weit über die Kaderzusammenstellung hinausgeht. Zu diesem übergeordneten Bereich gehört beispielsweise, wie man mit Krisen umgeht – und mit positiven Phasen.
Letzteres wäre jetzt natürlich besser.
Ich habe auch deshalb ein gutes Gefühl, weil wir den Übergang von der alten Saison mit dem Trainer Huub Stevens zur neuen Saison mit dem Trainer Alexander Zorniger fließend geschafft haben. Zudem sind die Spieler durch die Siege am Saisonende mit einem anderen Selbstbewusstsein ausgestattet – und die Neuzugänge haben sich gut integriert. Da ist viel Energie zu spüren. Momentan macht es Spaß, aber wir wissen, dass dieser Spaß letztlich von den Ergebnissen abhängig ist.
Die alte Saison und die noch länger zurückliegende Vergangenheit haben Sie im Mai in einer viel beachteten Pressekonferenz abgehandelt, in der Sie die Fehler schonungslos angesprochen haben. Wie sind die Reaktionen darauf ausgefallen?
Das Feedback hat uns gezeigt, dass diese Analyse zwingend notwendig war. Aber klar war schon vorher, dass das keine Pressekonferenz wird, für die man eine hundertprozentige Zustimmung bekommt. Entsprechend groß war dann die Bandbreite. Viele haben unseren Ansatz als positiv empfunden, doch einigen hat es auch nicht gefallen. Das ist normal. Völlig unabhängig von der Resonanz ging es uns um die Frage: Was können wir künftig besser machen?
Und?
Manches haben wir ja schon umgestellt und auf der Pressekonferenz im Mai bekanntgegeben.
Wenn Sie heute noch mal die Wahl hätten – würden Sie die Missstände dann wieder so direkt benennen wie damals?
Inhaltlich und von der Sache her auf jeden Fall. Da war das absolut in Ordnung, aber vielleicht hätte man noch etwas deutlicher zum Ausdruck bringen können, dass das personenunabhängig gemeint war. Unsere Absicht war es nicht, Verantwortliche aus alten Tagen an den Pranger zu stellen.
Viele interpretierten Ihre Aussagen aber so, dass sie gegen Fredi Bobic gerichtet waren.
Das ist der einzige Punkt, bei dem ich mich nicht gerecht wiedergegeben fühle – weil medial alles auf eine Person bezogen wurde. Es gibt eine längere Vorgeschichte. Und wir wollten erklären, was wir planen, um wieder an bessere Zeiten anknüpfen zu können – etwa eine engere Verzahnung zwischen Profis, Jugend und Scouting.
Sind Sie mit Fredi Bobic im Reinen?
Das ist eine private Angelegenheit. Darüber spreche ich in der Öffentlichkeit nicht.
Ein anderes Thema ist Vedad Ibisevic. Darf er nicht mehr am Mannschaftstraining teilnehmen, wenn er keinen neuen Verein findet?
Für sein Verhalten ist das Wort professionell unzureichend. Denn das würde bedeuten, dass er nur trainiert und sein Gehalt bekommt. Aber er macht mehr, wenn ich sehe, wie er mit seinen Mitspielern umgeht oder mit den Fans kommuniziert. Das ist nicht professionell, sondern hochprofessionell. Deshalb wird es für Vedad keine „Trainingsgruppe zwei“ geben – schon aus Respekt seiner Person gegenüber nicht.
Ihr ursprünglicher Anspruch war, mehr Fußballkompetenz in den Verein zu holen. Wurde das schon umgesetzt?
In Philipp Laux, Günther Schäfer und Joachim Cast haben wir drei Leute dazugeholt, die dieses Kriterium erfüllen – neben anderen Eigenschaften wie der erforderlichen Fachkompetenz, die sie ebenfalls mitbringen. Das passt.
Das heißt, Ihr Anspruch ist bereits erfüllt?
Es wird keinen Endzustand geben – das muss jeder wissen. Wir brauchen Mitarbeiter, die täglich an ihre Grenzen gehen – damit die Spieler das auch tun. Aber ich führe deshalb mit keinem Angestellten Motivationsgespräche oder zeige ihm die Gelbe Karte, denn die Entwicklung beim VfB in den letzten Jahren war für alle im Club die Gelbe Karte – oder sogar die Dunkelgelbe.