Bei einer Fehde werden zwei Rocker in Heidenheim angeschossen - einer stirbt. Der Ulmer Polizeichef rechnet nun mit Rache von der Gegenseite. Folgt eine Spirale der Gewalt?

Ulm - Nach tödlichen Schüssen auf einen Rocker in Heidenheim im April rechnet der Ulmer Polizeipräsident Christian Nill mit weiterer Gewalt. Er geht von einer Fortsetzung des Machtkampfs zwischen den United Tribuns und den Black Jackets aus. „Es gibt jetzt noch was, was offen ist, was noch nicht geklärt ist“, sagte der Beamte der Deutschen Presse-Agentur. „Was uns umtreibt, ist, dass die Auseinandersetzungen der Gruppierungen so ausstrahlen, dass Unbeteiligte betroffen werden.“

 

Im Südwesten artet eine Fehde unter rivalisierenden Rockerbanden immer wieder in Gewalt aus. Im April stritten sich vor einem Friseurladen in Heidenheim drei Mitglieder der Black Jackets mit zwei Brüdern der United Tribuns. Dann eskalierte die Lage. Einer der Black-Jackets-Rocker zog eine Pistole, schoss die beiden Kontrahenten nieder. Den 29 Jahre alten Vizepräsidenten der United Tribuns trafen drei Kugeln in den Bauch. Er starb zwei Tage später im Krankenhaus. Die Polizei geht von einem zufälligen Treffen aus, dass dann rasch eskaliert sei.

Der 25 Jahre alter Bruder des Getöteten wurde lebensgefährlich verletzt, ist aber über den Berg. Er habe inzwischen ausgesagt, bestätigte die Staatsanwaltschaft Ellwangen. Zum Inhalt und zum Stand der Ermittlungen machte die Behörde keine näheren Angaben. Der mutmaßliche Schütze sitzt in Untersuchungshaft. Das Ulmer Chapter der Tribuns postete nach den tödlichen Schüssen auf Facebook den Spruch: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“

Enge Verbindungen zur Türsteher- und Bodybuilderszene

Black Jackets wie United Tribuns stammen aus dem Südwesten, sie sind eng mit der Türsteher- und Bodybuilderszene verzahnt. Die Ermittler sprechen dabei nicht von Rockern wie etwa bei den Hells Angels, sondern von rockerähnlichen Gruppierungen - die fahren allgemein zwar laut Innenministerium kein Motorrad, sind aber ebenso gefährlich. „Denen geht es allen um wirtschaftliche Interessen, denen geht es um Waffenhandel, denen geht es um Drogen, denen geht es um Prostitution, um Menschenhandel.“

Die beiden Gruppen stehen seit längerem auf Kriegsfuß. Die United Tribuns wollten sich seit geraumer Zeit in der Donaustadt „breit machen“. „Reine Gebietskämpfe“, sagte Nill dazu.

Die Polizei antwortete auf den gewaltsamen Tod eines 29 Jahre alten Rockers in Heidenheim mit erhöhter Präsenz in der Szene. „Wir wollen nicht die kleinen, oberflächlichen Erfolge“, sagte Polizeipräsident Nill. „Wir wollen in das Herz von so einer Gruppierung vorstoßen.“ Aber die Ermittlungen gestalteten sich schwierig. „Es ist extrem schwierig, einen Fuß in so eine Gruppierung zu bekommen.“ Die Beweisführung bei Prozessen sei sehr komplex und aufwendig.

Eherne Gesetze unter Rockern

Denn: Rocker sagen fast nie gegen andere Rocker aus. „Wir haben eine Parallelgesellschaft, da gibt es ein paar eherne Gesetze“, sagte Nill. „Es gelingt nur in Einzelfällen, jemanden herauszubrechen aus dieser Klientel - den können sie aber gleich ins Zeugenschutzprogramm tun“, meinte Nill. „Der ist in der Regel hochgefährdet.“

Der Polizei seien teils die Hände gebunden. „Wir fühlen uns nicht machtlos, aber herausgefordert.“ Bei den Bordellen in Ulm handle es sich beispielsweise um genehmigte Gewerbebetriebe. „Angst im Sinne von unmittelbarer Konfrontation haben wir eigentlich nicht“, sagte Nill. Aber die Polizei sorge sich um die Gesundheit Unbeteiligter. So sei vergangenen Juni ein Sprengsatz an einer Shisha-Bar in der Ulmer Innenstadt explodiert. „Da hätte auch ein Bürger mit seinem Hund spazieren gehen können. Der Sprengsatz war nicht kontrollierbar.“ Kurz zuvor waren Schüsse auf ein Ulmer Bordell abgefeuert worden.

Droht mehr Gewalt? Das Landeskriminalamt (LKA) will keine gesonderte Bewertung zur Sicherheitslage abgeben, vertraut aber der Einschätzung der Ulmer Polizei. „Die sind da einfach näher dran“, sagte ein LKA-Sprecher.