„Ein Traum von Rom“: das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart zeigt in einer neuen Ausstellung, wie man damals an Rhein und Neckar lebte – und dabei alles gab, um den „Way of life“ der Römer zu kopieren.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Eitel waren die Menschen schon immer. Deshalb hatten die Römer leichtes Spiel. Die Männer, die in den römischen Siedlungen die Geschäfte führten, bekamen selbstverständlich kein Gehalt. Im Gegenteil: sie mussten ihren Mitarbeiterstab selbst finanzieren, sie waren verpflichtet, Feste und Spiele fürs Volk ausrichten. Es wurde erwartet, dass sie sich finanziell an großen Bauvorhaben beteiligten. Und nach einem Jahr mussten sie ihr Ehrenamt auch schon wieder abgeben.

 

Trotzdem gab es Männer genug, die einer der beiden „Duoviri“ werden wollten, die die Siedlungen jenseits von Rom regierten. Denn ihnen winkte das römische Bürgerrecht. Und mit etwas Glück bekamen sie sogar die Genehmigung, eine Statue von sich selbst anfertigen und öffentlich aufstellen zu lassen – selbstverständlich im typisch römischen Gewand, der Toga.

In Ladenburg und Trier will man wie in Rom leben

Glaskugeln zur Aufbewahrung Foto: T. Zühmer
Ob im heutigen Ladenburg, Trier oder Bad Wimpfen – in den ersten Jahrhunderten nach Christus strebten jene, die etwas auf sich hielten, nach „Romanitas“ und gaben alles, um den Way of life der Römer zu kopieren. „Ein Traum von Rom“ nennt sich entsprechend die neue Sonderausstellung im Landesmuseum Württemberg. Im Alten Schloss in Stuttgart wird „Römisches Stadtleben in Südwestdeutschland“ vorgestellt. Denn in den Städten und Siedlungen an Rhein und Neckar herrschte nicht nur römisches Recht. Wer es sich leisten konnte, der aß, wohnte und kleidete sich wie in Rom.

350 Objekte, riesige Steinsockel und winzige Bleiblättchen werden gezeigt, Skulpturen, die Kopf und Gliedmaßen eingebüßt haben, aber auch herrlich erhaltene Bodenmosaike. Das Rheinische Landesmuseum Trier hat die Ausstellung zuvor gezeigt und hierzu seine Depots geplündert. Das Trierer Museum hat die Keller voller Zeugnisse aus den ersten Jahrhunderten nach Christus. Denn anders als die Siedlungen in Baden-Württemberg entwickelte sich Trier zu einer wichtigen Metropole der Zeit und einer der größten Städte nach Rom. Deshalb werden die Archäologen hier noch heute fündig. Die Wand mit großen roten Farbfeldern und schwarzen Trennstreifen, die nun im Alten Schloss präsentiert wird, wurde erst 2006 in der Fleischstraße in Trier entdeckt.

Figürliche Dekorationen im Wohnzimmer

„Nichts Besonderes“, hätten die Zeitgenossen vermutlich herablassend gesagt, denn mit farblich gestalteten Wänden konnte man zwar „Romanitas“ beweisen, wer aber wirklich wohlhabend war, der leistete sich figürliche Darstellungen im Wohnzimmer – oder besser noch im gesamten Haus. Auf einer Sockelzone einer Villa in Bad Wimpfen wurde im 2. Jahrhundert nach Christus eine Ladenszene dargestellt – und im Alten Schloss kann man jetzt der Kundschaft beim Shopping zuschauen.

Der Handel blühte in den Siedlungen. Bad Cannstatt war ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt, hier kreuzten sich die Verkehrsströme. Die Waren, die man aus aller Welt bezog, wurden mit Schiffen und auf der letzten Etappe mit Karren transportiert. Aus Syrien kamen Datteln, aus Tunesien Marmor, aus Südspanien Olivenöl und aus dem Atlantik kiloweise Austern. In Trier wurden sogar Hinweise gefunden, dass man Zimt und Pfeffer aus Indien besaß. Denn schon damals gab es Etiketten an den Waren. An den riesigen Keramikgefäßen, in denen zum Beispiel die damals äußerst beliebte, würzige Fischsoße geliefert wurde, hing jeweils ein graviertes Bleitäfelchen.

Kulinarische Genüsse

Diese kleinen Blättchen kann man in den Vitrinen im Landesmuseum leicht übersehen – wie auch die zarten, farbigen Glaskugeln, in denen Parfum oder Schminkpulver verkauft wurde. Nach der Benutzung wurden die Einwegverpackungen weggeworfen, beziehungsweise recycelt, denn man war sich des Werts der Rohstoffe wohl bewusst.

Aber es wurden in den Siedlungen nicht nur Waren importiert. Die Trierer Keramik entwickelte sich zu römischer Zeit zu einem wahren Verkaufsschlager. Die blauen Trinkbecher und Weinkrüge waren mit munteren Trinksprüchen versehen wie „Fülle noch einmal“, „Gib warmen Wein“ oder „Es erfreut“.

Eine Amor-Darstellung. Foto: T. Zühmer
Mit dem armen Atto hat es vermutlich kein gutes Ende genommen. Der gute Mann wollte sich mit einer Töpferei in Rottweil niederlassen. Doch die erste Produktion misslang. Die Fehlbrände landeten im Müll, wo sie Jahrhunderte später von Archäologen gefunden wurden. Weitere Stücke mit der Signatur „Atto Fec“, also „von Atto gefertigt“ hat man in Rottweil nicht mehr ausgegraben, vermutlich ging der arme Atto nach dem Fehlstart bankrott.

Schicksale von Menschen wie du und ich

So erzählt die von Nina Willburger kuratierte Ausstellung manches Schicksal aus dem prallen Leben vor fast zweitausend Jahren, in dem die Menschen im Grunde wie du und ich waren. Zumindest zeigen die Trierer Porträts aus der Zeit zwischen dem ersten und dritten Jahrhundert Gesichter, wie man sie auch heute noch finden könnte: Frauen, Männer und Kinder, die eine mit tiefen Falten um den Mund, der andere mit Gaumenspalte.

Dennoch fordert die Ausstellung einiges von ihren Besuchern ab und ist sehr textlastig. Vieles will eben erklärt sein – ob es um die Duoviri und den Rat der Decuriones geht oder um die verschiedenen Verwaltungsformen. So durfte sich eine Siedlung unabhängig von der Bevölkerungszahl nur dann Stadt nennen, wenn sie vom Kaiser die Stadtrechte erhielt. Auf langen Texttafeln werden die Hintergründe zu Colonia Augusta Treverorum, dem heutigen Trier erläutert oder zu Köngen, das damals Vicus Grinario hieß. Bei vielen Ausstellungsstücken spielt Schrift eine zentrale Rolle, die in Sockel und Steintafeln eingemeißelt wurde – und auch auf einem Relief eines Monuments aus Trier hält einer der beiden dargestellten Männer selbstverständlich eine Schriftrolle in der Hand.

Der normale Mensch trug einen Kapuzenmantel aus Wolle

Bei der kleinen Bronzefigur aus dem dritten Jahrhundert erkennt man aber auf Anhieb, wie sich das normale Volk hierzulande kleidete: nicht mit Toga, sondern die typisch keltische Tracht bestand aus Gamaschen, Schnürschuhen und einem Kapuzenmantel aus dicker Wolle.

In erster Linie erzählt „Ein Traum von Rom“ aber von den Mächtigen und Reichen, von der Oberschicht, die sich in ihren Villen herrliche Dekorationen leisten konnte wie das Bodenmosaik mit Bacchus, dessen Wagen von Tigern gezogen wird. Ein Wunder, dass das Mosaik aus dem dritten Jahrhundert erhalten geblieben ist, denn mit dem Niedergang des römischen Reiches hatte auch hierzulande der Traum von Rom ein Ende. Wandverkleidungen aus Marmor wurden zu Grabdeckeln umfunktioniert, während man die Statuen der eitlen Bürger in den Kalkbrennofen schob und als Baumaterial verwendete.

Ausstellung: Bis 12. April 2015, geöffnet dienstags bis sonntags, 10 bis 17 Uhr. Der Katalog kostet 24,90 Euro.