Bei einem Wasserrohrbruch sind am Samstag rund 2000 Kubikmeter Wasser ausgetreten und haben eine Schlammlawine verursacht. Die Häuser der Anwohner bleiben bewohnbar.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Für Zino Zimmermann war die Nacht zum Samstag jäh zu Ende. Der junge Mann, der am Anweiler Weg im Stuttgarter Stadtteil Kaltental wohnt, wachte durch lautes Rauschen auf. „Auf beiden Seiten des Hauses schoss das Wasser vorbei“, erzählt er. Und es war nicht nur Wasser, das sich da den Weg von Vaihingen kommend in Richtung Kaltental bahnte. Am dazwischenliegenden Hang reihen sich Gärten aneinander. Das Wasser nahm dort Erdreich auf – und die Schlammlawine richtete erheblichen Schaden an. Die Angaben zur Schadenshöhe schwanken zwischen mehreren Hunderttausend Euro und einer Million.

 

Als die Schlammlawine wieder in flacheres Gebiet kam, lagerte sie ihre Fracht ab. So türmte sich im Garten des Gebäudes Anweiler Weg 72 das Geröll gut einen dreiviertel Meter hoch. Der Gartenzaun hatte wie eine Staumauer gewirkt. Vom vor der Garage geparkten VW Golf ragte nur noch der obere Teil heraus. Das Auto stand bis zum Kühlergrill im angeschwemmten Erdreich. Zino Zimmermann hatte Zeit, sich den Schlamassel anzusehen. Kurz vor acht war er von der Feuerwehr aus dem Haus geholt worden. Sieben Stunden später erlaubten die Sicherheitskräfte, kurz in die Gebäude zurückzukehren. „Aber freigegeben sind sie noch nicht“, sagte Curt Esswein am Nachmittag, der ebenfalls am Anweiler Weg wohnt. Durch seinen Garten zieht sich eine tiefe Rinne, die das Wasser binnen weniger Minuten ins Erdreich gegraben hat.

Zwei Millionen Liter Wasser treten aus

Das Unglück nahm gegen 7.20 Uhr einige Höhenmeter über Kaltental seinen Anfang. Dort, am Ortsrand von Vaihingen, brach eine Wasserleitung der Energie Baden-Württemberg (EnBW). Die Röhre mit 60 Zentimeter Durchmesser transportiert Wasser vom Behälter auf der Rohrer Höhe zu jenem am Fernsehturm. Rund drei Millionen Liter Wasser seien bei dem Rohrbruch ausgetreten, schätzten Experten des Versorgungsunternehmens. Der Fußweg über der Unglücksstelle gab nach, die Asphaltschicht brach ein.

Das Austreten „gebirgsbachartiger Wassermassen“ meldete ein Fahrradfahrer kurze Zeit später der Polizei. Und auch bei der Feuerwehr gingen hintereinander mehrere Notrufe ein. Sieben Anwohner mussten von den Sicherheitskräften aus ihren Häusern gebracht werden. Bei der Bergung der eingeschlossenen Menschen und Haustiere setzte die Stuttgarter Feuerwehr ihre Tauchergruppe ein. Eine 73-jährige gehbehinderte Frau kam vorübergehend in einem Altenheim unter. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen niemand. Das bestätigte sich am Sonntag.

Parkende Autos beschädigt, der Stadtbahnverkehr ruht

Die durch Kaltental rauschenden Schlammmassen beschädigten allerdings mehrere abgestellte Autos. Und auch die Gleise der Stuttgarter Straßenbahnen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Um 7.48 Uhr musste die Linie U 1 in beide Richtungen unterbrochen werden. Das Verkehrsunternehmen setzte einen Buspendelverkehr zwischen Waldeck und Fauststraße ein. Das waren aber auch schon die einzigen Fahrzeuge, die die Kaltentaler Abfahrt benutzen durfte. Die ansonsten rege befahren Verbindung wurde für den Verkehr gesperrt. Noch am Nachmittag waren Arbeiter damit beschäftigt, das Gleisbett von Rückständen der Wasser- und Schlammmassen zu befreien. Andere reinigten mit Hochdruck die Fußgängerüberwege über die Schienen. Die Stadtbahnen fuhren erst wieder gegen 17 Uhr. 20 Minuten später wurden auch die Straßen wieder freigegeben.

Die EnBW hatte kurz nachdem sie auf den Schaden aufmerksam geworden ist, die Wasserversorgung über andere Leitungen sichergestellt. „Kein Kunde saß auf dem Trockenen“, sagte EnBW-Sprecherin Gabriele Fanta. Aus Sicherheitsgründen sei in den betroffenen Gebäuden die Stromzufuhr gekappt worden.

Experten überprüfen die Sicherheit in den Gebäuden

Die Anwohner mussten sich in Geduld üben, ehe sie sich wieder ihren Häusern nähern konnten. Zunächst waren Statiker vor Ort, die die Standsicherheit der Gebäude überprüfen sollten. Sie nahmen auch den Hang nach Vaihingen hinauf unter die Lupe. Ein Spezialist des Landesamts für Geologie und Bergbau war im Einsatz. Die Rückkehr der Anwohner verzögerte sich auch deshalb, weil die Feuerwehr am Hang oberhalb der Gebäude noch Steinquader inspizierte. Während der Untersuchung, bei der die Steine ins Rutschen hätten geraten können, sollte sich niemand in den Häusern aufhalten. In den Abendstunden wurden die Häuser aber wieder freigegeben. Die Ermittlungen der Geologen hätten ergeben, dass die Häuser weiter bewohnbar seien. Auch die Sicherheit des Hangs sei gewährleistet. Unklar blieb die genaue Höhe des Schadens. Die Polizei bezifferte ihn auf mehrere Hunderttausend Euro, die EnBW sprach von einer knappen Million.