Die Weltmarktpreise für Kupfer, Aluminium und Eisenerz sind so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Der massive Preisverfall hat mit den Spekulanten zu tun, die sich vom Markt abwenden. Er ist aber vor allem auf ein Überangebot zurückzuführen.

Stuttgart - Doch, es gibt sie noch, die Kupferdiebe. Vor Kurzem haben Unbekannte in Stuttgart versucht, die Kupferabdeckungen von einem Wasserhochbehälter zu stehlen. Erst wenige Wochen ist es her, dass Langfinger das edle Metall von der historischen Weilerkirche in Owingen (Bodenseekreis) und der dortigen Leichenhalle gerissen haben. Doch die wirklich lukrativen Zeiten sind vorbei. Nach der tiefen Wirtschaftskrise hatte der Kupferpreis zum Gipfelsturm angesetzt; 2011 wurde die Marke von 10 000 Dollar (8900 Euro) pro Tonne auf dem Weltmarkt überschritten. Aktuell ist der Rohstoff schon für knapp 5100 Dollar zu haben – ein Sechsjahrestief.

 

Die Entwicklung des Kupferpreises ist keine Ausnahme. Alle Rohstoffe, die die Industrie einsetzt – wie Nickel, Aluminium oder die Seltenen Erden – haben massiv an Wert verloren. Auch Eisenerz, der Rohstoff für die Stahlindustrie, ist so günstig wie seit zehn Jahren nicht mehr. 2011 kostete die Tonne noch 180 Dollar, derzeit sind es 50 Dollar. Im Juli sackte der Preis im Vergleich zum Vormonat gar um 18 Prozent ab, hat das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) für seinen regelmäßig veröffentlichten Rohstoffpreisindex errechnet.

In der Hochpreisphase wurden neue Minen erschlossen

Der massive Preisverfall hat mit den Spekulanten zu tun, die sich immer mehr von diesem Markt abwenden. Er ist aber vor allem auf ein Überangebot zurückzuführen. Die Hochpreisphase vor einigen Jahren hatte viele Investoren dazu verleitet, neue Minen zu erschließen. Die Rohstoffe drängen auf den Markt.

Viele Experten erwarten wegen der bestehenden Unsicherheiten auf den Märkten keine Trendwende. Lars Ehrlich, beim HWWI zuständig für den Rohstoffpreisindex, will nicht einmal ausschließen, dass die Preise noch weiter sinken. Auch die jüngsten Abwertungen des chinesischen Yuan, die die Konjunktur der Volksrepublik ankurbeln sollen, dürften daran nichts ändern. Das Land ist zwar eine Art Konjunkturlokomotive der Welt, aber es muss einen großen Teil seines Rohstoffbedarfs importieren – und durch die Abwertungen zu ungünstigeren Konditionen. China allein steht für rund 40 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Industrierohstoffen.

LBBW-Chefvolkswirt erwartet ein Ende des Preisverfalls

Bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Stuttgart wird die Wahrscheinlichkeit, dass „der vierjährige Abwärtstrend endet“, dagegen als hoch eingestuft. Das erwartete Wachstum der Weltwirtschaft „sollte auch die Rohstoffnachfrage weiter anziehen lassen“, prognostiziert LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert. Die niedrigen Energiepreise würden weltweit als Konjunkturprogramm wirken.

In Deutschland läuft die Konjunktur stabil. Deutsche Autos sind weltweit gefragt, der Maschinenbau entwickelt sich nicht schlecht, und auch die Auftragsbücher der Bauindustrie sind gut gefüllt. Das kommt der Stahlindustrie zugute, denn die genannten Branchen sind die wichtigsten Abnehmer für Stahl. Zwar liegt die Rohstahlproduktion hierzulande in den ersten sieben Monaten noch leicht unter Vorjahresniveau, doch im Juli hat die Produktion deutlich angezogen. Die Probleme der Branche liegen auch weniger auf der Nachfrage- als auf der Angebotsseite.

In China nicht gebrauchter Stahl landet in Europa

Seit der Konjunkturmotor in China nicht mehr rundläuft – etwa wegen der Probleme der Bauindustrie –, braucht das Land weniger Stahl, erläutert eine Sprecherin der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Düsseldorf. Der überschüssige Stahl landet auch in Europa. In den vergangenen Jahren sind die Importe stetig gestiegen, die Einfuhren von Walzstahl allein im ersten Halbjahr 2015 um 28 Prozent. Walzstahl sind Bleche, Drähte und Bauträger; vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um einen weiterverarbeiteten Rohstahl. Wie viel von den Einfuhren nach Deutschland weitergeleitet werden, ist unklar, denn der chinesische Stahl kommt über Rotterdam. Dort wird er von der Statistik erfasst; die weiteren Wege gelten als innereuropäischer Handel, erläutert die Sprecherin. Dass ein großer Teil für Deutschland bestimmt ist, dürfte klar sein; schließlich steht das Land für rund 30 Prozent des EU-Stahlmarktes.

Es dürfte noch mehr Stahl aus China kommen. Experten schätzen allein die Überkapazitäten des Landes auf 300 Millionen Tonnen Walzstahl pro Jahr. Doch nicht nur China hat zu viele Stahlwerke. Geschätzt decken die Überkapazitäten in Europa den hiesigen Verbrauch zu 115 Prozent. China ist auch nicht das einzige Land, das seine Unternehmen unterstützt. Einen Sündenfall gibt es wohl auch in Italien: Die politischen Rettungsversuche für ein unrentables und gerade zur Hälfte ausgelastetes Stahlwerk im italienischen Ilva bringen die Branche auf die Palme. Dann ist da noch das kriselnde Russland, das seinen überschüssigen Stahl auch preiswert exportieren will. Die massiv gesunkenen Eisenerzpreise bringen der Stahlbranche wenigstens eine leichte Entspannung.

In einem Pkw stecken im Schnitt 25 Kilo Kupfer

Nicht nur bei Eisenerz und Stahl spielt China eine entscheidende Rolle am internationalen Markt, auch bei Kupfer und Aluminium wächst die Bedeutung des Landes. Beispiel Kupfer: wegen seiner guten Leitfähigkeit wird das Metall in der Elektrik, der Elektronik und der Telekommunikation eingesetzt. Weil die Elektrik in Fahrzeugen zunimmt, steigt auch der Kupferanteil. Allein in einem Mittelklasse-Pkw stecken heute im Schnitt 25 Kilogramm Kupfer. Der wichtigste Akteur auf dem Weltmarkt ist China. 48 Prozent der weltweiten Nachfrage entfallen auf das Land.

Dass die Volksrepublik autark sein will, verdeutlichen zwei Zahlen: Während der Anteil Chinas am weltweiten Kupferabbau im Jahr 2010 bei gerade einmal sieben Prozent lag, waren es bei der Raffineriekapazität schon 24 Prozent, geht aus Zahlen der deutschen Rohstoffagentur hervor. Dieser Anteil dürfte weiter gestiegen sein, schließlich fand die deutlichste Erweiterung der weltweiten Raffineriekapazitäten in den vergangenen Jahren in China statt, schreiben die Rohstoffexperten der LBBW in ihrem „Commodity Yearbook 2015“.

Peking fördert den Ankauf von Kupferschrott

Die Regierung in Peking schützt die Branche, indem sie den Einkauf von Kupferschrott auf dem Weltmarkt steuerlich fördert. „Das wirkt wie ein Staubsauger“, sagt Sebastian Schiweck, Referent für Handels-, Zoll- und Rohstoffpolitik bei der Wirtschaftsvereinigung Metalle in Berlin. Auch der Verkauf von Primärkupfer auf dem Weltmarkt werde mit Rabatten unterstützt, fügt er hinzu. Eine ähnliche Entwicklung sei auf dem Aluminiummarkt zu beobachten, so Schiweck. Aluminium wird für den Auto- und Maschinenbau, von der Bauwirtschaft und der Elektrotechnik benötigt. Auch diese Kapazitäten hat die Volksrepublik massiv ausgeweitet.

Die Wirtschaftsvereinigung Metalle warnt vor massiven Nachteilen für die Industrie. „Europa und China spielen beim Handel derzeit nicht nach denselben Regeln“, warnt die Wirtschaftsvereinigung. Es drohe eine „gefährliche Verzerrung des Wettbewerbs“, sollte die Europäische Union China den Marktwirtschaftsstatus vorzeitig verleihen. Ist dieser Status erst einmal verliehen, sind Strafzölle wegen Dumpingvorwürfen kaum noch möglich. Im Bereich Stahl hat die EU inzwischen fünf Verfahren angestoßen; in drei Fällen wurden endgültig Zölle verhängt.