Der gebürtige Waiblinger Roland Eisele ist seit einem Monat der Polizeipräsident in Aalen. Im Interview spricht er unter anderem über eine verbesserungswürdige Personalausstattung, Unterschiede zwischen Polizei und Fußball-Bundesliga sowie peinliche Wattestäbchen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)
Aalen - Er wäre gerne Polizeichef in Heilbronn geblieben. Doch mit der Reform ist Roland Eisele als Vize nach Ludwigsburg beordert worden. Jetzt, in Aalen, ist er wieder auf einem Chefposten und damit auch für die Polizei im Rems-Murr-Kreis verantwortlich.
Herr Eisele, Sie sind seit dem 8. März offiziell im Amt. Wie haben Sie Ihre ersten Tage verbracht?
Wie es in den ersten Tagen so ist, da geht es zunächst darum, das Büro einzurichten, durchs Haus zu gehen, die ersten Mitarbeiter kennenzulernen, und dann erschließt man sich die Dienststelle nach und nach, schaut sich die Abläufe an.
Wann sind Sie damit durch?
Das geht nicht von jetzt auf nachher. Wir sind eine große Behörde mit mehr als 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aber mir ist das persönliche Kennenlernen wichtig. Ich nehme mir die Zeit, gehe raus auf die Polizeireviere, die Organisationseinheiten, zeige mich dort und rede mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, um mir ein Bild von der Gesamtorganisation machen zu können. Auch die Kollegen sollen mich im O-Ton erleben und vor Augen haben. Die Termine sind alle schon abgestimmt.
Was wollen Sie neu, was anders machen?
Mir ist es wichtig, meine Erfahrungen einzubringen und dann auf einer möglichst breiten Informationsbasis gemeinsam mit meiner Führungsmannschaft die notwendigen Dinge fundiert und überlegt anzugehen und dort Kontinuität zu bewahren, wo es gut läuft.
Auf welchen Führungsstil müssen sich die Mitarbeiter einstellen?
Meine Mitarbeiter dürfen sich auf einen gradlinigen, ehrlichen, offenen und empathischen Chef einstellen. Mir ist wichtig, die Mitarbeiter, wann immer möglich, mitzunehmen.
Was können Sie gar nicht leiden?
Illoyalität und Unaufrichtigkeit.
Wie wollen Sie Ihre Führungsmannschaft aufstellen?
Bei der Polizei ist es ist nicht so wie in der Fußball-Bundesliga, wo der Trainer seinen Co-Trainer und seinen Physiotherapeuten mitbringt. Das ist aber auch nicht notwendig. Ich habe in meinem Umfeld erfahrene Führungskräfte und Kollegen, mit denen ich glaube, sehr gut zusammen arbeiten zu können.
Vor ihrer letzten Stelle als Vize im Polizeipräsidium in Ludwigsburg waren Sie sieben Jahre lang Leiter der Polizeidirektion Heilbronn. Sie sind dort mit der Familie sesshaft geworden. Wären Sie nicht gerne geblieben?
Ich hätte mir das gut vorstellen können. Aber ich bin bei der Polizei – im Übrigen schon seit 40 Jahren –, da weiß man, dass mit Organisationsänderungen oft auch Änderungen in der Führungsebene einher gehen können. Das war in meinem Fall so. Also habe ich die Herausforderung des neuen Amtes angenommen. Das mache ich gern, weil ich etwas bewegen will und gerne Organisationen leite und Menschen führe.
In Aalen dürften Sie eine vergleichsweise nicht gerade üppige Personalausstattung vorgefunden haben?
Im Betreuungsverhältnis Beamte pro Einwohner ist das Polizeipräsidium Aalen ganz am Ende der Statistik im Land Baden-Württemberg. Das ist sicherlich auch der Reform geschuldet, bei dem Zusammenfügen von Direktionen hat sich das wohl so ergeben. So sind wir in Aalen gestartet, das heißt aus meiner Sicht aber nicht, dass es immer so bleiben sollte.
Das bedeutet?
Ich setze da auf das Innenministerium, das ja gesagt hat, dass die Strukturreform evaluiert wird. Wenn man die Dienststellen miteinander vergleicht, wird man zu dem Schluss kommen, dass man im ein oder anderen Fall etwas dazu tun muss.
Stichwort Polizeireform. War es eine weise Entscheidung, den Sitz des Präsidiums nach Aalen zu legen, wo die „kriminelle Musik“ doch eher im Rems-Murr-Kreis spielt?
Die Reform ist eine politische Entscheidung gewesen, die auf Basis von strukturellen Eckdaten getroffen wurde. Diese waren vielschichtig. Neben der Kriminalitätslage waren auch Aspekte der Liegenschaften und vieles mehr zu berücksichtigen. Mit der Entscheidung für den Präsidiumssitz in Aalen ist nunmehr aber auch die Erwartung verbunden, dass im Juli der Spatenstich für das neue Führungs- und Lagezentrum in Aalen gesetzt werden kann.
Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Beamte Ihnen zurzeit fehlen?
Unter Berücksichtigung der Kriminalitäts- und Verkehrsunfallstatistik und der Polizeidichte würde das Polizeipräsidium Aalen im Vergleich zum am zweitschlechtesten besetzten Präsidium schon rund 100 Beamte mehr benötigen. Zudem wäre zu berücksichtigen, dass wir derzeit im sogenannten Ist-Erfüllungsstand (also unter Berücksichtigung von Krankheit, Abordnung, Ausbildung) nur zu rund 95 Prozent besetzt sind.
Apropos Kriminal- und Verkehrsstatistik – mit den Zahlen können Sie wegen der hohen Zuwächse in fast allen Bereichen kaum zufrieden sein.
Wir haben natürlich Anstiege, aber die sind sehr unterschiedlich. Im Rems-Murr-Kreis haben wir zum Teil sogar deutliche Rückgänge, etwa im Unfallbereich, und auch bei den Wohnungseinbrüchen sind wir äußerst erfolgreich gewesen.
Dort kommt man auch von einem hohen Niveau...
Ja, aber wir haben fast eine Halbierung erreicht. Das spricht dafür, dass die aufwendigen polizeilichen Maßnahmen gewirkt haben – sowohl präventiv als auch repressiv. In dem Bereich haben wir sicherlich Erfolge zu vermelden. In anderen Bereichen könnte es besser sein. Was mir gar nicht gefällt, ist die Gewalt gegen Polizeibeamte, die um 20 Prozent nach oben gegangen ist. Aber das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass der Respekt gegenüber der Polizei bei manchen sehr zu wünschen übrig lässt.
Was kann man dagegen tun?
Ich würde mir wünschen, dass die Bürger mehr Zivilcourage zeigen und ihre Polizei unterstützen. Daneben versuchen wir, unsere Mitarbeiter für solche Gefahrenlagen entsprechend zu wappnen – mit der Schutzausrüstung und indem wir die Kollegen durch Einsatztraining auf solche Situationen einstellen.
Der Rems-Murr-Kreis ist in der Vergangenheit auch immer wieder durch ausländerfeindliche Taten aufgefallen. Trägt der Kreis den Stempel rechte Hochburg zu Recht?
Es gab hier in der Tat immer wieder rechtsgerichtete Delikte. Aber da haben wir ein Auge drauf. Die Sensibilität der Kollegen ist durchaus da. Vermeiden kann man natürlich nicht alles.
Weder die Hakenkreuzschmierereien an der Moschee in Welzheim noch der Brandanschlag auf das Asylbewerberheim im Weissacher Tal konnten bisher aufgeklärt werden. Ist es nicht ein schlechtes Signal zu sagen, dass die Verfahren eingestellt werden?
Wir ermitteln in diesem Bereich grundsätzlich mit Vehemenz, mit allem, was wir können. Nur, irgendwann sind die Mittel ausgereizt. Wenn es keine Anhaltspunkte mehr gibt und sich keine neuen Spuren mehr auftun, dann gibt es leider zunächst auch nichts mehr zu ermitteln. Das heißt aber nicht, dass das Verfahren eingestellt ist.
Einen besonders dramatischen Fall von Ermittlungsmisserfolg haben Sie in Heilbronn bei der Suche nach den Mördern der getöteten Polizistin Michelle Kiesewetter erlebt. Sie als verantwortlicher Leiter der Polizeidirektion waren mit einigen Vorwürfen konfrontiert.
Die Vorwürfe sind vor allem aufgekommen, als die Pannen mit den Wattestäbchen bei der Untersuchung von DNA-Spuren bekannt wurden. Für meine Ermittler in der Sonderkommission war das besonders bitter. Sie haben Stunden über Stunden ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit gearbeitet, weil sie den Fall unbedingt aufklären wollten. Die Ermittler hatten auch immer wieder Zweifel, weil die ganz unterschiedlichen Delikte – vom brutalen Mordfall bis hin zum Gartenhausaufbruch – ihrer Erfahrung nach nicht zusammenpassten.
Wie kam es dann zu der peinlichen Panne?
Keiner hatte auf dem Plan, dass die Stäbchen nicht DNA-frei waren. Das hatte sich damals keiner vorstellen können. Deshalb hat es sehr lange gedauert, bis klar war, dass man einer Trugspur aufgesessen war. Dann aber als Totalversager verunglimpft zu werden, tat den Kolleginnen und Kollegen doch sehr weh. Die Vorwürfe haben sowohl bei den Ermittlern, als auch bei mir als verantwortlichem Dienststellenleiter Spuren hinterlassen.
Haben Sie sich etwas vorzuwerfen?
Nein! Man kann es sogar positiv ausdrücken. Die umfangreichen Ermittlungen auch im grenznahen Ausland haben letztlich dazu geführt, dass man hinter diese Trugspur kam – und heute in der Forensik viel besser aufgestellt ist.
Als Ihr Vorgänger Ralf Michelfelder zum Leiter der Polizeidirektion Waiblingen ernannt wurde, habe ich ihn am Ende eines Antrittsinterviews gefragt, was sein nächstes Karriereziel ist. Darauf hat er geantwortet, er sei am Ziel seiner beruflichen Wünsche angekommen. Danach ist er Präsident in Aalen geworden und nun Chef des LKA...
In Heilbronn habe ich damals ähnliches gesagt. Aber manchmal gibt es Zieländerungen durch äußere Einflüsse. Ich habe mittlerweile gelernt, dass man niemals nie sagen sollte. Was noch kommt, möchte ich daher nicht mehr prognostizieren.