Vor dem Gastspiel mit „Onkel Toms Hütte“ an diesem Freitag in Fellbach spricht Entertainer Ron Williams über Rassismus und den US-Präsidentschaftswahlkampf.

Fellbach - Man kennt ihn durch seine Ronald-Reagan-Parodien, durch viele Fernseh- und Bühnenauftritte. In Fellbach gilt Entertainer Ron Williams als Publikumsliebling. Doch auch er selbst erinnert sich gerne seine Zeit nach dem Militär, die ihn einst 1963 für ein knappes Jahr tatsächlich nach Fellbach führte.

 
Herr Williams, Fellbachs Kulturamtsleiterin Christa Linsenmaier-Wolf sagte bei der Spielplanvorstellung zu „Onkel Toms Hütte“: „Ich selbst erinnere mich, dass ich als Jugendliche bei der Lektüre weinen musste, so sehr hat mich die unmenschliche Handlung eines Menschen ergriffen.“ Hatten Sie ähnliche emotionale Momente?
Vor allem für uns Afroamerikaner war das natürlich Pflichtstoff, auch auf der High School in Oakland. Wobei ich zugeben muss, dass im liberalen Kalifornien, wo ich geboren und aufgewachsen bin, der Assismus kaum eine Rolle spielte. Das war ganz anders, als ich in der Ausbildung zum Militärpolizisten 1960 nach Georgia kam. Da war es kaum möglich, außerhalb der Kaserne ins Kino zu gehen, es war klar vorgeschrieben, durch welche Tür man als Schwarzer gehen musste, nämlich nur durch den Hintereingang, oder aus welcher Wasserfontäne man trinken durfte. Und da habe ich gemerkt: Es gibt tatsächlich zwei Amerikas: Das liberale und tolerante an der West- und Ostküste und eine ganz andere Kultur im Süden, mit Beleidigungen, Ausgrenzung, Unterdrückung, Angriffen auf Schwarze.
Das Buch, auf dem die Show fußt, ist 1851 erschienen. Onkel Tom – ist das nicht ein bisschen sehr antiquiert?
Klar ist das Buch vor fast 170 Jahren erschienen. Aber es hat ein Thema angepackt, das zuvor noch niemand behandelt hatte. Sklaverei war selbstverständlich. Dieser Tom ist ein tiefgläubiger Christ, der sich mit Mut und Stärke und seinem Glauben widersetzt und eine Art Held wird in einer weißen Gesellschaft, weil er sich opfert für die anderen. Das war ein weltweiter Erfolg, das kann man heute kaum mehr glauben.
Was hat das mit heute zu tun?
Sehr viel. Natürlich haben wir den Stoff aktualisiert und ans Heute angepasst. Es spielt in Chicago, angelegt als Theaterprojekt in einem Gefängnis – und ich bin der Sozialarbeiter Tom Rutherford, der als Rehabilitationsprogramm mit den jungen Leuten das Stück einstudiert und selbst den „Onkel Tom“ spielt. Das hat natürlich eine ganz andere Energie, als wenn wir einfach den damaligen Stoff spielen würden. Es gibt zwei Gospel-Songs und viele weitere Lieder, die man aus dem Radio kennt, die aber aufs Stück bezogen eine ganz andere Bedeutung gewinnen, sei’s „Bridge over troubled water“ von Simon and Garfunkel oder Bill Withers’ „Lean on me.“ Das alles mit einem wunderbaren, tollen, begabten Ensemble, junge Leute, die dem Stück eine solche Frische geben, in Szene gesetzt von einem tollen Regisseur, Frank Lenart. Das trifft voll in den Bauch. Am Ende gibt es stets Standing Ovations, die Leute im Publikum haben Tränen in den Augen angesichts der schrecklichen, unmenschlichen Behandlungen der Schwarzen, zücken die Taschentücher – da bekommt man auch auf der Bühne so viel zurück, da geht einem das Herz auf und da nimmt man auch die Reisestrapazen einer Tournee auf sich.
Na ja, heute Limburg, morgen Fellbach, Samstag Köln: in wenigen Tagen die Republik hoch und runter, das klingt ganz schön anstrengend?
Aber wenn man ein so schönes Feedback erhält, entschädigt das für manche Anstrengung. Außerdem, auf der Fahrt kann man lesen, neue Lieder schreiben, telefonieren, die Zeit ist gut ausgefüllt. Und gestern am freien Tag haben wir auf der Terrasse des Seehotels Bad Seeberg die Sonne genossen. Also, was soll man da klagen?
Rassismus, ein Thema von gestern?
Keineswegs, das gilt für Deutschland mit den wieder aufkeimenden rassistischen Übergriffen, und für Amerika, wie ja die jüngsten Angriffe von Polizisten auf Schwarze zeigen. Das Phänomen ist nicht neu, aber es kommt jetzt schneller an die Öffentlichkeit, weil viele solche Vorfälle mit ihren Handys filmen. Der Hass und die Dummheit sind noch nicht ausgestorben.
Ihr größtes Kapital, so nochmal Frau Linsenmaier-Wolf, „ist seine Stimme“. Viele erinnern sich insbesondere an Ihre Ronald-Reagan-Parodien, womit wir beim aktuellen Wahlkampf wären: Trump ist der Dämon, Clinton als das kleinere Übel?
Nein, nein, so sehe ich das nicht. Ich hoffe wirklich, dass die Menschen spätestens in der Wahlkabine sich für sie entscheiden. Trump, der schießt aus der Hüfte, wie schon George Dubblejuh Bush,zeigt Muskeln, haut rein, so auch die Hoffnung seiner Anhänger. Das ist traurig, und das ist auch schrecklich. Trumps Sohn sagte kürzlich, man sollte die Gasöfen wieder anschmeißen – was ist denn das für eine Wortwahl, da applaudiert doch Göbbels in seinem Grab. Wenn Trump es an die Macht schafft, der bringt den Planeten in Gefahr. Deshalb lebe ich in Deutschland. Wenn Trump es schaffen sollte, werde ich die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen – das ist kein Witz, das meine ich ernst.
Sie haben Nelson Mandela, Ray Charles oder Martin Luther King verkörpert – das macht doch sicher auch Spaß, solche Figuren der Weltgeschichte zu spielen?
Das stimmt. Aber ich habe es vor allem als Chance gesehen, den deutschen Zuschauern die Figuren näher zu bringen, Denn viele wussten vorher mit diesen Namen nicht so viel anzufangen. Das habe ich schon als Schauspieler bemängelt – welche schwarze Hauptrolle in der Theatergeschichte zumindest in Deutschland gibt es denn außer Othello? Da sieht es sehr mager aus. Ray Charles, Martin Luther King, das sind Ikonen für uns, dies den Deutschen nahe zu bringen, ist doch eine wunderbare Sache. Immer nur Roberto Blanco im Fernsehen oder auf der Bühne – nichts gegen ihn und seine Sangeskünste, aber das war früher für Deutschland doch ein bisschen wenig.
In Fellbach jedenfalls waren Sie mit diesen Stücken schon oft, hier gelten Sie als Publikumsliebling. Ist Fellbach auch für Sie selbst etwas Besonderes, kennen Sie die Stadt ein bisschen?
Ha freile, sag amol. I han ganz b’sondere Erinnerunga an Fellbach. Denn in meiner Zeit als GI habe ich in Stuttgart gelebt, wurde zum Radiosprecher und Printjournalisten ausgebildet. Nach der Entlassung aus der Armee hatte ich eine Wohnung oben auf den Fildern. So um 1963 habe ich fast ein Jahr sogar bei euch in Fellbach einen Job gehabt, an der Stuttgarter Straße. Ich habe für Coca Cola Lastwagen gefahren und Cola- und Fanta-Kisten geschleppt, jeden Tag von morgens bis abends, bin den ganzen Raum Stuttgart bis nach Ludwigsburg abgefahren. Da habe ich das Schwäbische gelernt, das kann ich bis heute und setze es in den Programmen ab und zu auch ein. Später habe dann auch noch am Flughafen Echterdingen als Gepäckablader für PanAm gearbeitet, als Butler oder als Chauffeur für den Präsidenten einer großen Firma und ihn im Mercedes durch Deutschland kutschiert – zu seinen alten Kriegskameraden, der war als junger Mann Oberst unter Erwin Rommel in Nordafrika. Das war natürlich eine Show bei seinen Kumpels, wenn ich mit dem großen Schlitten vorgefahren bin. Das waren wilde Nächte, bis morgens wurde gesoffen, da habe ich einiges erlebt, was ich später für meine Auftritte nutzen konnte.
Denn kurz danach ging’s tatsächlich los mit dem Kabarett?
Das stimmt. 1965 hat mich Gerhard Woyda für zwei Spielzeiten ans Renitenztheater in Stuttgart engagiert. Ich war damit tatsächlich der erste schwarze, US-amerikanische politische Kabarettist in Deutschland, das war eine echte Sensation, die Leute dachten: Das gibt’s doch nicht – so außergewöhnlich war das damals. Im Renitenz habe ich alle damaligen Stars der Szene kennengelernt. Mit Willy Reichert habe ich abends am Tresen Viertele getrunken, ihm habe ich genau zugehört und die schwäbischen Ausdrücke abgekupfert. Ha no, sodele, jetztetle. Stuttgart und das Renitenztheater war für mich tatsächlich der Schlüssel, um in Deutschland ins Kabarett reinzukommen. Das war absolut mein großes Glück, dort habe ich auch Gert Fröbe kennengelernt, hatte kurz danach Gastspiele etwa bei der Lach- und Schießgesellschaft in München oder bei den Stachelschweinen in Berlin, kam zur Deutschen Welle, konnte Fernsehen machen, habe Willy Brandt persönlich begleitet, den großen Kabarettisten Wolfgang Neuss getroffen – und welcher heute noch lebende Deutsche kann schon von sich sagen, dass er mit Theo Lingen in seiner Berliner Wohnung Tee getrunken hat? Alles Zufall – oder doch Fügung? Herrlich!
Das Gespräch führte Dirk Herrmann