Das ZDF zeigt am Sonntag „Die andere Frau“. Für einen Film, der unter dem Label Pilcher firmiert, mutet dieser Zweiteiler seinen Zuschauerinnen einiges zu. Und Schauspielerin Natalia Wörner fürchtet um ihren Ruf als Alpha-Frau. Sie versucht, ihr Bild in den Medien mit fragwürdigen Methoden zu kontrollieren.

Stuttgart - Der Name ist für das Fernsehen, was DJ Bobo für den Pop ist: Pilcher. Man denkt an die felsige Küste Cornwalls, an saftige grüne Wiesen, an Herrenhausbesitzer, die ihr Reich gravitätisch in Gummistiefeln durchschreiten – und an Frauen, die beim Anblick dieser Gattung Mann Papierflieger aus ihrem Uni-Abschlusszeugnis falten und eine Karriere als Heimchen am Herd starten.

 

Das ist das Erfolgsrezept der ZDF-Filme nach den Bestsellern von Rosamunde Pilcher. Sie sind seit Jahren zuverlässige Quoten-Garanten. Vor allem Frauen wollen so etwas sehen. Herzkino.

Eine Rolle in einem Pilcher-Film zu spielen, gilt unter Schauspielern nicht als Herausforderung. Man muss sich dafür aber auch nicht schämen. Die so genannten „Premium-Pilcher“, die das ZDF in der Weihnachtszeit gerne als Mehrteiler zeigt, sind hochkarätig besetzt.

Ein kleiner Sohn in Kanada

In diesem Jahr hat der Sender Natalia Wörner neben den Hollywood-Schauspielern Rupert Everett und John Hannah für den Zweiteiler „Die andere Frau“ gecastet. Die Handlung fällt aus dem Rahmen der Pilcher-Reihe. Natalia Wörner spielt Rebecca, eine Choreografin, die nach dem Flugzeugabsturz ihres Mannes erfährt, dass ihr Mann jahrelang ein Doppelleben geführt hat. Neben seiner Familie in Cornwall gab es da noch eine andere Frau und einen kleinen Sohn in Kanada.

Beide Familien wussten nichts voneinander. Für Rebecca bricht eine Welt zusammen. Man kann sagen: Für einen Film, der unter dem Label Pilcher firmiert, mutet dieser Zweiteiler seinen Zuschauerinnen einiges zu. Man ist geneigt, von einer Überdosis Realität zu sprechen.

Dementsprechend groß war das Echo schon im Vorfeld. Anfang Dezember lud eine PR-Agentur Journalisten zum Interview mit der Hauptdarstellerin ein. Die Schlange vor der Suite in einem Fünf-Sterne-Hotel am Ku‘damm in Berlin war lang.

Gelassene Antworten

Natalia Wörner, 45, gilt als verwandlungsfähige Charakter-Schauspielerin mit dem Schwerpunkt auf Stehauffrauen. Resolut, pragmatisch, selbstbewusst. Eine Alpha-Frau, so nennt sie sich selber. Wenn so jemand in einem Pilcher-Film mitspielt und sich dort obendrein von einer völlig neuen Seite zeigt, macht das neugierig.

Wie ihr Verhältnis zu Rosamunde Pilcher sei, wurde sie in den Interviews gefragt. Ob sie nicht insgeheim lachen müsse, wenn ihr Film-Schwager Rupert Everett Komplimente machte, die so gar nicht zu ihrem Selbstverständnis als Alpha-Frau passen. Oder auch, nach welchen Kriterien sie sich Rollen aussucht und wie sie Job und Privatleben verbindet – als alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Sohnes.

Natalia Wörner hat diese Fragen gelassen, reflektiert und mit Chuzpe beantwortet. Zum Beispiel erfuhr man, dass sie gar nicht gewusst haben will, dass der Film in der Pilcher-Reihe firmiert. Wörtlich zitieren darf man sie nicht. Nachdem Journalisten die Antworten zur Freigabe geschickt hatten, zog sie Interviews wieder zurück.

Die PR-Managerin schaltet sich ein

Frau Wörner fühle sich nicht wohl mit der Veröffentlichung, was „aber vor allen Dingen an der Summe der teilweise nicht mehr nachvollziehbaren Reaktionen liegt, die nun um Rahmen der Film-PR einhageln, mit der wir in der Form nicht gerechnet haben“, heißt es in einer Email ihrer PR-Managerin. Mit einer derartigen Stigmatisierung, die sich an ihrem Typ entzünde, habe man nicht gerechnet.

Auf das Angebot, anstelle eines Wortlaut-Interviews ein Porträt mit einzelnen O-Tönen aus dem Gespräch zu veröffentlichen, will sich die Managerin nur unter einer Voraussetzung einlassen: Dass Frau Wörner den kompletten Text vor dem Abdruck gegenlesen darf - wohl, um sich zu vergewissern, dass auch die einzelnen O-Töne nicht gegen sie verwandt werden.

Ein solches Procedere ist aber nicht nur unüblich, es gilt sogar als Eingriff in die Pressefreiheit. Darauf weist der Deutsche Journalisten-Verband (djv) in seinen „Leitlinien für die Interview-Autorisierung“ hin – eine Antwort auf den anhaltenden „Autorisierungswahn“, von dem djv-Sprecher Hendrik Zörner sagt, er habe sich verlagert, von den Politikern auf Prominente aus dem Show-Business.

Kleidung und Schmuck nur mit Zustimmung

„Streichkonzerte“ von Schauspielern wie Götz George oder Heike Makatsch haben es in der Branche mittlerweile zu trauriger Berühmtheit gebracht. Wer Martina Gedeck, Heino Ferch oder den ARD-Moderator Eckart von Hirschhausen interviewen will, muss vorab einen Vertrag unterschreiben, der die Bedingungen regelt. Darin heißt es zum Beispiel, private Fragen seien tabu. Im Fall des Komikers Kurt Krömer bedarf sogar „die Nennung der Namen von Herstellern von Kleidung, Schmuck oder Schuhen ebenfalls der ausdrücklichen Zustimmung“.

Dabei hält der Deutsche Presserat, der die freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien regelt, eine Autorisierung nicht für zwingend erforderlich. Anders als im angelsächsischen Raum hat sich das Procedere aber eingebürgert, weil der Interviewte nach dem deutschen Urheber- und Persönlichkeitsrecht ein Mitspracherecht reklamieren kann.

Die Frage, wo der Schutz aufhört und die Zensur anfängt, ist jedoch umstritten. Aus Sicht des djv sollte sich die Autorisierung darauf beschränken, sachliche Fehler vor der Veröffentlichung zu korrigieren. Für den Fall, dass Prominente das Instrument nutzen wollen, um missliebige Fragen zu streichen oder Passagen zu glätten, rät der Verband, die Veröffentlichung des Interviews zu kippen. Die linksalternative taz hat in einem solchen Fall 2003 mal einen Aufmacher mit geschwärzten Antworten gedruckt – anstelle eines sinnentstellend gekürzten Interviews mit dem damaligen SPD-Geschäftsführer Olaf Scholz. Diesen Gefallen tut die Stuttgarter Zeitung Natalia Wörner nicht. Es wäre zu viel der PR für einen „Premium-Pilcher“.