Der Rosenstein hieß früher Kahlenstein und war von jeher ein beliebtes Ausflugsziel. Unter anderem trafen sich dort vor mehr als 200 Jahren der junge Verleger Johann Friedrich Cotta und der Schriftsteller Friedrich Schiller.

Bad Cannstatt - Stuttgart könnte sich bequem als Weltbad einrichten“, heißt es in einem 1933 erschienen Stadtführer. Damals habe es am Neckar sogar ein Strandleben gegeben: „An seinem Betonstrand liegen die Menschen. Sie träumen in die Sonne. Mit entspannten Gliedern. Faltboote paddeln vorbei. Das bräunliche, träge Wasser schlägt leichte Wellen.“ Was heute kaum noch vorstellbar ist, wird am ehesten sichtbar am Schloss Rosenstein, findet der Autor Jan Bürger in seinem Buch „Der Neckar. Eine literarische Reise“.

 

Er beschreibet: „Stiche aus dem 19. Jahrhundert lassen keinen Zweifel daran, wie idyllisch die Landschaft hier vor der Industrialisierung gewesen ist.“ Er bezieht sich auf Gustav Schwab, der es so formulierte: „Der Teil des Neckartals, in dessen Schoße Cannstatt liegt“, schrieb Gustav Schwab 1837, „gehört nicht zu den großartigeren, wohl aber zu den freundlichsten und fruchtbarsten von ganz Schwaben.“ Auf dem Rostenstein habe König Wilhelm „die günstigste Stelle in der ganzen Umgegend gewählt“, um sein Schloss zu bauen. Was kaum einer weiß: Vor Beginn des Schlossbaus 1824 hieß der Hügel gar nicht Rosenstein, sondern Kahlenstein. Von jeher war er aufgrund seines Panoramas ein beliebtes Ausflugsziel – und zwar nicht nur für Familien und ihr Privatvergnügen: „Außerordentlich folgenreich für die deutsche Geistesgeschichte war eine Zusammenkunft, zu der es 1794 auf dem Kahlenstein kam“, schreibt Bürger. Am 4. Mai dieses Jahres trafen sich dort nämlich der junge Verleger Johann Friedrich Cotta und der Schriftsteller Friedrich Schiller. Mit einer Kutsche fuhren die Beiden zuerst nach Untertürkheim und dann zum Kahlenstein.

Geburtsstunde einer weltberühmten Monatszeitschrift

„Für beide wurde dieser Tag unvergesslich, aber es war wohl kaum das Naturerlebnis, das sie so beeindruckte“, schreibt Bürger. Die Fahrt hatte weniger das Ziel, die Landschaft zu bewundern, als eine Geschäftsbeziehung aufzubauen. Sie sprachen über neue Publikationsformen: Während Cotta der Aufbau einer politischen Tageszeitung mit Schiller als Chefredakteur vorschwebte, träumte Schiller von einer neuen literarischen Zeitschrift, für die er einen passenden Verleger brauchte.

„Cottas Allgemeine Zeitung wurde schließlich auch ohne Schiller zur vielleicht wichtigsten politischen Zeitung des 19. Jahrhunderts, und aus dem zweiten Plan entwickelte sich tatsächlich die erste Zusammenarbeit der Sonntagsausflügler“, beschreibt Bürger die Ergebnisse dieser Kutschfahrt. „Vom Kahlenstein aus nahmen der Dichter und der Verleger etwas anderes in den Blick als die Auen und Siedlungen am Fluss: Sie entwickelten die Vision einer gemeinsamen Zukunft.“ Die gemeinsame Fahrt sei so zu einem Initialerlebnis für einen neuen Abschnitt in Schillers Karriere und für den Aufstieg des bis dahin relativ unbedeutenden Tübinger Verlagshauses gewesen. „Die Horen“, eine Monatszeitschrift, war das Ergebnis des Treffens. Obwohl nur 36 Ausgaben erschienen, ist Schillers letzte und berühmteste Zeitschrift als eines der Hauptorgane der Weimarer Klassik in Erinnerung geblieben, finanzielle Gesichtspunkte standen weder für Schiller noch für Cotta im Mittelpunkt. „Für Schiller ging es im Kern um eine kunsttheoretische Erweiterung der Aufklärung, für Cotta um den Autorenkreis, den in dieser Zeit vielleicht nur Schiller um sich herum versammeln konnte“, erklärt Bürger.