Die Stadt Stuttgart betont die Vorteile hinsichtlich des Baus des Rosensteintunnels. Doch viele Bürger befürchten mehr Verkehr.

Sttuttgart - Gegen den Bau des umstrittenen Rosensteintunnels sind in den Sommerferien während der zweiten Auslegung des Bebauungsplans fast 1000 Einwendungen bei der Stadt eingegangen. Gegen den ersten Entwurf, der von der Stadt wegen angeblich zu hoher Prognosen hinsichtlich des Lastwagenverkehrs zurückgezogen worden war, hatte es wie berichtet 660 Einsprüche gegeben.

 

"Wir haben gut zu tun, denn bis Ende August sind 973 Stellungnahmen zum Rosensteintunnel eingegangen", sagt Heinrich Sonntag, Leiter der Bauabteilung Neckar im Stadtplanungsamt. Die meisten Einsprüche gebe es zu den Themen Verkehr, Luft und Lärm. "Die Absender befürchten mehr Autos und mehr Schadstoffe. Bis Mitte Oktober fassen wir die Einwendungen zusammen und dokumentieren sie in einer Vorlage für den Gemeinderat."

Mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr Schadstoffe

Für Annemarie Raab, Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Krailenshalde, belegt die hohe Zahl der Einsprüche den großen Widerstand gegen das umstrittene Tunnelprojekt, dessen Pläne die Stadt klammheimlich in der Urlaubszeit ausgelegt habe. "Die Auslegung in den Sommerferien war eine Zumutung für die Bürger." Für die Initiative aus Zuffenhausen ist auch der neue Bebauungsplan nur "alter Wein in neuen Schläuchen". Ein vierspuriger Tunnel unter dem Rosensteinpark bedeute für viele Bürger, die an der B10/B27 und B14 wohnten, mehr Verkehr, mehr Lärm und mehr Schadstoffe. Der Gemeinderatsvorlage sei zu entnehmen, dass es an vielen Stellen - etwa im Bereich Löwentor - zu höheren Stickstoffdioxidwerten (NO2) komme, obwohl diese dort bereits heute weit über dem Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft lägen. "Es ist unverantwortlich, wenn die Stadt eine Stadtautobahn plant, obwohl die Luft heute schon zu dick ist", betont Annemarie Raab.

"Grenzwertüberschreitungen liegen auch nach Realisierung der Planung vor", heißt es denn auch in der aktuellen Gemeinderatsvorlage zum Rosensteintunnel. Zwischen Pragtunnel und dem nördlichen Portal der geplanten Tunnelröhren gebe es auch nach der Fertigstellung des Tunnels sehr hohe NO2-Emissionen.

Mechanische Belüftung der Räume

Nach den Berechnungen der städtischen Gutachter sind die NO2-Jahreswerte an den Wohnhäusern Pragstraße 148, 150, 152 und 156/1 nach dem Tunnelbau mit 95 Mikrogramm sogar noch höher als heute (84 Mikrogramm). "Ohne Schutzmaßnahmen sind...gesunde Wohnverhältnisse nicht gegeben", warnen die Gutachter der Stadt. "Aus diesem Grund ist hier eine mechanische Belüftung der Räume erforderlich." Die von der Stadt für die vier Gebäude zu zahlenden "notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor Schadstoffen" beziffert die Vorlage auf 3,9 Millionen Euro. "Parallel wird sich die Stadt bemühen, die Wohngebäude an der Pragstraße im Bereich der Kreuzung Löwentorstraße zu erwerben."

Auch im unteren Teil der nach Eröffnung der beiden Röhren unter dem Rosensteinpark zurückgebauten Pragstraße ist die Luft nach dem Tunnelbau laut Prognose 2015 noch schadstoffträchtiger als erlaubt. Laut Vorlage gibt es dann an der Haldenstraße 54, an der Pragstraße 10, der Seilerstraße 10 und an der Schönestraße 27 zwar geringere Stickoxidemissionen, "die jedoch nicht unter dem Grenzwert liegen".

Noch mehr dicke Luft

Auch an der mitten durch Zuffenhausen führenden B10/27 verursacht der Rosensteintunnel wegen der zusätzlichen rund 28.000 Fahrzeuge am Tag noch mehr dicke Luft. Dabei ist auch in diesen Bereichen der NO2-Jahresgrenzwert bereits heute überschritten. "Die projektbedingten zusätzlichen Luftschadstoffe sind aber mit ein bis zwei Mikrogramm NO2 gering", heißt es in der Vorlage für den Gemeinderat. Dem Problem könne mit Maßnahmen der Luftreinhaltung begegnet werden. Bei der Vorstellung der Pläne im Juli sagte Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) Bezirksbeiräten zu, sich für ein Tempolimit auf der B 10/27 einzusetzen: "Ich habe dort kein Problem mit Tempo 60."

Solche Versprechen lösen aber nach Ansicht von Kritikern nicht das Dilemma der städtischen Tunnelplaner: Darf man in der hochbelasteten Umweltzone Stuttgart 200 Millionen Euro für ein Tunnelprojekt ausgeben, das die Schadstoffwerte stellenweise sogar noch erhöht? Dieser Zielkonflikt ist zwischenzeitlich auch in den städtischen Amtsstuben bemerkt worden. "Der Rosensteintunnel entlastet die Luft massiv in der Fläche", heißt es zwar, die zu hohen Schadstoffwerte stimmen aber auch manchen im Rathaus nachdenklich. Das politisch erwünschte Prinzip, den Verkehr zu bündeln, bedeute aber leider auch einen höheren Schadstoffausstoß an manchen Straßenabschnitten im Stadtgebiet.

Erhöhte Belastung an Tunnelportalen

Für das Stuttgarter Regierungspräsidium dient der Rosensteintunnel mit dem bereits fertigen Pragtunnel "vor allem der Verkehrsverflüssigung auf der B 10/B 27 und der Bündelung des Verkehrs aus den Stadtbezirken Bad Cannstatt, Zuffenhausen und Ost auf dieser Achse". Damit würden die untere Pragstraße, die Neckartalstraße und die Uferstraße entlastet. Allerdings komme es an den Tunnelportalen zu erhöhten Belastungen, die durch Tempolimits und Belüftungseinrichtungen kompensiert werden sollten. "Es ist Aufgabe der Stadt Stuttgart, diese Maßnahmen bis zur Tunneleröffnung umzusetzen, um eine erhebliche Verschlechterung der Schadstoffbelastung entlang der B10/B27 zu vermeiden", sagt Peter Zaar, Sprecher der Aufsichtsbehörde. Das gelte vor allem für den neuralgischen Bereich am Löwentor.

"Diese Planung schafft garantiert neue Kläger", sagt Rechtsanwalt Roland Kugler, der bereits etliche Anwohner am Neckartor in Sachen Feinstaub erfolgreich vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht vertreten hat. Seine Einschätzung: "Ich halte das teure Tunnelprojekt, das die Schadstoffwerte sogar noch erhöht, für rechtswidrig."