Der Architekturhistoriker Vittorio Lampugnani plädiert mit Blick aufs Rosensteinviertel für „Häuser mit guten Manieren“.

Stuttgart - Es ehrt die Stadt, dass sie in der Vortragsreihe „Rosenstein – Wir gestalten unsere Stadt von morgen“ auch Referenten zu Wort kommen lässt, deren städtebauliche Visionen so gar nicht zu der in der Landeshauptstadt praktizierten Architektur passen wollen. Ein solcher ist Vittorio Magnago Lampugnani, einer der bedeutendsten und profiliertesten Architekturhistoriker Europas. Der gebürtige Römer, der unter anderem in Stuttgart Architektur studiert hat und seit 1994 Professor für Städtebaugeschichte an der Technischen Hochschule Zürich ist, gilt als Vertreter einer formal disziplinierten, ästhetisch nachhaltige Architektur ohne modernistische oder postmodernistische Extravaganzen. Am Montagabend war er zu Gast im gut besuchten Großen Saal des Stuttgarter Rathauses, in dem regelmäßig über verschiedene Aspekte der Neubebauung der durch Stuttgart 21 frei werdenden Gleisflächen diskutiert wird.

 

Kluge Mischung der Nutzungen

Dass er vom Tiefbahnhofsentwurf des Architekten Christoph Ingenhoven nicht viel hält, ließ der Professor gleich zu Beginn durchblicken. Aber er wolle den Blick nicht zurück auf eine „vertane Gelegenheit“ richten, sondern über die Chancen des Projekts reden. In seiner „persönlichen Gebrauchsanweisung zur zeitgenössischen Stadtplanung“ skizzierte Lampugnani Voraussetzungen für ein gelungenes städtebauliches Konzept: Es bedürfe einer klugen Mischung der Nutzungen, also keine Schlaf- oder Büroghettos.

Wichtig sei, die Stadterweiterung von den öffentlichen Räumen – den Straßen, Plätzen und Parks – her zu denken und diese nicht zu Resträumen zu degradieren, „die dann nachträglich aufgehübscht werden“. Als Beispiele führte er die Spanische Treppe in Rom oder den Campo in Siena an. Diese Orte der Begegnung und Kommunikation seien von zentraler Bedeutung.

Die Bebauung müsse zudem mit dem bereits Bestehenden in der Umgebung harmonieren – Lampugnani nennt das „Häuser mit guten Manieren“. Dabei dürfe man sich durchaus an gelungenen historischen Vorbildern orientieren.

Dem öffentlichen Interesse den Vorzug geben

Kennzeichnend für ein urbanes, modernes Großstadtquartier sei zudem die Durchgrünung, etwa nach dem Muster der englischen Gartenstadt des 19. Jahrhunderts. Dabei sei eine verdichtete Bebauung durchaus nichts Negatives, wenn genug Freiraum zwischen den einzelnen Gebäuden bleibe. Es klang wie fast schon wie eine Warnung an die anwesende Rathausspitze, als Lampugnani zum Ende hin feststellte: „Stadt entsteht dort, wo das öffentliche Interesse über das private gestellt wird.“