Die Rentnerin Lilly Beitter sammelt Unterschriften dafür, dass das Hallenbad im Rosental in Stuttgart-Vaihingen auch künftig am Wochenende geöffnet hat.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Auf dem Plakat ist eine der berühmten Loriot-Figuren zu sehen. Der Mann brütet über einem Blatt Papier, den Bleistift an den gespitzten Lippen. „Ich habe mir Gedanken gemacht“ steht darüber. Und darunter das Ergebnis: „Ein Leben ohne Hallenbad Vaihingen ist möglich, aber sinnlos!“ Bei Loriot ging es freilich um Hunde. Lilly Beitters Leidenschaft ist das Schwimmen. Die 75-Jährige setzt sich dafür ein, dass das Hallenbad auch künftig am Wochenende geöffnet hat.

 

Im Herbst 2015 verkündete die Stadt in einer Pressemitteilung, dass die Schwimmhalle im Rosental „vorübergehend auch samstagvormittags und sonntags“ geöffnet hat. Der Grund ist, dass das Sonnenberger Hallenbad derzeit geschlossen ist. Im vergangenen Jahr hatte es dort gebrannt. Nun muss die Einrichtung saniert werden. Beitter ist oft im Vaihinger Hallenbad und mit vielen Badegästen ins Gespräch gekommen. Ihre Erfahrung: „Alle finden es gut, dass man dort jetzt auch am Wochenende schwimmen kann.“ Vor allem für Familien sei das wichtig. „Wann haben die Eltern Zeit, mit ihren Kindern schwimmen zu gehen?“, fragt Beitter und gibt die Antwort selbst: „Natürlich am Wochenende.“

Mail an die Vereine

Beitter hat eine Unterschriftensammlung ins Leben gerufen. „Offen bleiben“ steht auf dem Informationsblatt. Eine Interessengruppe aus Vaihingen wünsche sich, dass das Hallenbad im Rosental geöffnet bleibe, auch wenn das Hallenbad Sonnenberg wieder in Betrieb geht. „Bitte unterstützen sie uns mit ihrer Unterschrift“, steht als Aufforderung darunter. Dazu gibt es Listen. Auf diesen sollen die Befürworter des Anliegens ihren Namen, ihre Postleitzahl und ihren Ort eintragen und unterschreiben.

Die rüstige Rentnerin hat die Listen zum Beispiel in verschiedenen Fitnessstudios und Arztpraxen ausgelegt. In Absprache mit den Bäderbetrieben hängen das Plakat und eine Liste auch im Foyer des Hallenbads Vaihingen. Beitter sammelt schon seit einigen Wochen Unterschriften. Bislang sei die Resonanz aber noch verhalten. Vielen sei der Zusammenhang mit dem Hallenbad Sonnenberg gar nicht bewusst. Die meisten würden achtlos vorbeilaufen oder den Aushang nicht einmal bemerken. „Sie müssen die Leute direkt ansprechen, sonst erreichen sie niemanden“, sagt Beitter etwas resigniert. Sie hat auch die Vereine angeschrieben. Doch auch dort halte sich das Interesse in Grenzen. Von Klaus Trott, dem Vorsitzenden des Vereinsrings Rohr, habe sie wertvolle Tipps bekommen, an wen sie sich wenden könne. Jürgen Sauer, der Präsident des SV Vaihingen, habe zugesagt, die Angelegenheit zu besprechen.

Der Bäderausschuss entscheidet

Das Hallenbad Sonnenberg soll im Sommer wieder eröffnet werden. Zu diesem Zeitpunkt hat das Hallenbad Vaihingen sowieso zu, weil Freibadsaison ist. Auf die Frage, ob die Schwimmhalle im Rosental in den Winterhalbjahren dann am Wochenende wieder geschlossen hat, antwortet die Kommunikationsabteilung der Stadt: Das Bad gehöre zur Kategorie II. Es werde vorwiegend von Schulen und Vereinen genutzt und habe normalerweise nur an ein bis zwei Tagen für alle geöffnet.

Bei den Haushaltsberatungen seien die Öffnungszeiten begrenzt worden. „Eine Erweiterung – wie in Vaihingen gefordert – ist mit zusätzlichen Kosten verbunden.“ Darüber müsse der Bäderausschuss des Gemeinderats befinden. Die Pressestelle schreibt: „Es handelt sich also um eine politische Entscheidung in Absprache mit der Verwaltung.“ Und weiter heißt es: „Die Unterschriftenlisten werden selbstverständlich entgegengenommen und mit dem Referat für Wirtschaft und Finanzen entsprechend besprochen.“ Weitere Infos gibt es per Mail an hallenbad-vaihingen-offen-bleiben@gmx.de.

Kommentar

Sprung ins kalte Wasser

Vaihingen - Nach Angaben der Schwimmverbände im Land kann sich am Ende der Grundschulzeit nur jedes zweite Kind ohne Schwimmhilfe über Wasser halten. Das ist zu wenig. Die Gründe sind sicher vielfältig. Fakt ist aber, dass zwischen 2007 und 2012 die Kommunen in Baden-Württemberg 26 Bäder schlossen und nur drei neue eröffneten. In Stuttgart schließen zwar keine Bäder, aber es wird gespart. Ein paar Beispiele aus jüngerer Zeit?

Erstens: das Hallenbad Sonnenberg ist schon seit vielen Jahren ein Sorgenkind. Auch vor dem Brand war es immer wieder wegen Sanierungsarbeiten geschlossen.

Zweitens: zum Jahreswechsel gab es Unmut, weil das Vaihinger Hallenbad von Heilig Abend bis 6. Januar geschlossen war. Ausgerechnet in den Ferien, wenn Familien Zeit haben, um mit ihren Kindern schwimmen zu gehen. Doch die Bäderbetriebe erklärten, dass die Nachfrage in diesen Wochen erfahrungsgemäß gering sei. Der Vaihinger Bezirksbeirat kritisierte diese Aussage und forderte, dass das Bad künftig während der Ferien geöffnet bleibt.

Drittens: die Nachfrage nach Schwimmkursen ist groß. Die Sportvereine würden gern mehr anbieten. Aber sie bekommen keine Zeiten in den Bädern, obwohl diese oft leer stehen.

Einen Versuch ist es wert

Keine Frage, Hallenbäder sind immer ein Zuschussgeschäft. Die Kommunen müssen die Energie-, Personal- und Sachkosten stemmen. Diese können nur zu einem geringen Teil mit dem Erlös aus den Eintrittskarten refinanziert werden. Gleichzeitig muss der Eintritt ins Hallenbad erschwinglich bleiben.

Eine Ausdehnung der Öffnungszeiten ist nicht für umsonst zu haben. Doch Stuttgart kann es sich leisten, zumindest darüber nachzudenken. Wenigstens versuchsweise könnte die Stadt das Hallenbad im Rosental an den Wochenenden geöffnet lassen, auch wenn das Hallenbad Sonnenberg wieder in Betrieb geht. Wenn die Vaihinger das nicht annehmen, die Familien die Zeit nicht nutzen, um zum Beispiel ihren Kindern schwimmen beizubringen, dann wäre eine Rücknahme des Angebots sicher berechtigt.