Sigmar Gabriel (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) würden ja gern linke Mehrheiten nutzen und Angela Merkel aus dem Kanzleramt vertreiben. Sie wissen bloß nicht wie.

Berlin - „Stillstand – Made in Germany“ heißt das Buch, das SPD-Chef Sigmar Gabriel vorstellen soll. Das passt. Denn nichts tut sich bei den Umfragewerten der SPD. Nichts geht voran bei Rot und auch nicht bei Grün. Stillstand eben.

 

Jürgen Trittin hat dieses Buch geschrieben, einst grüner Umweltminister, jetzt Abgeordneter aus dem Wahlkreis Göttingen. Trittin ist und bleibt ein Rot-Grüner, beseelt von der Idee einer linken Mehrheit und beschwert von dem Umstand, dass rechnerische Mehrheiten kaum in Regierungen münden. So sehr sich deshalb Gabriel auch bei der Vorstellung des Buches bemüht, politische Differenzen, etwa bei der Braunkohle, zu finden, so sehr wird doch auch klar, das sie viel mehr eint als trennt. Gabriel nennt Trittin sogar kanzlertauglich, wenn er denn in der richtigen Partei wäre. „Der kann alles“, sagt Gabriel.

Eines verbindet die alten Weggefährten vor allem: dass sie keine Ahnung haben, wie gegen die Dauerkanzlerin Angela Merkel von der CDU und deren machtpolitischem Klammergriff anzukommen ist. Trittin macht das zu einem zentralen Thema. Er fürchtet, dass die große Koalition zum Dauerzustand wird und dann – ähnlich wie in Österreich – von Parteien am rechten Rand unter Druck gerät. Parteien wie die Alternative für Deutschland könnten dann die politische Agenda prägen. Ein Albtraum für Trittin. Und auch für Gabriel.

Schwarz-Grün ist für Trittin keine Alternative

Eine andere Mehrheit nennt Trittin „erstrebenswert“. Aber „der jetzige Zustand der Linkspartei lässt einen da nicht besonders optimistisch sein“. Schwarz-Grün ist für Trittin keine Alternative, weil damit der ökologische und soziale Umbau nicht gelinge. Immerhin kommt Trittin in seinem 61. Lebensjahr zu der späten Einsicht, dass man den Menschen erklären sollte, warum eine ökologisch-soziale Reform nicht etwa Verzicht bedeute, weshalb sie vielmehr die einzige Chance sei, Wohlstand zu sichern.

Gabriel, der ja womöglich mal tatsächlich Kanzler werden will, müssen derlei Fragen viel mehr umtreiben als Trittin. Er weiß, dass Rechnen nicht weiterhilft, sondern Rot-Rot-Grün ein politisches Reformprojekt ins Schaufenster stellen muss, das Akzeptanz findet. „Das wohl interessanteste Projekt für Rot-Grün und wenn sie wollen auch für die Linke“ sei die „Gleichheit“, sagt Gabriel. Gleichheit nicht im Sinne von Gleichmacherei, sondern von gleichen Lebenschancen weltweit, fügt er an. Das sei, so Gabriel, „das Projekt, das sich linke Politik vornehmen sollte“. Die Parteien links der Mitte müssten sich jedenfalls dringend den „Kopf darüber zerbrechen, wie eine linke Mehrheit arithmetisch zustande kommen kann“.

Gabriel dürfte es aber schon in der eigenen Partei schwer fallen, in den kommenden Monaten ein gemeinsames Verständnis von linker Politik zu entwickeln. Steuererhöhungen erteilt er nämlich nach den schlechten Erfahrungen aus dem Bundestagswahlkampf erneut eine kategorische Absage. Diese sollten SPD und Grüne „nicht noch einmal zum politischen Schwerpunkt machen“, so Gabriel, weil es dafür „in absehbarer Zeit keine Mehrheit geben“ werde. Mit dem Abbau von legalem Steuerdumping in Europa wäre ohnehin viel mehr Geld zu holen. Die SPD-Linke begreift langsam, dass Gabriel das ernst meint – und ist damit gar nicht einverstanden.