Die Stuttgarter Kickers haben gegen Münster 1:1 gespielt. Die Schlüsselszene passierte nach einer Stunde, als neben Münsters Siegert auch der Kickers-Kapitän Enzo Marchese vom Platz flog. Sein Ausfall warf die Kickers aus der Bahn.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Ralf Loose zählt weder zu den HB-Männchen noch zu den Lautsprechern unter den Fußball-Trainern. Die Gefahr, dass er seine Coachingzone verlässt ist deshalb in etwa so groß wie wenn ein Polizist eine Geschwindigkeitsüberschreitung beginge. Also gab Münsters Trainer nach dem 1:1 bei den Stuttgarter Kickers als Replik auf die Aussage des Kickers-Pressesprechers, der von einer aufregenden Partie sprach, zum Besten: „So aufregend war das Spiel nicht.“

 

Mit einer Ausnahme, das gab schließlich auch Loose zu: „Die beiden Platzverweise.“ Zumal die genau vor der Münsteraner Spielerbank passierten. In der 59. Minute war das – sicher der (negative) Höhepunkt des Spiels. Erst grätschte Benjamin Siegert den Kickers-Spieler Baumgärtel um, dann stürmte der Stuttgarter Kapitän Enzo Marchese auf den Sündenbock zu. Auch wenn er hinterher beteuerte, den Gegenspieler nicht berührt zu haben, so war allein schon die Gestik als Vorsatz zu werten, Siegbert jedenfalls ging zu Boden. Dennoch schien der Schiedsrichter Gnade vor recht walten zu lassen. „Er wollte beiden Gelb geben“, erzählte Marchese später, „doch dann hat der Linienrichter seinen Senf dazu gegeben.“ Und aus dem gelben Senf wurde rotes Ketchup. Zwei Platzverweise, beide durchaus vertretbar.

„Sein Ausfall trifft uns hart.“

„Danach war ein Bruch im Spiel“, sagte Horst Steffen, der Kickers-Trainer. Vor allem bei seiner Mannschaft, die just nach der Pause ihre beste Phase und nicht von ungefähr den Ausgleich durch Marco Calamita erzielt hatte. „Ich bin mir auch sicher, dass wir das Spiel gewonnen hätten“, sagte Gerrit Müller später, und Trainer Horst Steffen gab zu: „Ich hätte lieber mit elf gegen elf zu Ende gespielt.“ Auch Marchese wusste wohl, dass er in seiner Vaterrolle („er ist eben wie ein Papa zu seinen Jungs“, so Steffen) übers Ziel hinaus geschossen war und sagte: „Hinterher ist man immer schlauer.“ Marchese war sich der Tragweite bewusst: Die Saison könnte für ihn bei noch zwei Spielen gelaufen sein, beim WFV-Pokalfinale am 7. Mai allerdings dürfte eine DFB-Sperre im Normalfall nicht greifen, so dass Marchese gegen Heidenheim spielberechtigt wäre.

Gerrit Müller, der später in seine Rolle schlüpfte, ahnt: „Sein Ausfall trifft uns hart.“ Jedenfalls stimmten die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen ohne Marchese plötzlich nicht mehr. Münster konnte das Remis schließlich relativ ungefährdet nach Hause bringen, nachdem die Schlüsselszene mitten in die Sturm- und Drangphase der Blauen fiel.

Mehrere Spieler neben der Spur

Nach einer eher schwächeren ersten Hälfte waren die Kickers mit neuem Elan aus der Kabine gekommen, holten sich die von Steffen stets geforderten Ballgewinne und hatten auch mehr Zug zum Tor – das irgendwie in der Luft lag. Und dann lag Siegert auf dem Boden.

Ob berechtigt oder nicht: ohne einen Rüffel kam Marchese nicht davon. „Natürlich muss er sich da cleverer anstellen“, sagte Steffen, deshalb wird der Kapitän wie jeder andere Spieler auch zur Kasse gebeten. „Über seine Bedeutung für die Mannschaft brauchen wir nicht sprechen“, erklärte Steffen, „aber wir werden auch so eine schlagkräftige Mannschaft aufstellen.“

Denn natürlich sind die Kickers nicht nur Marchese. Und am Samstag waren auch andere Spieler neben der Spur. Der Stürmer Lhadji Badiane fand überhaupt nicht ins Spiel und wurde zur Halbzeit ausgewechselt, weil er sich unwohl fühlte. Hinzu kam, dass auch von Randy Edwini-Bonsu weder rechts noch später im Angriff große Gefahr ausging – zwei Leistungsträger steckten also im Tief. „Und dann fehlt die Stärke Richtung Tor“, gab Steffen zu.

So könnte es durchaus eine Warnung in Richtung nächste Saison sein, dass die Erfolgswelle der vergangenen Monate kein Selbstläufer ist – wo doch schon einige glauben, dass die Kickers 2015 als Aufsteiger feststehen. Da ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass es nun kaum noch zum angepeilten vierten Platz reichen wird, der die Kickers zwangsläufig in eine Mitfavoritenrolle für die neue Runde rücken würde.