OB Fritz Kuhn hat für den Herbst ein ämterübergreifendes Konzept angekündigt, mit dem die Elendsprostitution bekämpft werden soll. Bisher tut sich die Verwaltung schwer, gegen illegale Betriebe vorzugehen. Anwohner schlagen Alarm.

Stuttgart - Die Zustände im Stuttgarter Rotlichtviertel müssen schon seit Jahren als anarchisch bezeichnet werden, weil lediglich drei Bordelle als geduldet betrachtet werden dürfen, der große Rest also illegal betrieben wird. Der Zustrom junger Frauen aus Osteuropa, die von ihren Verwandten zur Prostitution gezwungen werden, ihre Dienste verbotswidrig auf der Straße anbieten und in legalen Hotels vollziehen, sowie die Ausdehnung illegaler Animierlokale und Stundenhotels führt zu einer Verwahrlosung des Leonhardsviertels. Aktuell schlagen nicht nur Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne) und Frauenhilfseinrichtungen Alarm, sondern auch Anwohnerinitiativen, Denkmalschützer und Vertreter des Verschönerungsvereins, die das Gebiet als Wohnquartier retten wollen.

 

Adressatin der Appelle ist einmal mehr die Stadtverwaltung. Sie dient auch als Zielscheibe für Kritik, unter anderem deshalb, weil die städtische Wohnungsbautochter SWSG 2008 ein Gebäude im Viertel verkaufte, das der Erwerber prompt in eine „Vergnügungseinrichtung“ verwandelte. So ist auch die Petition zu verstehen, die sich gegen die Übertragung dreier alter Häuser von der Stadt auf die SWSG richtet.

Bürger fordern, dass die Stadt Läden schließt

Klagen gegen die Zweckentfremdung dauerten ihre Zeit, kontert Baurechtsamtsleiterin Kirsten Rickes regelmäßig den Vorwurf der Untätigkeit. Die Gegenseite nutze alle Rechtsmittel, um teils jahrelang die Schließung eines Etablissements zu verzögern, bestätigte unlängst Roger Bohn, der die Stadt bei diesen Prozessen vertritt. Bei Tageseinnahmen von mehr als 2000 Euro lässt sich der Erfolg dieser Taktik leicht errechnen. Allerdings hat Rickes auch eingeräumt, es falle ihren Beamten nicht immer leicht, sich zu motivieren, in diesem gewaltbereiten Umfeld die Einhaltung von Recht und Gesetz durchzusetzen. Dabei fordern engagierte Bürger im Viertel, dass es die Stadt den Altstadtkönigen mit gleicher Münze zurückzahlt, etwa, indem sie Hygiene- und Brandschutzkontrollen ausweitet und – selbst auf die Gefahr einer Niederlage vor Gericht hin – Exempel statuiert und Läden schließt.

OB Fritz Kuhn (Grüne) hat für den Herbst ein Konzept gegen die Elendsprostitution angekündigt. SPD und Grüne monierten, dass er sich für die Bildung einer ämterübergreifenden Einsatztruppe, „die schlagkräftig gegen Kriminalität und menschenunwürdige Bedingungen im Zusammenhang mit Prostitution und Menschenhandel vorgeht“, nun schon mehr als ein Jahr lang Zeit lasse. In dem Antrag wird auch deutlich, dass man auf die in Aussicht stehende Gesetzesänderung des Bundes nicht warten wolle. Man könne vor Ort einiges selbst tun. Dazu soll etwa eine an Freier gerichtete Aufklärungskampagne gehören. Ursprünglich sollte diese von der Gleichstellungsbeauftragten konzipiert werden. Nun soll das aber eine Werbeagentur erledigen.

Für Bezirksvorsteherin Kienzle, wegen ihrer permanenten Appelle, Anfragen und Verbesserungsvorschläge in der Rathausspitze und teils auch von Parteifreunden in der Kritik, wären überschaubare Investitionen in eine bessere Straßenbeleuchtung, neue Straßenbeläge, mehr Grün und die Beseitigung von Müllhaufen ein Anfang. Als völlig untauglich bezeichnet sie die unlängst geäußerte Idee, einen kleineren, dann aber offiziellen Rotlichtbezirk in Teilen der Weber- und Leonhardstraße einzurichten. Gäbe es bei der Stadt diese Überlegung, wäre der Unterausschuss darüber schon unterrichtet, so Kienzle. Nun ist sie um eine Enttäuschung reicher: OB-Sprecher Andreas Scharf bestätigte gegenüber der StZ diese „Gedankenspiele im Planungsamt“. Es sei aber noch nichts entschieden, und es wäre dann auch nicht so, dass auch jene Häuser zu Bordellen würden, die bislang ganz normal genutzt würden.