Der Ulmer Bordellbetreiber Marcus Eberhardt sitzt seit Monaten wegen Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft. Sein Mitteilungsbedürfnis im Stadtmagazin „Spazz“ hatte die Behörden auf ihn aufmerksam gemacht. Nun ist Anklage erhoben worden.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Ulm, bäh, da kommt Prinz Marcus von Anhalt schon lange kaum noch hin. „Nur noch zum Geldholen“, verriet die Rotlichtgröße in der Dezemberausgabe 2012 des Ulmer Stadtmagazins „Spazz“ in einem Interview. Zu neblig, zu weit weg von allem. In Los Angeles und Monte Carlo, sagte der Interviewgast mit der ewigen Sonnenbrille auf dem Kopf, verbringe er den Großteil seines Lebens.

 

Das war nicht immer so. Noch 2008 zum Beispiel guckte der 47-Jährige ganz öffentlich in seinem Neu-Ulmer Bordell „FKK Safari“ vorbei und durfte sich nebenher der neugierig gewordenen „Südwest Presse“ als seriöser Arbeitgeber präsentieren. „Der Bordellkönig besucht sein Reich“, hieß es dann halb ironisch, halb fasziniert.

Die Puffadresse in der Neu-Ulmer Zeppelinstraße ist zugleich eingetragener Geschäftssitz der Eberhardt Entertainment Enterprises GmbH. Zur Gesellschaft gehört eine ganze Reihe weiterer Laufhäuser, Tabledance-Bars und FKK-Häuser bis hinauf zur Mitte Deutschlands: das „Pure Platinum“ drüben in Ulm, das „FKK-Safari“ in Fellbach, das „Roteshaus“ in Frankfurt, das „Traum-Paradies“ in Köln oder das „FKK Safari Pforzheim“. Von 23 Rotlichtbetrieben unter seiner Regie sprach Prinz Marcus Ende 2012 . Rund 400 Mitarbeiter beschäftige er, dazu etwa 1800 „freie Mitarbeiter“. Keiner in Deutschland sei größer als er, der Prinz. Wer ihm etwas streitig machen wolle, müsse sich warm anziehen.

Die Eberhardt-Bordelle bleiben außen vor

Die Beamten der Ulmer Sitte wissen, dass der Rotlichtunternehmer zum Schutz seiner Läden die Hells Angels per Pauschalvertrag engagiert hat. Im zurückliegenden großen Rockerkrieg von Ulm und Neu-Ulm, in dem es auch um die Vorherrschaft im Rotlicht ging, schlugen und beschossen sich die Gesetzlosen von den Black Jackets und den Bandidos, der Red Legion und der Rock Machine. Bis heute beschäftigen die Gewaltfälle die Gerichte. Nie aber hat es ein Kuttenträger gewagt, eines der Eberhardt-Bordelle anzugreifen. Was Mercedes im Autobau sei, das sei er im deutschen Rotlichtgeschäft, prahlte seine „Königliche Hoheit“ mehrfach.

Auf den Titel legt der 47-Jährige Wert. Kumpels dürfen ihn, schlichter, Prinz Marcus nennen. Die komplette förmliche Anrede dürfte sich sowieso keiner merken können: Prinz Marcus Eberhard Edward von Anhalt, Herzog zu Sachsen und Westfalen, Graf von Askanien. Der Verkäufer dieses Titels ist – für eine unbekannte Summe – im Jahr 2005 Prinz Frederic von Anhalt gewesen, der seinen Titel wiederum selber zugekauft hat, Zsa Zsa Gabor ehelichte und nach der Jahrtausendwende Dauergast eines Frankfurter Eberhardt-Lokals war.

Der Adelstitel ebnete den Weg in die Klatschspalten

Seitdem, sagte der Prinz einmal von sich selbst, sei er auf einmal nicht mehr „der Eberhardt“ gewesen, der gelernte Metzger, Koch und Puffbesitzer aus Pforzheim. Eberhardt hielt Einzug in Klatschspalten und TV-Sendungen. Dort gab er den mit Orden behängten Großkotz, wurde, was man einen Trash-Promi nennt. In sein Schlepptau nahm er halbnackte Schönheiten, und wenn er mal wieder vor Gericht stand wegen illegaler Autorennen oder Fahrens unter Alkoholeinfluss oder Tempoüberschreitung, dann nutzte er das, um sein omnipräsentes Lächeln aufzusetzen und zu spotten, die Geldstrafen seien für einen Mann seines Formats ein Witz.

Das Bundeszentralregister führt den Bordellchef, den die bunten Blätter auch Prinz Protz oder Prinz Porno betiteln, mit weit mehr als Kavaliersdelikten. 2003 verurteilte ihn das Landgericht Karlsruhe wegen Zuhälterei, Menschenhandel, gefährlicher Körperverletzung und versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gefängnisstrafe. Auf seiner Facebook-Seite behauptete der Prinz über sich selbst, er habe, „abgesehen von Jugendsünden“, nie für die ihm vorgeworfenen Straftaten verurteilt werden können.

Die präzisen Auskünfte des Prinzen alarmierten die Behörden

Seit Mitte April sitzt der Pforzheimer Adelstitelträger wieder in Untersuchungshaft. Es geht um den Vorwurf der Steuerhinterziehung im großen Stil. Ausgerechnet das Winterinterview von 2012 im Gratismagazin „Spazz“ leitete sein Verhängnis ein. Erst sagte Eberhardt auf eine entsprechende Frage, er besitze 41 Autos. Etwas später präzisierte er: „Acht sind in Ulm angemeldet. Wenn ich in Deutschland ein Auto fahre, lasse ich das auf Ulm zu, weil ich keinen deutschen Wohnsitz mehr habe. Auf mich selber kann ich es nicht mehr zulassen. Meine Autos sind alle in der Schweiz zugelassen. Die anderen lasse ich hier auf eine Firma laufen.“

Den noch etwas später geäußerten Vorwurf Eberhardts, er finde „das deutsche Steuersystem nicht gerecht“, brauchte es nicht mehr, um das Finanzamt Neu-Ulm aufzuschrecken. Eine Sammlung von Bentleys, Ferraris und Porsches, getarnt als Betriebsmittel und finanziert mit Hilfe deutscher Steuervergünstigungen? Das ist der Verdacht, dem längt auch die Staatsanwaltschaft Augsburg nachgeht. Ein Haftbefehl wurde ausgestellt. Fahnder fassten zu, als der Rotlichtunternehmer kurz aus der Schweiz einreiste und sein Haus in der Nähe von Pforzheim aufsuchte. Die Justizbehörden sehen Fluchtgefahr.

Inzwischen scheint sich die Beweislage gegen Eberhardt verdichtet zu haben. Am Donnerstag teilte die Augsburger Staatsanwaltschaft mit, sie habe Anklage gegen den 47-Jährigen erhoben. Der Strafrahmen für „Steuerverkürzungen in großem Ausmaß“ betrage sechs Monate bis zu zehn Jahren.