Eine ganze Generation ist mit dem Fax aufgewachsen. Da fällt es vielen Nutzern schwer, sich von der Technologie zu verabschieden, berichtet der StZ-Kolumnist Peter Glaser. Es ist eben nicht immer so, dass alte Technologien komplett durch neue ersetzt werden.

Stuttgart - Als Faxgeräte Anfang der Achtzigerjahre öffentlich verfügbar wurden, hießen sie „Fernkopierer“, um anschaulich zu machen, was sie tun. Das Kommunikationsmittel verbreitete sich wie geschnitten Brot. Ein Teil des Erfolgs lag darin, dass das Faxgerät erfolgreich zu verheimlichen wusste, dass es ein Modem ist. Dessen Bedienung war kompliziert. Am Fax musste man Nummer wählen, Senden-Knopf drücken. Fertig.

 

Nun scheint die Goldene Ära des Fax in eine silberne Dämmerung überzugehen. Aber auch nach zwei Jahrzehnten Internet hält sich die von vielen längst totgesagte Technik auf erstaunliche Weise am Leben. Zwar ist sie inzwischen ein kleinerer Mitspieler im Orchester der digitalen Kommunikationsoptionen geworden, aber immer noch nutzen Millionen Menschen weltweit Faxmaschinen – „daran wird sich auch in näherer Zukunft nichts ändern“, so der texanische Historiker Jonathan Coopersmith.

Firmen wie auch Privatpersonen kaufen weiterhin neue Faxgeräte. E-Mail kostet das Fax zwar Marktanteile, aber der Markt verschwindet nicht einfach. Weltmarktführer Brother verkaufte 2005 rund 20 Millionen Faxgeräte. Heute sind es zwar ein paar Millionen weniger, aber: „Diejenigen, die vor zehn Jahren den Tod des Fax vorhersagten, haben sich getäuscht“, sagt der Brother-Europamanager Nicolas Cintre. Eine ganze Generation ist mit dem Fax aufgewachsen und hat ihr Büroleben damit verbracht. Solche Gewohnheiten sind schwer zu suspendieren.

Vom papierlosen Büro redet auch niemand mehr

In Ländern wie den USA sind Faxgeräte fast ganz verschwunden. Xerox hat sich schon vor Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen. Faxen bietet jedoch Sicherheitsvorteile, da es schwierig ist, eine Faxübertragung anzuzapfen. Und man kann per Fax komfortabel handschriftliche Dokumente übermitteln – Faksimiles –, was die Maschinen in asiatischen Ländern nach wie vor unverzichtbar macht.

Wer schon einmal in Tokio vor der Tatsache stand, dass es keine Hausnummern und Straßennamen gibt, weiß zu schätzen, wie man sich in dieser Megacity dennoch zurechtfinden kann: „Send me a Fax!“, heißt die Zauberformel. Jeder hat seinen Stadtplanschnipsel mit dem Anfahrtshinweis neben dem Faxgerät liegen. Damit können auch Ausländer in ein Taxi steigen und dem Fahrer, der nur selten Englischen spricht, problemlos die Richtung weisen. Handschriftlich lassen sich auch die Hunderte von Zeichen der japanischen Schrift einfacher nutzen, als sie erst auf mehrfach belegten Computertastauren finden zu müssen. 2014 wurden in Japan immer noch 1,2 Millionen Faxgeräte verkauft. Aber auch hierzulande schlüpft das Fax eher in neuen Anwendungsformen unter, als sich einfach zu verabschieden. Beliebt sind neben Online-Faxdiensten – der „Faxware“-Sektor verzeichnet jährliche Zuwachsraten von 20 Prozent – vor allem Multifunktionsgeräte, die scannen, drucken, kopieren – und faxen können.

Wolfgang Riepl würde sich über diesen Beleg seiner These freuen. Bereits vor 100 Jahren formulierte der ehemalige Chefredakteur der „Nürnberger Zeitung“ das nach ihm benannte Riepl’sche Gesetz, wonach etablierte Technologien nie ganz durch neue ersetzt werden, sondern weiterhin nebeneinander existieren. Über vormals radikale Visionen wie das papierlose Büro redet heute niemand mehr ohne ironisches Lächeln. 1995 wurden mit Papier, Büro- und Schreibmaterial in Deutschland 10,2 Milliarden Euro netto umgesetzt. 2012 lag der Umsatz laut dem Kölner Institut für Handelsforschung bei 11,1 Milliarden.