Früher haben wir Detektivclubs gegründet, um die Leute um uns herum zu beobachten. Das ist heute nicht mehr nötig: mit den neuesten Gadgets ist Überwachung ein Kinderspiel. Und mal ehrlich: wir alle wüssten doch gerne mehr über die anderen, als offiziell erlaubt. Oder etwa nicht?

Stuttgart - Von allen Seiten werden wir überwacht, und das noch auf kränkende Weise. Die NSA interessiert sich nicht einmal mehr für die Inhalte meiner Telefongespräche, nur noch für die Metadaten. Während man früher seine persönliche Wichtigkeit diskret andeuten konnte, indem man fallen ließ, dass man es im Telefon knacken höre, anders gesagt: dass man bedeutend genug war, um abgehört zu werden, interessiert sich heute keine Sau mehr für einen. Dabei, und ich spreche jetzt ein Tabu an, kann Überwachung doch richtig Spaß machen.

 

Neulich gab es die Geschichte mit dem Enthüllungsjournalisten, der als Journalistenlehrling heimlich Gespräche mit seinem Chef aufgezeichnet hatte, sie – acht Jahre später – in seinem Blog veröffentlichte und kurz darauf dabei erwischt worden sein soll, wie er in der Redaktion seines nachmaligen Arbeitgebers, der „taz“, einen USB-Stick mit einem Keylogger verschwinden lassen wollte. Mit einem Keylogger läßt sich jeder Tastendruck an einem Computer aufzeichnen. Es ist doch eine Freude, ein guter Mensch und dem Bösen auf der Spur zu sein.

Enthusiastische Röntgenbrillenträger

Ich will mich outen: Ich habe als Kind einen Detektivclub gegründet. Gemeinsam mit meinem besten Freund [Name geschwärzt] wollte ich meinen an Astrid Lindgrens Kalle-Blomquist-Romanen geschulten Spürsinn verfeinern. Man war damals umgeben von unbekümmerten Einladungen zur Auskundschaftung, etwa der legendären Röntgenbrille, die in Groschenheften mit der Zeichnung eines bekleidetes Mädchens, dessen Körpersilhouette unter dem Kleid sowie eines enthusiastischen Röntgenbrillenträgers veranschaulicht wurde.

In der Donald Duck-Geschichte „Verirrt!” aus dem Jahr 1956 wird ein Campingurlaub beschrieben, bei dem Donald seine drei Neffen stolz mit den damals modernsten Mitteln am Unbeobachtetsein hindert: die Kinder tragen kleine Kügelchen aus Uran auf ihren Mützen. Mit einem Geigerzähler kann Donald sie bequem aus der Hängematte einpeilen. Der Versuch verläuft allerdings unglücklich – zuletzt spürt Donald eine verlorene Mütze in einer Höhle auf, die von einem übellaunigen Grizzlybären bewohnt wird. Was damals Tick, Trick und Track war, ist heute Tracking. Und immer noch macht es Vergnügen, seinen Nachwuchs mit Gadgets zu überwachen, etwa dessen Internet-Aktivitäten mit einem sogenannten SnoopStick, der nichts anderes ist als ein Keylogger. Die Technik wurde das erste Mal 2002 prominent genutzt, um den New Yorker Mafioso Nicodemo Scarfo Jr. des illegalen Glücksspiels zu überführen.

Digitale Zäune fangen Kinder ein

Das neueste Spielzeug heißt Geofencing, eine Art digitaler Zaun. Damit lassen sich gezielt geografische Areale erzeugen. Die zu Twitter gehörende Firma Whisper Systems entwickelt gerade eine App namens Zones, mit der man seine Welt in beliebige Bereiche aufteilen kann. Taucht das Smartphone in einer solchen Zone auf oder verläßt es sie, wird automatisch eine festgelegte Aktion ausgeführt. Eltern können so etwa für ihre Kinder einen Aufenthaltskorridor festlegen und sich alarmieren lassen, wenn dessen Grenze überschritten wird. Denn da draußen, außerhalb des Zauns, lauert das wahre Leben. Der Schrecken des Unvorhersehbaren. Eltern wissen das. Kinder nicht.

Unseren Detektivclub mußten wir übrigens nach einiger Zeit wieder einstellen, aus Mangel an Dunkelmännern. Es gab in der Siedlung nur gute Menschen. Das Paradies ist schrecklich langweilig.